Hamburg. Drei Plenumsmitglieder kritisieren den neuen Präses. Tobias Bergmann soll seine Wähler hinters Licht geführt haben.
Anfang Juli überraschte der neue Handelskammer-Präses Tobias Bergmann die Öffentlichkeit mit der Aussage, dass er sein zentrales Wahlversprechen voraussichtlich nicht werde halten können. Im Abendblatt-Interview sagte Bergmann, die Pflichtbeiträge könnten wohl doch nicht – wie einst zugesagt – bis 2020 abgeschafft werden. Im Fernsehsender Hamburg 1 ging der Präses unlängst noch weiter. Eine Abschaffung bis 2020 sei nicht zu schaffen, sagte er. Bergmanns Begründung: Es gebe exorbitant hohe Pensionsverpflichtungen für Kammer-Mitarbeiter, von denen er nicht gewusst habe, bevor er ins Amt kam. Der Präses spricht von 110 Millionen Euro.
Doch nun gibt es erhebliche Zweifel, dass Bergmann das Ausmaß dieser Verpflichtungen vor der Kammerwahl tatsächlich nicht gekannt hat. Mehr noch: Dem Abendblatt liegen Unterlagen vor, wonach er sich schon vor Jahren mit dem Thema Rückstellungen der Kammer für künftige Pensionen beschäftigt hat. Kritiker im Kammerplenum werfen Bergmann nun vor, schon während des Wahlkampfes gewusst zu haben, dass er die Abschaffung der Pflichtbeiträge nicht hinbekommen könne.
Pensionen: Bergmann hatte bereits 2014 Einwände
Aus dem vertraulichen Protokoll der Plenarsitzung vom 3. Juli 2014 geht hervor, dass sich Bergmann – damals noch einfaches Plenumsmitglied – gegen eine Erhöhung der Rücklagen für Altersvorsorgeaufwendungen aussprach. Diese Erhöhung hatte die damalige Kammerführung wegen gestiegener Vergütungen für die Bereichs- und Abteilungsleiter vorgeschlagen. Bergmann, heißt es im Protokoll, habe dagegen vorgeschlagen, die Rücklage weniger stark anzuheben, und stattdessen eine Beitragsrückerstattung ins Gespräch gebracht.
Pensionen und Rückstellungen waren ein Jahr später erneut Thema im Plenum. Im Protokoll der Sitzung im Juli 2015 heißt es, Bergmann habe sich gegen die Umwandlung von Rücklagen in Pensionsrückstellungen ausgesprochen. Offenbar hielt der heutige Präses die Finanzierung der Altersversorgung für Kammer-Mitarbeiter noch vor eineinhalb Jahren nicht für ein Problem.
Haspa-Vorstand Vogelsang erhebt Vorwürfe
Das ist mittlerweile ganz anders: „Es könnte sein, dass die Finanzlast durch Pensionsverpflichtungen und andere Hypotheken zu hoch ist und wir deshalb eine komplette Abschaffung der Pflichtbeiträge erst später realisieren können“, sagte Bergmann kürzlich dem Abendblatt.
Haben sich in den vergangenen Monaten der Haushalt und die Einnahmesituation der Handelskammer so dramatisch verschlechtert, dass die versprochene Beitragsabschaffung nicht mehr möglich ist? Sicher nicht, sagen die drei einzigen Plenumsmitglieder, die nicht zu Bergmanns Rebellenbündnis „Die Kammer sind WIR“ gehören: Haspa-Vorstandssprecher Harald Vogelsang, der Geschäftsführer der Servicegesellschaft Haspa Direkt, Niels Pirck, sowie der Chef der Vereinigung Hamburger Schiffsmakler und Schiffsagenten (VHSS), Christian Koopmann.
„Herr Bergmann will den Eindruck erwecken, dass die Pensionsverpflichtungen nicht ausreichend gedeckt seien. Das entspricht nicht der Wahrheit, denn zusätzlich zu den vorhandenen Vermögenswerten sind auch die jährlichen Beitragseinnahmen zu berücksichtigen“, sagt Koopmann. Und: „Herr Bergmann hat nachweislich selbst gegen eine Erhöhung von Rücklagen für die Pensionen plädiert und stattdessen eine höhere Beitragsrückerstattung gefordert.“ Koopmann sagt, er erinnere sich noch gut an Bergmanns Äußerungen in den Plenarsitzungen. Zu den vertraulichen Protokollen will sich der Schiffsmaklerchef nicht äußern.
Falsche Aussage, nur um gewählt zu werden?
Koopmann wirft dem Präses aber vor, schon während des Wahlkampfes gewusst zu haben, dass er die Abschaffung der Kammerbeiträge nicht hinbekommen könne. „Es ist in der Geschichte der Kammerwahlen einmalig, dass jemand Äußerungen wider besseres Wissen nur aus dem Grund tätigt, um gewählt zu werden.“
Harald Vogelsang, der Vorstandssprecher der Haspa, der in der Wahlperiode zuvor noch dem Präsidium der Kammer angehörte, mag nicht glauben, dass Bergmann die Finanzlage erst seit Kurzem kennt. „Herr Bergmann war Mitglied im Innenausschuss und über alle Zahlen insbesondere auch die Bilanzen bestens im Bilde“, sagt Vogelsang. „Sein Wahlversprechen war von vornherein unseriös. Das konnte und musste Herr Bergmann auch wissen.“
Besonders verärgert ist Vogelsang darüber, dass der neue Kammerpräses öffentlich nun über Finanzlöcher bei der Kammer spekuliere, ohne dass sich die Finanzkommission geäußert hat, die ja extra dafür eingesetzt worden sei, etwaige Defizite im Haushalt zu finden. „Das nährt den Verdacht, dass es sich bei der Finanzkommission nur um ein Feigenblatt handelt und eine ergebnisoffene Prüfung gar nicht mehr stattfinden soll“, sagt Vogelsang.
Bergmann weist Vorwürfe zurück
Auch mit der Bestellung des Chefs der auf Insolvenzen spezialisierten Anwaltskanzlei Brinkmann & Partner, Bertold Brinkmann, zum obersten Kontrolleur der Finanzkommission hadert Vogelsang: „Die Bestellung eines Insolvenzverwalters ist ebenfalls auffällig. Dessen Aufgabe ist es zu liquidieren. Damit ist der Weg für die Handelskammer vorgezeichnet, nämlich die Veräußerung von Vermögenswerten. Das schädigt die Kammer in ihrem Ansehen und gefährdet wertvolle Einrichtungen der Hamburger Wirtschaft wie im Bereich der Bildung“, sagt Vogelsang.
Der Kammer-Präses weist die Vorwürfe zurück und erklärt sein Verhalten in der Vergangenheit ganz anders als seine Kritiker. Insbesondere seine damalige Kritik an der Bildung von Rücklagen sei berechtigt gewesen: „Diese Rücklagenbildung ist Gegenstand eines Rechtsstreits, den die Handelskammer in erster Instanz verloren hat – die Rücklagen waren also rechtswidrig. Das belegt, dass meine Kritik daran Hand und Fuß hatte“, sagt Bergmann.
Schließlich habe er zu mehr Sparsamkeit aufgerufen: „Für eine abschließende Bewertung des Themas Pensionsrückstellungen fehlten damals schlicht Informationen. Die zitierten Protokolle belegen diese Intransparenz – an keiner Stelle wird die Höhe der Hypothek klar benannt“, sagt Bergmann.
Personalrat kritisiert Pläne der Kammer-Führung
Die rund 260 Mitarbeiter der Kammer sind wegen der Debatte um die Pensionen verunsichert. Auch die sogenannte Road-Map, also der Fahrplan, mit dem Bergmann eine Abschaffung der Zwangsbeiträge vorbereiten will, beruhigt sie nicht. „Diese Road-Map ist sehr vage formuliert, sie wirft für die Mitarbeiter der Handelskammer mehr Fragen auf, als sie beantwortet“, sagt Personalrätin Sabine Lurtz-Herting.
Auch dafür greifen die drei kritischen Plenumsmitglieder Bergmann an: „Wir hatten einen Antrag mit vertrauensbildenden und stabilisierenden Maßnahmen für die Mitarbeiter gestellt. Der wurde bedauerlicherweise erst einmal abgeschmettert, soll jetzt aber neu verhandelt werden“, sagt Niels Pirck. Nach seiner Meinung droht größerer Schaden für die Kammer, weil die Mitarbeiter gar nicht mehr wüssten, wofür und auf welches Ziel hin sie arbeiten. Pircks Urteil: „Eine klare Richtung ist bisher nicht erkennbar.“