Am 12. Oktober feiert in der Elbphilharmonie die Versammlung Eines Ehrbaren Kaufmanns ihren 500. Geburtstag. Auch ihretwegen gilt in Hamburg der Handschlag als verlässlich.

DasJahr 2017 ist ein besonderes in der langen Geschichte Hamburgs. Es begann mit der Eröffnung der Elbphilharmonie im Januar, die der Stadt ein neues Gesicht geben sollte, nämlich das einer Kulturmetropole. Es ging im Juli weiter mit dem G20-Gipfel, dem Treffen der wichtigsten Staats- und Regierungschefs, der Hamburg auch politisch auf der Weltkarte verankern sollte – was angesichts der dürftigen Ergebnisse und der Krawalle im Umfeld eher weniger als mehr gelungen ist. Ein Höhepunkt war G20 trotzdem, genauso wie das Konzert der Rolling Stones vor 80.000 Zu­schauern im September. Der Start der Europa-Tournee ausgerechnet in Hamburg zahlte auf das Image der Musik- und Musical­stadt ein.

Was also, fragt man sich, während das spektakuläre Jahr sich langsam dem Ende nähert, ist Hamburg nun? Kultur-, Musik-, ja, vielleicht tatsächlich Weltstadt? Was ist hamburgisch – oder, noch wichtiger: hanseatisch? Diese Frage muss man im Licht der 2017 alles überstrahlenden Elbphilharmonie zwar anders beantworten, als man das 2016 oder 2015 getan hätte. Doch im Kern ist und bleibt Hamburg vor allem eine Kaufmannsstadt. Wie das eine, die Kultur, mit dem anderen, der Wirtschaft, zusammenpasst und zusammenwächst, zeigt sich am 12. Oktober: Dann feiert die Versammlung Eines Ehrbaren Kaufmanns zu Hamburg (VEEK) in der Elbphilharmonie (wo sonst?) ihren 500. Geburtstag.

Ein halbes Jahrtausend prägt die Vorstellung von einem Ehrbaren Kaufmann das Bild Hamburgs in Deutschland und der Welt. Oder, um es mit den Worten von Bürgermeister Olaf Scholz zu sagen: „Vieles, was wir hier im Norden kurz hanseatisch nennen, hat in der Tradition der Versammlung eines Ehrbaren Kaufmanns seine Wurzeln.“ Und: „Essenzielle gesellschaftliche und kaufmännische Werte haben unterschiedliche Epochen überdauert, sich stetig weiterentwickelt und sind heute wichtiger als je zuvor. Das ist historisch einzigartig.“ Tatsächlich gilt der klassische Hamburger Kaufmann auch im 21. Jahrhundert und trotz der großen Krise der für diese Stadt so stilprägenden Reeder als einer, mit dem man per Handschlag Geschäfte machen kann. „Der Grundsatz ‚Ein Mann, ein Wort‘ gehört zu den allseits anerkannten Idealen des kaufmännischen Geschäftsverkehrs“, heißt es dazu in den Statuten des Vereins. „Der Handschlag zwischen den Vertragspartnern ist dafür ein Symbol.“ Für den Ehrbaren Kaufmann gibt es das eine ohne das andere nicht: „Der kaufmännische Sinn für Realitäten und die Orientierung an ethischen Werten müssen zusammenspielen.“

Daran hat sich in den vergangenen 500 Jahren wenig geändert, und wahrscheinlich hat Olaf Scholz recht, wenn er sagt, dass Werte wie Aufrichtigkeit, Fairness und Verlässlichkeit heute sogar noch wichtiger sind als in vorangegangenen Epochen – zumindest für die Unternehmen, die auch in den nächsten 100 Jahren noch bestehen wollen.

Der Ehrbare Kaufmann will sich nicht nur an Umsatzsteigerungen und Ebitda-Renditen messen lassen, weil „Erfolg kein Gradmesser für Ehrbarkeit ist, weder im positiven noch im negativen Sinne“. Er ist ein Unternehmer, der langfristig und nachhaltig plant und der sich auch in schwierigen Situationen zunächst von Werten leiten lässt: „Er weiß“, heißt es dazu aus dem Verein, „dass rücksichtsloses Verhalten von Unternehmern oder Managern in der Gesellschaft nicht akzeptiert wird.“

Dass Hamburger Kaufleute schon im Jahr 1517 erkannten, wie wertvoll im wahrsten Sinne des Wortes ein Netzwerk mit Gleichgesinnten sein kann, zeigt dabei einmal mehr, dass das Bild des vorausschauenden und cleveren hanseatischen Kaufmanns nicht von ungefähr kommt. Vom „Pfeffersack“ wollen wir angesichts des Jubiläums ausnahmsweise einmal nicht sprechen …

Wenn sich nun Hunderte Ehrbare Kaufleute in der Elbphilharmonie treffen, die in ihrer vergleichsweise kurzen Geschichte den beschriebenen Werten bekanntermaßen nicht immer gerecht wurde, ist das zum Teil auch ein Neuanfang. Bewusst will Gunter Mengers, Vorstandsvorsitzender des rund 1200 Mitglieder zählenden Vereins, nicht nur zurückschauen: „Wir wollen das Jubiläum zum Anlass nehmen, auch zukünftig wirtschaftliche sowie gesellschaftliche Veränderungen als Chance zu begreifen und gemeinsam zu meistern.

Ehrbare Kaufmänner und Kammerrebellen im Austausch

Das ist eine klare Ansage im Jahr 2017, in dem die Kaufmannschaft selber ja kräftig durchgeschüttelt wurde. Die Handelskammer, zwar nicht so alt wie die Versammlung Eines Ehrbaren Kaufmanns, aber immer Partner im Geiste, wurde kurz nach der Eröffnung der Elbphilharmonie von den sogenannten Rebellen um den neuen Präses Tobias Bergmann übernommen. Welche Folgen das im Zusammenspiel von Kammer und Ehrbaren Kaufmännern haben wird, wird man zum ersten Mal am Ende des Jahres sehen. Nämlich dann, wenn der Verein, nicht die Handelskammer (!), wie immer zu seiner Versammlung einlädt. Traditionell ist das der Moment, in dem der Präses dem Bürgermeister und seinem Senat die Leviten liest, die (Wirtschafts-)Welt aus Hamburger Sicht erklärt und am Ende von 2000 Kaufleuten und ihren Gästen dafür langen Applaus erhält.

Wie wird es nun in diesem Dezember sein, wenige Wochen nach der 500-Jahr-Feier? Wie passen der Ehrbare Kaufmann und der neue Präses zusammen? Der seit Januar amtierende Vorstandsvorsitzende Mengers will nicht nur wegen der sich verändernden Handelskammer seinen Verein neu aufstellen: „Wir wollen die Versammlung Eines Ehrbaren Kaufmanns sichtbarer in der Stadt machen“, sagt er im Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt (siehe Seite 3) und ergänzt: „Und wir wollen den Verein verjüngen und auch mehr Frauen ansprechen.“ Und wo kann man damit besser beginnen als in der Elbphilharmonie?