Hamburg. „Don Quixote“ ist das Paradestück für Balletttänzer. Nun hat es Manuel Legris neu einstudiert. Sonntag ist Premiere.

Was für ein Glück muss es sein, von einem Meister des klassischen Tanzes lernen zu dürfen, wie Manuel Legris offensichtlich einer ist: Zurzeit probt der weltbekannte einstige „Étoile“ der Pariser Oper und Direktor des Wiener Staatsballetts beim Hamburg Ballett „Don Quixote“, Premiere ist am 10. Dezember.

Ein Probenbesuch beim Meister, der schon im Vorfeld der Aufführung deren Zauber enthüllt: Legris steht nicht nur am Rand und gibt Anweisungen. Meistens tanzt er mit, denn „ich habe ,Don Quixote‘ in allen Rollen getanzt, 18 Jahre lang. An der Mailänder Scala, in New York, an der Pariser Oper“, erklärt er, der mit seinen 53 Jahren in Bestform ist. Im Ballettsaal tanzen in dieser Probe gleich drei unterschiedliche Tänzer die Hauptrolle des Basilio.

Schnelle Paarszenen

An dessen Seite übernehmen nacheinander zwei Tänzerinnen die Rolle der Wirtstochter Kitri. Das tun sie deshalb, weil stets zwei bis drei Tänzer die großen Rollen beherrschen müssen, um einander vertreten zu können. Später wirbeln der Erste Solist Alexandr Trusch und die gerade zur Solistin ernannte junge Japanerin Madoka Sugai heftig miteinander flirtend über das schwingende Parkett.

Sie tanzen und spielen ihre hochkomplexen, teils aberwitzig schnellen Paarszenen schon sehr ausgereift. Legris aber sieht sofort, wo noch etwas hakt, winzige Abweichungen im Tempo, in der Art einer Hebung, in den Sprungansätzen, im Aufkommen, in Haltung von Oberkörper oder Kopf. Er scheint mitzuatmen und tanzt sogleich in stetigem Rollenwechsel vor, wie es noch besser geht. „Manuel ist ein Idol für meine und viele weitere Generationen“, sagt Alexandr Trusch. „Von ihm zu lernen, ist eine Ehre. Seine unend­liche Liebe zum Tanz ist einzigartig!“

„Rudolf Nurejew mochte das Klassische“

Als er den französischen Star-Tänzer zum ersten Mal beim Aufwärmen gesehen habe, „war ich sofort fasziniert von der außergewöhnlichen Qualität seiner Bewegungen, die aus der französischen Schule kommt“, sagt Trusch. Sein Maestro sei „unglaublich charismatisch und hat eine fantastische Koordination“.

Sechs Jahre lang hat Manuel Legris einst mit dem russischen Superstar Rudolf Nurejew gearbeitet. Von ihm stammt die Fassung des Balletts, das jetzt in Hamburg einstudiert wird. Ursprünglich hat es im Jahr 1869 der Ballett-Großmeister Marius Petipa (1818– 1910) kreiert, dessen 200. Geburtstag sich 2018 jährt. „Rudolf Nurejew mochte das Klassische“, erzählt Legris. „Er erfand für uns Jungs eigene Schritte, und manchmal mischte er sogar weib­liche Bewegungen hinein. Die haben wir dann aber anders getanzt, männlicher. Nurejew entwickelte immer auch die männlichen Tänzer.“

Persönliche Tänzergeheimnisse

Nun ist die Frage, warum „Don Quixote“ zum Klassiker wurde. „Jeder Junge, der eine klassische Ballettausbildung macht, wünscht sich, einmal im Leben Basil aus ‚Don Quixote‘ zu tanzen“, sagt Alexandr Trusch. Das liege daran, dass dieses Ballett für junge Männer das sei, „was für junge Tänzerinnen ‚Schwanensee‘ oder ,Giselle‘ sind. Junge Tänzer lieben darin die vielen Sprünge, das Temperament und das Feuer“, erklärt Manuel Legris.

Stets und ständig ist er auf dieser Probe mit seinem Erfahrungsschatz zur Stelle und gibt seine persönlichen Tänzergeheimnisse weiter. „Ich bekomme von den Tänzern hier so viel zurück, dass ich automatisch großzügig bin, um die großen Talente hier voranzubringen.“ So habe er es selbst erlebt: „Wir Älteren reichen unsere Erfahrung weiter, die Transmission der Tanzkunst geht auf diese Weise immer weiter.“ An der Pariser Oper habe Rudolf Nurejew seine Mittänzer und ihn „intensiv gefördert und begleitet“.

Elemente spanischer Tänze

Während sich Madoka Sugai oder Alexandr Trusch im Kreis drehen, etwa mit Grand Jetés rückwärts nach einer Drehung und dann einem Ausfallschritt, passt der aufmerksame Dirigent Garrett Keast seine Fassung an, setzt in seiner Partitur Striche, wenn die Tänzer mehr Zeit brauchen, um nach einer Drehung auf- oder zu einer neuen Bewegung anzusetzen.

Viel sei nicht mehr übrig von Miguel Cervantes’ Roman von 1605/15. Die Story sei, so Legris, „nur eine Art Prolog für das Ballett. Aber die Schönheit des Tanzes ist von größter Wichtigkeit.“ Auch Elemente spanischer Tänze sind zu erkennen, temperamentvolle und lockere Einlagen, das Kinn nach unten, den Arm in die Seiten gestemmt, erklärt Trusch, dessen Passion für das Ballett mit dem Volkstanz angefangen hat: „Ich liebe Volkstanz! Er bringt uns zurück zu unseren Wurzeln, zu den Wurzeln des Tanzes.“

Ständig neue Herausforderungen

Mit dem Ballett „Don Quixote“, das „geradezu schrecklich ist, so schwer ist es zu tanzen“, hat Manuel Legris, der vor allem versucht, „den Spaß daran weiterzugeben“, seine eigenen Erfahrungen gemacht. Bereitwillig erzählt er die Geschichte dazu. Sein Mentor Nurejew sei täglich im Studio gewesen, „er wollte uns wirklich etwas beibringen, uns antreiben, um neugieriger zu werden, auch ins Museum zu gehen, zu lesen, etwas über die Tradition und Geschichte zu erfahren“.

Ständig habe er neue Herausforderungen gestellt. Und dann, eines Tages, da war Legris gerade 21 Jahre alt, sei Nurejew an einem Montag zu ihm gekommen und habe ihm angeboten, an der Mailänder Scala die Rolle des Basilio zu tanzen: „Das ist die schwerste Männerrolle in ,Don Quixote‘. Ich hatte fünf Tage Zeit, sie einzustudieren, denn ich hatte sie nie im Leben getanzt.“

Tag für Tag habe er fast ohne Pause daran gearbeitet, „Rudolf Nurejew war in allem und jedem für mich da. Und ich wuchs so sehr daran. Wir gingen gemeinsam da durch. Und das ging nur, weil da ein großes Vertrauen gewachsen war.“ Ein ähnliches Vertrauen wächst jetzt im Hamburg Ballett. Woche für Woche, bis zur Premiere.

„Don Quixote“ Ballett-Premiere So 10.12., 18.00 Hamburgische Staatsoper (U Gänsemarkt), Große Theaterstr. 25; weitere Vorstellungen, für die es noch Karten gibt: 12., 14., 15., 21.12. und 13., 18. und 21.1. Karten zu 12,- bis 109,- unter T. 040/35 68 68.