Hamburg. Der Schauspieler spielte mit seiner Band vor einem ausverkauften Haus. Einst hatte er den Bau des Konzerthauses noch kritisiert.

Als Gustav Peter Wöhler um kurz nach 20 Uhr auf die Bühne der Elbphilharmonie schreitet, scheint er selbst immer noch nicht zu begreifen, was da gerade eigentlich geschieht. Ungläubig schaut er in das ausverkaufte Haus: 2100 Zuschauer, die gekommen sind, um ihn zu sehen. Einen singenden Schauspieler, der kein Instrument spielen kann, noch nie einen eigenen Song geschaffen hat. Und nun als umjubelter Star im neuen Wahrzeichen der Hansestadt gastiert, einem Bau, den Wöhler einst heftig kritisierte: „Seid Ihr eigentlich bescheuert, für ein solches Konzerthaus so viel Geld auszugeben?“

Nun könnten böse Zungen behaupten, dass inzwischen auch die Kastelruther Spatzen mit ihren Hits wie „Die Tränen der Dolomiten“ zehnmal in Folge den Großen Saal füllen würden, der Hype um die Elbphilharmonie ist auch ein Jahr nach der Eröffnung ungebrochen. Aber das wäre ein grobes Foul gegen Wöhler, der an diesem Mittwochabend mit einem bravourösen Auftritt zeigt, dass er sich dieses Gastspiel mehr als verdient hat. Wöhler erzählt von seinen musikalischen Anfängen, 1996 trat er erstmals mit seiner Band in der Kantine des Schauspielhauses vor 99 zahlenden Gästen auf. Eine Jubiläumstour zum 20jährigen Bestehen hat er irgendwie verschwitzt, also feiert er jetzt eben 22 Jahre Bandgeschichte, Jubiläen werden eh überschätzt.

Die Elbphilharmonie – das ist schon ein anderes Ding

Acht Alben hat Wöhler in über zwei Jahrzehnten eingespielt, mehrere hundert Konzerte gegeben. Aber die Elbphilharmonie, das ist eben doch ein anderes Ding als ein intimer Club, in denen Wöhler vornehmlich gastiert. Bei aller Routine ist eine gewisse Nervosität unverkennbar, ausgerechnet beim Elton-John-Klassiker „Your song“ verpatzt Wöhler einen Einsatz. Dabei nennt Wöhler dieses Lied seinen „Lebens-Song“. Mit 14, sagt er, habe er „Your song“ das erste Mal in seinem Kinderzimmer gehört und gespürt, dass ihn mit diesem Sänger etwas verbinde. Deshalb habe es ihn auch nicht überrascht, als Elton John 1976 erstmals öffentlich erklärte, dass ihn auch Männer sexuell anziehen würden: „Ich wusste das schon vorher“, sagt Wöhler. Das Publikum lacht – und ist dann gerührt über die Liebeserklärung zu seinem Mann Albert Wiederspiel, dem Leiter des Hamburger Filmfests.

Im zweiten Teil, sein Jackett hat er in der Garderobe gelassen, gewinnt das Konzert noch mehr Fahrt. Mitunter scheint man das Knarzen der Schallplattennadel zu hören, wenn Wöhler Klassiker der Popgeschichte wie „Whiter shade of pale“ (Procol Harum) oder „Bridge over troubled water“ (Simon & Garfunkel) intoniert. Es ist nicht allein seine Stimme, die so berührt. Nein, Wöhler erweist den Helden seiner Jugend die höchste Auszeichnung: Respekt. Vor jedem Lied erzählt er, wie großartig dieser Künstler sei, dessen Werk er gerade singen dürfe, ob nun Billy Joel, Sting oder Bono von U2. Er könnte sie auch parodieren. Wer, wenn nicht er, hätte dafür als Schauspieler mit so viel komödiantischem Talent das nötige Rüstzeug. Aber genau das wäre für Wöhler ein Zeichen der Missachtung seiner Idole. Er gleicht einem Münzsammler, der seine kostbare Stücke sorgsam verwahrt, behutsam aufpoliert und hin und wieder neu sortiert. Und der vor allem weiß, welche Einzelstücke in eine öffentliche Ausstellung gehören – und welche eben nicht.

Sein Respekt vor dem Können zeigt sich in kleinen Gesten

Er verehrt Charles Aznavour und Adele, hat Cover-Versionen ihrer Lieder auch geprobt – und sie doch wieder aus seinem Programm gestrichen. Sie wären qualitativ einfach zu schlecht gewesen, nicht angemessen ihren Urhebern. Sein Respekt vor dem musikalischen Können anderer zeigt sich auch in kleinen Gesten. Wenn seine großartigen langjährigen Weggefährten, Pianist Kai Fischer, Gitarrist Mirko Michalzik und Bassist Olaf Casimir zu Soli ansetzen, zieht sich Wöhler in den Schatten der Bühne zurück, überlässt den Kollegen das Scheinwerferlicht. Michalzik wirft er nach einem besonders virtuosen Solo dankbar einen Luftkuss zu. Als letzte Zugabe singt er noch „Junimond“, eines der schönsten Lieder von Rio Reiser. Ein schwarzes Handtuch trägt Wöhler um die Schultern, wie ein Boxer nach einem schweren Kampf.

Er hat diesen Kampf gewonnen.

Am 26. August (19 Uhr) gastiert Gustav Peter Wöhler mit seiner Band im Schmidts Tivoli an der Reeperbahn. Karten gibt es für 23,10 bis 39,60 Euro.