Hamburg. Versöhnliche Töne bei der traditionellen Versammlung eines Ehrbaren Kaufmanns. Bürgermeister Olaf Scholz als Ehrengast.

Der Präses der Handelskammer Hamburg, Tobias Bergmann, will den Streit mit seinen Amtsvorgängern beilegen. Wenn die Wirtschaftslenker in der Stadt begännen, sich gegenseitig die Ehrbarkeit abzusprechen, würde die gesamte Wirtschaft darunter leiden, sagte Bergmann in seiner Rede anlässlich der Versammlung eines Ehrbaren Kaufmanns zu Hamburg in der Handelskammer. Damit reagierte er auf die Kritik mehrerer Altpräsides, die ihm im Abendblatt die Missachtung der Werte eines Ehrbaren Kaufmanns vorwarfen und deshalb die traditionelle Jahresschlussversammlung der Hamburger Wirtschaft boykottierten. „Ich möchte in einen Dialog mit den Kritikern treten und habe deshalb die Altpräsides zu einem Treffen am Vorabend des Kammergeburtstags am 19. Januar eingeladen“, sagte Bergmann vor rund 1700 Gästen im Börsensaal.

Heftige Kritik an der Arbeit der neuen Kammerführung gab es vom Vorsitzenden der Versammlung eines Ehrbaren Kaufmanns (VEEK), Gunter Mengers. „Momentan sehen wir ziemlich verständnislos auf Entwicklungen, deren Nutzen für die Wirtschaft uns einfach nicht klar wird, obwohl das doch die Aufgabe der Kammer ist“, sagte Mengers. Die Mitarbeiter der Kammer und die Hamburger Wirtschaft sollten nicht „zum Versuchslabor für unklare Ideen und Vorstellungen“ werden, bemängelte Mengers, der den VEEK in den vergangenen Wochen von der Handelskammer abgespalten und eigenständig gemacht hat.

Diverse Hamburger Wirtschaftsgrößen fehlten

Erstmals in der Geschichte des VEEK kam mit Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) auch ein Politiker zum Jahresschluss der Wirtschaft zu Wort. Auch er forderte mehr wirtschaftliches Wachstum ein: „Hamburg ist stark. Das darf uns aber nicht genügen.“

Es ist eigentlich ein Pflichttermin der Hamburger Wirtschaft: Jedes Jahr tritt am letzten Arbeitstag die Versammlung eines Ehrbaren Kaufmanns zu Hamburg in der Handelskammer zusammen, wenn der Kammerpräses seine Ansprache hält. Wer in der Wirtschaft den Ton angibt, lässt sich diesen Termin nicht entgehen.

Die neue Kammerführung arbeitet sich an der alten ab

Doch in diesem Jahr war alles anders. Die Stuhlreihen im Börsensaal waren zwar gut gefüllt, aber Wirtschaftsgrößen wie Industriechef Michael Westhagemann oder Haspa-Chef Harald Vogelsang waren nicht dabei. Und es fehlten die Altpräsides Peter Möhrle, Nikolaus W. Schues, Karl-Joachim Dreyer sowie Fritz Horst Melsheimer, die sonst immer zur Jahresschlussversammlung kommen. Sie hatten ihren Boykott im Abendblatt angekündigt.

Seit bei den Kammerwahlen im Frühjahr die Gruppe „Die Kammer sind WIR!“ um den neuen Präses Tobias Bergmann das Sagen in der Wirtschaftsvertretung am Adolphsplatz hat, gibt es Streit zwischen den sogenannten Kammerrebellen und Teilen der etablierten Wirtschaft. Zudem arbeiten sich die neuen Machthaber an der alten Kammerführung ab. Sie werfen ihr vor, sie habe Mitgliedsbeiträge verschwendet und schlecht gewirtschaftet. Schließlich verweigerten sie ihren Vorgängern sogar die Entlastung für den Haushalt 2016. Bei all dem Verdruss wollten sich die Ex-Präsides die Rede ihres Amtsnachfolgers sparen, dem sie vorwerfen, nicht ehrbar zu handeln.

Kammerkritiker von Bergmanns Rede positiv überrascht

Das nahm Bergmann als Bürde mit, als er gegen 13 Uhr die Rednertribüne betrat. Und wieder war alles anders. Anstatt Kritik auszuteilen, reichte Bergmann, der sich zuvor vom Vorsitzenden der Versammlung eines Ehrbaren Kaufmanns, Gunter Mengers, heftige Vorwürfe gefallen lassen musste, seinen Kritikern verbal die Hand: Er wolle die Distanz zur Institution Handelskammer durch einen Dialog auf Augenhöhe wieder verringern, sagte er und kündigt zudem an, er habe die Altpräsides deshalb zu einem Gespräch in die Kammer eingeladen. Dann folgte eine einstündige Rede, von der sogar einige Kammerkritiker anschließend sagten, sie habe positiv überrascht. Bergmann strich die Stärke der Hamburger Wirtschaft heraus, bemängelte aber ihre Dynamik. Beim Zuwachs der Produktivität, bei der Zahl der Beschäftigten in Forschung und Entwicklung und den jährlichen Patentanmeldungen sei Hamburg – wie auch beim Wirtschaftswachstum insgesamt – nur Mittelmaß.

Bergmann benannte in seiner Ansprache drei Grundpfeiler des Hamburger Wohlstands, die auch in Zukunft wichtig seien: Ausbildung und Wissenschaft, Hafen sowie Internationalität. Die Handelskammer werde in der ersten Jahreshälfte einen Digitalisierungsgipfel zur Weiterentwicklung der Dualen Berufsausbildung starten, kündigte er zunächst an. Wissenschaft und Start-up-Firmen will Bergmann noch enger zusammenbringen. Eine geeignete Fläche dafür sei aus seiner Sicht der Kleine Grasbrook, der zu einem „international sichtbaren Leuchtturm in Nachbarschaft zur Elbphilharmonie“ entwickelt werden könne: „Wir sollten auf dem Grasbrook nicht beliebige Wohn-, Büro- und Gewerbeflächen schaffen. Der Grasbrook sollte für Innovation stehen.“ Auf dem Grasbrook biete sich die Chance, einen Stadtteil als „urbanen Innovationspark“ neu zu entwickeln.

Bürgermeister Scholz hielt sich aus dem Streit heraus

Für den Hafen forderte Bergmann die Ansiedelung von produzierendem Gewerbe, denn das schaffe Jobs. Zudem solle Hamburg zum „Magneten für internationale Fachkräfte“ werden. Sie würden in der Hamburger Wirtschaft Dynamik auslösen, so Bergmann. Schließlich basiere auch der rasante Aufstieg des Silicon Valley nicht allein auf den in Kalifornien geborenen Arbeitskräften, sondern auf vielen zugezogenen Menschen.

Um Hamburg für ausländische Fachkräfte attraktiver zu machen, schlägt Bergmann vor, das vom Senat betriebene Welcome-Center auszubauen, das ausländischen Fachkräften Serviceleistungen und die Erledigung von Behördenangelegenheiten anbietet. „Das Welcome-Center könnte auch die Ehepartner ausländischer Fachkräfte unterstützen, um ebenfalls einen qualifizierten Arbeitsplatz in der Stadt zu finden.“ Auch bei der Suche nach Schulen, Kitas oder Wohnungen könne das Center behilflich sein. Da die Stadt das alleine nicht leisten könne, bot Bergmann die Hilfe der Handelskammer an, um gemeinsam mit der Stadt das Welcome-Center auszubauen.

„Sie haben sich gut geschlagen“, sagt der VEEK-Vorsitzende Mengers, als Bergmann mit seiner Rede endete. Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hielt sich in seiner Rede aus dem Streit lieber heraus. Sein Auftritt war ohnehin eine Neuerung bei der traditionsreichen Versammlung eines Ehrbaren Kaufmanns: Erstmals in der 500-jährigen Geschichte der Institution durfte ein Politiker das Wort ergreifen. Wie Bergmann bezeichnete Scholz Hamburg als wirtschaftlich stark. „Das darf uns aber nicht genügen“, sagte er.