Hamburg. Tobias Bergmann ist seit April Präses der Handelskammer. Was hat er erreicht? Was ist schiefgelaufen? Und was hat er noch vor?
Anfang April ist Tobias Bergmann zum Präses der Handelskammer gewählt worden. Die Machtübernahme durch die selbst ernannten Rebellen war ein Paukenschlag für die Wirtschaft der Stadt. Wie beurteilt Bergmann die ersten Monate unter seiner Führung – und was will er noch ändern? Das Abendblatt hakte nach.
Herr Bergmann, das neue Präsidium ist nun seit fast neun Monaten im Amt. Welche Schulnote würden Sie Ihrer Arbeit bisher geben?
Tobias Bergmann: Eine „Drei“.
Warum so bescheiden?
Bergmann: Es sind uns eine Menge Dinge sehr gut gelungen, bei anderen haben wir Nachholbedarf.
Was heißt das konkret?
Bergmann: Die Handelskammer ist deutlich transparenter bei ihren Entscheidungen geworden. Wir diskutieren deutlich mehr, und die ehrenamtlichen Ausschüsse mit gewählten Mitgliedern aus der Wirtschaft haben an Bedeutung gewonnen. Zudem arbeiten wir seit der Wahl 2017 wirtschaftlicher, gehen besser mit dem Geld der Mitgliedsunternehmen um. Und die gemeinsame Meinungsbildung funktioniert besser, weil wir sehr genau nachfragen, was unsere Mitglieder wollen. Andererseits werden wir es nicht schaffen, die Pflichtbeiträge bis 2020 abzuschaffen. Das beschäftigt mich schon sehr und gibt Abzüge bei der Schulnote.
Werden die Pflichtbeiträge nun gar nicht abgeschafft?
Bergmann: Zunächst werden wir die Einnahmen aus den Beiträgen bis spätestens 2023 auf 20 Millionen Euro halbieren. Wie es danach weitergeht, das müssen wir noch prüfen.
Beim Thema Transparenz hört man anderes. So heißt es, die Stelle der neuen Hauptgeschäftsführerin sei ausgekungelt worden – ebenso wie die Entscheidung, die IHK Nord zu verlassen ...
Bergmann: … das stimmt nicht. Die Auswahl der Hauptgeschäftsführerin hat eine ehrenamtliche Findungskommission vorbereitet, in der Unternehmer und auch Kammerbeschäftigte mitgearbeitet haben. Die Entscheidung lag dann beim Plenum und ist mit mehr als 80 Prozent Zustimmung sehr klar ausgefallen. Das Thema IHK Nord diskutieren wir ja gerade – die Entscheidung ist noch gar nicht gefallen.
Zudem gibt es den Vorwurf der Geldverschwendung für externe Berater wie die Finanzkommission, die über die Zukunft der Pflichtbeiträge berät.
Bergmann: Die Finanzkommission arbeitet ehrenamtlich. Dass die Kammer aber bei komplexen Fragen auch Beratung sucht, ist beileibe nichts Neues. Auch wir tun das, aber nur dort, wo es auch Sinn macht und effizient ist. Zugleich senken wir die Sachkosten 2018 um zehn Prozent, zum Beispiel auch bei Druck- oder Portokosten und anderen laufenden Ausgaben.
Problematisch genug, dass Sie Ihr Wahlversprechen zur Abschaffung der Pflichtbeiträge nicht halten. Im Gegenzug steigen nun aber sogar für rund 370 Mitgliedsunternehmen die Beiträge – und zwar deutlich. Warum?
Bergmann: Für die breite Mehrheit sinken die Beiträge. Sie steigen nur für Unternehmen, die mehr als 50 Millionen Euro Jahresumsatz haben und keinen Gewerbeertrag in Hamburg ausweisen. In Jahren mit Gewerbeertrag gibt es aber auch für sie keinerlei Mehrbelastung. Ganz ehrlich: Es kann doch nicht sein, dass ein Hamburger Unternehmen mit 50 Millionen Euro Umsatz genauso viel bezahlt wie ein Kleinunternehmer mit mittleren Gewinnen. Das ist für mich nicht solidarisch.
Es gab den Vorwurf, die Kammerführung würde mit dem neuen Beitragsmodell ihre eigenen Unternehmen entlasten wollen. Wie sieht das bei Ihrem Unternehmen aus?
Bergmann: Dieser Vorwurf ist unsinnig. Für mein bisheriges Unternehmen Nordlicht stimmt das definitiv nicht, bei meinem aktuellen Unternehmen kann es der Fall sein. Aber wie bereits gesagt, wir entlasten 99 Prozent aller Beitragszahler, darunter viele starke Mittelständler.
Hätte man sich den Streit mit der IHK Nord über den geplanten Austritt nicht schenken können?
Bergmann: Nein, wir scheuen keine Diskussion, wenn es um Effizienz und Wirtschaftlichkeit geht. Wir zahlen jährlich 240.000 Euro an die IHK Nord. Lohnt sich dieser Aufwand für uns wirklich? Diese Frage muss gestellt werden. Es geht uns um eine starke überregionale Vertretung von Hamburger Interessen, aber ohne Doppelstrukturen.
Aus unserer Sicht gab es in den ersten neun Monaten Ihrer Amtszeit keine großen Denkanstöße oder wegweisende Projekte, die Sie vorgestellt haben. Ist die Kammer zu sehr mit sich selbst beschäftigt?
Bergmann: Ich habe da eine andere Sicht der Dinge. Es geht nicht um große Schlagzeilen, es geht um sichtbare Fortschritte für die Wirtschaft. Und da haben wir 2017 eine Menge für die Hamburger Unternehmen bewegt. Nehmen Sie als Beispiele die Unterstützung der von den G-20-Krawallen betroffenen Unternehmen oder unsere Initiative für schnellere Abfertigungszeiten beim Zoll im Hafen. Sicherlich haben wir in den vergangenen Monaten auch viel mit uns selbst zu tun gehabt – das ist in einer Zeit des starken Wandels aber auch normal und richtig. Das wird sich 2018 ändern.
Was haben Sie konkret vor?
Bergmann: Ein wichtiges Thema für das nächste Jahr ist die duale Ausbildung. Sie muss modernisiert werden. Die Frage ist doch, wie können wir die Leute heute so ausbilden, dass sie noch in zehn oder 15 Jahren einen Job haben. Und wir werden der Frage nachgehen: Wie kann Hamburg sich dynamisch entwickeln?
Das ist sehr allgemein ...
Bergmann: … ich werde in meiner Rede vor der Versammlung eines Ehrbaren Kaufmanns am 29. Dezember detaillierter darauf eingehen. Lassen Sie sich überraschen!
Sie wollen sich also künftig doch politisch einmischen. Genau diese Einmischung haben Sie doch früher immer kritisiert, als Sie noch nicht Präses waren.
Bergmann: Ich habe nicht kritisiert, dass sich die Kammer politisch eingemischt hat, sondern, wie die nach außen vertretenen Standpunkte zustande gekommen sind – nämlich ohne Einbindung der Mitgliederbasis. Früher wurden im kleinen Kreis Themen gesetzt und Standpunkte vertreten. Wir wollen unsere Mitglieder an diesem Prozess aktiv beteiligen.
Das heißt: Sie haben eine Umfrage unter 160.000 Mitgliedern gemacht, was Sie in Ihrer Rede am 29. Dezember sagen sollen?
Bergmann: Es geht ja nicht darum, eine Rede Wort für Wort abzustimmen. Es geht darum, die zugrunde liegenden Gedanken im Dialog zu entwickeln. Deshalb haben wir bei der Vorbereitung mit vielen Mitgliedern gesprochen. Wir haben 2017 auch Online-Mitgliederdialoge und Umfragen durchgeführt – etwa zu den Erwartungen der Mitglieder in den nächsten drei Jahren und zu unserer neuen Vision oder Mission. Auch die Erkenntnisse daraus sind Grundlage der Rede.
Wie hoch war denn die Rücklaufquote?
Bergmann: Bei diesen beiden Befragungen haben rund 1400 Unternehmer geantwortet.
Repräsentativ ist das aber auch nicht.
Bergmann: Es kommt doch darauf an, dass wir die Mitglieder direkt beteiligen. Das wurde zum Beispiel damals bei der Formulierung des Standpunkts zum Rückkauf der Energienetze nicht gemacht – obwohl ich mir sicher bin, dass viele Mitgliedsunternehmen mit dem klaren Bekenntnis gegen den Rückkauf der Netze nicht einverstanden waren.
Wenn Sie es allen Firmen mit Ihren Standpunkten recht machen wollen, dann kommt doch nur noch Wischiwaschi heraus.
Bergmann: Das sehe ich anders. Wir haben den Auftrag, die Interessen der Hamburger Wirtschaft zu vertreten. Und dazu gehört auch die Formulierung von Minderheitenmeinungen. Das hat uns das Bundesverfassungsgericht in diesem Jahr klar ins Stammbuch geschrieben.
Haben Sie eigentlich den Eindruck, dass die Mehrheit der Hamburger Wirtschaft hinter Ihnen als Präses steht?
Bergmann: Das denke ich schon. Ich bin sehr viel in den Hamburger Unternehmen unterwegs – und die Mehrheit freut sich darüber, dass sich endlich etwas in der Kammer ändert. Aber ich weiß auch, dass einige Wirtschaftsvertreter mich und unsere Arbeit kritisch sehen. Mit ihnen suche ich das Gespräch und will auch sie von unserem Weg überzeugen.
Das hört sich nach einer Harmonie an, die wir in der Hamburger Wirtschaft nicht unbedingt wahrnehmen. Zudem gewinnt man den Eindruck, dass es auch intern im Kammerpräsidium deutliche Differenzen gibt – zum Beispiel jüngst bei der Neubesetzung des Postens der Hauptgeschäftsführerin.
Bergmann: Es ist richtig, dass es im Präsidium auch kontroverse Diskussionen gibt, aber das ist in einer demokratischen Institution doch völlig normal. Und für offene Diskussionen sind wir ja auch angetreten.
Zum Schluss noch eine Frage zum Sparkurs der Kammer: Wie sicher sind denn nun die Jobs am Adolphsplatz?
Bergmann: Das müssten Sie eigentlich die neue Hauptgeschäftsführerin fragen, die für die Personalfragen verantwortlich ist. Aber fest steht: Es soll trotz des notwendigen Sparkurses keine betriebsbedingten Kündigungen geben.