Hamburg. Auch Bürgermeister Olaf Scholz sprach erstmals auf der Versammlung eines Ehrbaren Kaufmanns. Aus dem Streit hält er sich raus.
Von der Kammer-Kritik zum Dialog-Angebot: Bei der traditionsreichen Versammlung Eines Ehrbaren Kaufmanns (VEEK) am Freitag in Hamburg wird harsche Kritik an der seit Frühjahr amtierenden Handelskammer-Führung erneut laut. „Die Mitarbeiter der Kammer und die Hamburger Wirtschaft sollten nicht zu einem Versuchslabor für unklare Ideen und Vorstellungen werden“, monierte der VEEK-Vorsitzende Gunter Mengers. Handelskammer-Präses Tobias Bergmann dankte Mengers, dass er aus seiner Kritik keinen Hehl gemacht habe. „Es geht darum, in den Dialog zu treten“, entgegnete Bergmann.
Aus dem Knatsch, der in dem altehrwürdigen Börsensaal über den rund 1700 Vertretern aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft in der Luft hing, hielt sich Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) schlicht heraus. Sachlich führte er aus, worum es in der Hansestadt künftig geht. „Hamburg ist wirtschaftlich stark. Aber es ist auch klar: Das darf uns nicht genügen“, sagte der SPD-Politiker und forderte wirtschaftliches Wachstum ein. Es bleibe die Grundlage für einen starken Sozialstaat, für attraktive kulturelle Angebote sowie für Bildung und Wissenschaft. Diese werde in Zukunft Impulsgeber für Wachstum, Wohlstand und Arbeitsplätze sein, zeigte sich Scholz überzeugt.
Bergmann fordert "Dialog auf Augenhöhe"
Von einer starken Hamburger Wirtschaft sprach auch der Präses, aber er vermisst Dynamik. Es werde unmöglich sein, Stärke und Wohlstand ohne dynamische Weiterentwicklung zu halten. „Wir brauchen eine Aufbruchstimmung in Hamburg“, verlangte Bergmann und forderte einen „Kompass“ für den Wirtschaftsstandort. Vor allem die drei Pfähle Wissenschaft, Hafen und internationale Ausrichtung müssten als Treiber künftiger Dynamik gestärkt werden.
Die unverhohlene Kritik konterte der Präses wiederholt mit seiner Aufforderung zum Dialog. Bei der Wahl des Kammer-Plenums Anfang des Jahres hatten die sogenannten „Rebellen“ um Bergmann 55 der 58 Sitze erlangt. Sie seien gewählt worden, weil sie aus ihrer Distanz zur Institution Handelskammer keinen Hehl gemacht hätten. Mit einem „Dialog auf Augenhöhe“ könne diese Distanz überwunden werden, meinte Bergmann.
Vier ehemalige Kammer-Chefs blieben fern
Auf Distanz zu Bergmann & Co. sind nicht nur vier ehemalige Kammer-Chefs - Nikolaus W. Schües, Karl-Joachim Dreyer, Peter Möhrle und Fritz Horst Melsheimer - gegangen, die der Veranstaltung am Freitag bewusst fern blieben. Aus ihrer Sicht hat das Ansehen der Kammer in diesem Jahr zu arg gelitten.
Im Plenum als Vertreter eines namhaften Unternehmens war mit zwei weiteren Plenariern Haspa-Vorstandssprecher Harald Vogelsang übrig gebliegen. Er lies seinen Kontrahenten am Freitag in der Tageszeitung „Die Welt“ (Hamburg-Teil) die Leviten. „Wenig konstruktiv ist es aus meiner Sicht, wenn man viel Gutes, was über die Jahre entstanden ist, einfach mit der Abrissbirne zerstört. (...) jahrzehntelange Kontakte werden in Minutenschnelle eingerissen, langjährige Partner verprellt, erpresst, frustriert.“ Wahlversprechen würden nicht eingelöst, und wenn, wären sie wie die angekündigte Abschaffung der Kammer-Pflichtbeiträge gesetzeswidrig. Vogelsangs Bilanz: mehr Schaden für Hamburgs Wirtschaft geht kaum.
Da wird der seit Dezember amtierenden Hauptgeschäftsführerin Christi Degen vor allem eine Rolle zufallen: die als Vermittlerin. Sie folgte auf den langjährigen Amtsinhaber Hans-Jörg Schmidt-Trenz, der seinen Posten auf Druck der Kammer-Rebellen räumen musste. Die frühere Chefin der IHK für Oberfranken (Bayreuth) hat sich auch die Modernisierung der Kammer auf die Agenda gesetzt. „Befreien Sie uns von unserer Skepsis und geben Sie uns Sicherheit, dass die Handelskammer ... zum Wohle Hamburgs und der hiesigen Wirtschaft denkt und auch entsprechend handeln wird“, appellierte der Ehrbare Kaufmann Mengers an die Kammer-Führung. Sie wird 2018 liefern müssen.