Hamburg. Sie mobilisierte mit ihrer Aufräumaktion nach der G-20-Randale 10.000 Menschen. Abendblatt-Leser stimmten für sie.
Es war lediglich eine Aufforderung an die Hamburger, sich nach den G-20-Krawallen im Schanzenviertel zum Aufräumen zu treffen. Keine große Sache, sagt Rebecca Lunderup an diesem Nachmittag bei einem Portugiesen am Schulterblatt bei Cappuccino und Mohnschnecke. Fast ein halbes Jahr ist es her, dass in der Nähe Randalierer Steine aus der Fahrbahn gerissen und sie als Wurfgeschosse gegen Polizisten genutzt hatten. In der Schanze waren die Gewaltexzesse besonders schlimm, warfen die Chaoten Fensterscheiben ein, zerstörten eine Budni- und eine Haspa-Filiale.
Die 23-Jährige hatte die Idee zur Aufräumaktion, und 10.000 Menschen waren ihrem Facebook-Aufruf an diesem heißen Julitag gefolgt und putzten, fegten und wischten die Spuren der Krawallnächte weg. Für dieses Engagement wählten die Leser des Hamburger Abendblattes die Studentin zur Hamburgerin des Jahres 2017 – vor den Beachvolleyballerinen Laura Ludwig und Kira Walkenhorst oder Elbphilharmonie-Intendant Christoph Lieben-Seutter und sieben weiteren Persönlichkeiten, die jedes Abendblatt-Ressort im vergangenen Jahr zu den Menschen des Monats bestimmt hatte.
Treffen mit Bundespräsident
Nur ein paar Zeilen in den sozialen Medien, die doch erhebliche Wirkung hatten. Für die Stadt und das Gemeinschaftsgefühl der Hamburger und auch für Rebecca Lunderup. Am Tag vor der großen Aktion hatte sogar noch der Bundespräsident bei ihr anrufen lassen, ließ von seiner Referentin ausrichten, er wolle sich mit ihr treffen. „Ich bekam einen roten Kopf, als ich mit ihr telefonierte“, sagt sie.
Zum Treffen kam es dann im Polizeikommissariat an der Lerchenstraße kurz vor dem Großreinemachen. Frank-Walter Steinmeier hat sie beeindruckt: „Ein sympathischer Mann, der sich sehr für das interessierte, was in der Schanze geschehen war.“ Und welche 22-Jährige trifft schon den Bundespräsidenten? Es folgte eine Auszeichnung für ihre Aktion „Hamburg räumt auf“, sie war zu Gast im Fernsehen, im Radio und es erschienen Artikel in Zeitungen. Magazine machten sie gleich zur „Tatortreinigerin“.
Es folgten Einladungen
Es folgten Einladungen – zum Sommerfest der Hamburgischen Bürgerschaft zum Beispiel oder zum Sommerfest des Bundespräsidenten. Bald geht es mit Freund Timon Feld auf den Ahoi-Ball. So ein bisschen gehört die 1,59 Meter kleine Frau mit den langen dunkelblonden Haaren nun zur Hamburger Gesellschaft. Gewöhnungsbedürftig sei das. Für den Ball müsse sie sich noch ein Kleid kaufen. Bodenlang muss es sein.
„Dabei steht das kleinen Frauen doch gar nicht“, sagt sie und lacht. Ziemlich viel Trubel für eine, die es gar nicht gewohnt ist, öffentlich im Mittelpunkt zu stehen und die noch nie auf einer Demonstration war und auch nicht besonders politisch sei. Das hat sich geändert. Sie hat viele Hamburger Politiker getroffen und deren Visitenkarten in ein entsprechendes Büchlein geklebt. Sie sei exakt, sagt sie, aber nicht pedantisch.
Die Aufräumaktion war für sie selbstverständlich. „Es wurden Scheiben eingeschlagen, alles war doch schmutzig.“ Zwar wohnt sie nicht im Schanzenviertel, sondern mit ihrem Freund in Lokstedt, aber die Stimmung der Gipfeltage hat sie auch dort erreicht. „Es lag eine Spannung in der Luft, das war ein mulmiges Gefühl.“
Als am 9. Juli dann Tausende vor der S-Bahn-Station Sternschanze standen, bereit für den Putzeinsatz, war sie etwas überfordert und rief einfach „Hallo Hamburg“ in ein Megafon. „Wenn ich an die vielen Menschen denke, bekomme ich immer noch Gänsehaut.“ Die Menschen zogen durch die Straßen, sammelten Scherben auf, schrubbten Graffitis weg. Eine Baumarktkette hatte Putzzeug bereitgestellt. Und das alles hatte diese junge Frau initiiert. „Es war ein unglaubliches Gefühl“, erinnert sich Rebecca Lunderup. Nach drei Stunden war alles sauber und ausländische Journalisten, die die Schäden filmen wollten, interviewten stattdessen Frau Lunderup aus Lokstedt, die von der Schönheit ihrer Heimatstadt schwärmte.
Das besondere Hamburg-Gefühl
Es ging ihr auch darum, ihre Heimatstadt ins richtige Licht zu rücken. Hamburg – das sind keine brennenden Straßenbarrikaden. „Hamburg ist für mich Zusammenhalt und dieses Gemeinschaftsgefühl“, sagt sie. Und die angehende Berufsschullehrerin für biologisch-technische Assistenz ist das Gesicht für dieses besondere Hamburg-Gefühl. Den Erfolg ihrer Aktion erklärt sie so: „Es gab zu der Zeit ja sonst nur schlechte Nachrichten. Die Leute wollten etwas dagegensetzen.“ Der Tag hat sie verändert. Sie will sich ehrenamtlich engagieren, am liebsten in der Flüchtlingshilfe. Und die Facebook-Aktion soll nicht die einzige gewesen sein. Sie plant wieder etwas. Noch ist es aber nicht wirklich spruchreif.