Hamburg. Der Bezirksamtsleiter äußert sich erstmals nach Bekanntwerden der Ticket-Affäre und lässt Fragen offen. Was die Politiker sagen.
100 Freikarten für das begehrteste Open-Air-Spektakel des Jahres: Die kostenlosen Tickets für das Rolling-Stones-Konzert auf der Stadtparkwiese führten am Dienstag im Hauptausschuss der Bezirksversammlung Hamburg-Nord zu einer langen Debatte. Erstmals stellte sich der Bezirksamtsleiter Harald Rösler (SPD) den Fragen der Politiker. Und gestand ein, was das Abendblatt schon vor einigen Tagen berichtet hatte: Ja, die Bezirksamtsmitarbeiter haben nicht nur 50 Karten bekommen, wie bislang behauptet, sondern 87 der 100 Karten. „Die Abgeordneten haben nur 13 Karten abgenommen“, sagte Rösler.
Bislang hatte er angegeben, die Karten im Wert von maximal rund 17.000 Euro je zur Hälfte an Abgeordnete und Bezirksamtsmitarbeiter weitergegeben zu haben. Am Dienstag sprach er nun von einem „falschen Eindruck“, der da möglicherweise entstanden sei. Gegen Rösler ermittelt mittlerweile die Staatsanwaltschaft, es geht um den Verdacht der Bestechlichkeit.
Vergabe von Stones-Freikarten als "Vorsichtsmaßnahme"
Diesen Verdacht wies der Amtsleiter im Hauptausschuss „entschieden“ zurück. Er sei zuversichtlich, dass die Ermittlungen ergeben würden, dass der Korruptionsvorwurf unbegründet sei. Das Freikarten-Arrangement sei vielmehr eine reine Vorsichtsmaßnahme gewesen. Denn es sei „mit einem extrem schnellen Ausverkauf“ der Stones-Tickets zu rechnen gewesen.
Rösler habe der Gefahr begegnen wollen, dass „die Bezirksabgeordneten wie auch involvierte Mitarbeiter“ von der Veranstaltung ausgeschlossen sein könnten, „an deren Vorbereitung sie mit erheblichen zusätzlichen Arbeitsanstrengungen mitwirkten“. Auf den geldwerten Vorteil seien „ordnungsgemäß“ Abgaben und Beiträge gezahlt worden. Auf Nachfrage des CDU-Bezirksabgeordneten Bernd Kroll räumte Rösler ein, dass den Behördenmitarbeitern die fälligen Steuern erst in diesem Dezember oder gar erst im Januar („Nageln Sie mich jetzt bitte nicht fest“) vom Gehalt abgezogen werden.
Genehmigung von der Finanzbehörde fehlte
Im wichtigsten Punkt blieb er vage. Denn der Amtsleiter hätte die Annahme des Freikartengeschenks von der ihm vorgesetzten Finanzbehörde genehmigen lassen müssen. Die Behörde behauptet, er habe das nicht getan. Rösler formulierte es an Dienstag so: „Wir haben hierzu Genehmigungen erwirkt.“ Von wem, blieb unklar. Rösler wollte Nachfragen dazu nicht beantworten.
Die Hauptausschussmitglieder reagierten unterschiedlich auf die Aussagen des Bezirksamtsleiters. Michael Werner-Boelz (Grüne) lobte die Mitarbeiter. Bei der Organisation des Rolling-Stones-Konzerts hätten sie „hervorragende Arbeit geleistet“. „Der Vorwurf der Korruption ist für mich jenseits der Vorstellungswelt“, sagte er.
Karin Haas von der Linkspartei warf Rösler vor, die Mitarbeiter mit seinem Freikartenangebot in einen „Gewissenskonflikt“ gestürzt zu haben. Andreas Schott (CDU) befand, die Sache mit den Freikarten sei „nebensächlich“. „Wir hatten eine großartige Veranstaltung im Stadtpark“, sagte er. Wesentlich sei die Frage: „Profitiert der Stadtpark davon? Wie ist jetzt sein Zustand?“
Flächen im Stadtpark weiterhin gesperrt
Nicht so erfreulich, musste Harald Rösler eingestehen. „Ich bedaure es außerordentlich, dass es uns nicht gelungen ist, alle Flächen wieder freizugeben“, sagte er. Auf einem Areal von rund zwei Hektar sei der neue Rasen noch nicht angewachsen, deswegen dürfe es vorerst von den Hamburgern nicht betreten werden.
Das Abendblatt hatte erstmals im September über die Freikarten berichtet, wenige Tage nach dem Stones-Konzert auf der großen Wiese im Stadtpark. In der Bezirksversammlung am 14. September hatte Harald Rösler laut Protokoll die Annahme der Freikarten so erklärt: „Den Fraktionen sollte Gelegenheit gegeben werden, sich vor Ort diese Veranstaltung und die Logistik von Polizei, Feuerwehr, Veranstalter etc. anzuschauen, um zukünftig entscheiden zu können, ob eine derartige Veranstaltung nochmals genehmigt werden kann. Es war deshalb angemessen, dass der Veranstalter hierfür und den involvierten Bezirksamtsmitarbeitern Tickets zur Verfügung gestellt hat.“
Die Staatsanwaltschaft war offenbar nicht dieser Ansicht. Sie leitete noch im September ein Ermittlungsverfahren gegen Rösler und gegen den Konzertveranstalter FKP Scorpio ein – wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und der Bestechung. Danach folgte eine Razzia im Bezirksamt und beim Konzertveranstalter.
Während Abgeordneten die Annahme derartiger Geschenke erlaubt ist, ist sie Behördenmitarbeitern verboten. Die rechtlichen Regelungen sind eindeutig. Offenbar hatte Rösler selbst seinen Mitarbeitern aber die Annahme der Karten erlaubt, weshalb derzeit nicht gegen seine Kollegen ermittelt wird.