Hamburg. Schon 2020 soll ein Versuchsträger abheben. Eine superleise Maschine für bis zu 100 Passagiere könnte 2030 folgen.
Für alle Menschen, die in der Nähe eines Flughafens leben, ist dies so etwas wie ein Wunschtraum: ein Flugzeug, das außerhalb des Airport-Zauns nicht zu hören ist. Elektromotoren als Antrieb machen das möglich. Mit dem Projekt„E-Fan X“ will Airbus bereits im Jahr 2020 der Realisierung dieses Traums einen großen Schritt näher kommen. Dann soll ein „Demonstrator“ in Regionaljet-Größe abheben, an dem Airbus gemeinsam mit dem britischen Triebwerkhersteller Rolls-Royce und dem Elektrotechnikkonzern Siemens arbeitet.
„Wir öffnen damit die Tür zu einer neuen Ära der Luftfahrt“, sagte Frank Anton, Leiter der Siemens-Abteilung eAircraft, am Dienstag bei der Vorstellung der Pläne in London. Zwar hat Airbus bereits praktische Erfahrungen mit elektrisch angetriebenen Flugzeugen gesammelt. In den Jahren 2010 und 2013 war das Unternehmen jeweils Projektpartner bei der französischen Cri-Cri und beim E-Star des österreichischen Herstellers Diamond Aircraft, 2014 hob der von Airbus in eigener Regie gebaute E-Fan erstmals ab. Doch all das waren kleine, ein- und zweisitzige Maschinen.
Flieger wird Hybridantrieb erhalten
Anders als der E-Fan wird der künftige E-Fan X auch nicht ausschließlich auf elektrische Energie, gespeichert in Batterien, setzen. Denn diese sind nach Einschätzung von Experten noch auf absehbare Zeit zu schwer für größere, für den Passagiertransport taugliche Flugzeuge, die deutlich mehr als eine Stunde in der Luft bleiben sollen. Darum wird der E-Fan X einen Hybridantrieb erhalten, wie der Airbus-Projektleiter Mark Cousin erklärte: Nur beim Start und bei der Landung kommt der Strom aus Batterien. In der übrigen Zeit liefert eine herkömmliche, Kerosin verbrennende Gasturbine die Energie, die über einen Generator in Strom umgewandelt wird. Dieser wiederum treibt Elektromotoren an, die den nötigen Schub erzeugen.
Siemens wird einen solchen Motor nun entwickeln. Sowohl für das eigentliche Flugzeug als auch für die Gasturbine greift man jedoch auf eine altbewährte Technik zurück: einen für 80 bis 100 Passagiere ausgelegten Regionaljet des Typs Bae 146 von British Aerospace, gebaut in den 1980er- und 1990er-Jahren, sowie eine AE2100-Turbine von Rolls-Royce, die sonst die Propeller von Militärtransportern antreibt. Vorgesehen ist, die Gasturbine im Rumpf des Demonstrators unterzubringen. Im ersten Schritt wollen die Partner aus Sicherheitsgründen allerdings nur einen der vier Düsenmotoren des Regionaljets durch den Elektroantrieb ersetzen, später vielleicht zwei.
Großes Interesse bei den Airlines
„Es geht uns zunächst nicht darum, ein marktreifes Produkt herzustellen“, sagte Mark Cousin. Der E-Fan X diene dazu, Erfahrungen mit der neuen Antriebstechnik zu sammeln. Airbus stoße mit dem Projekt zwar auf großes Interesse bei den Airlines. Diese erwarteten aber eine nachgewiesene Zuverlässigkeit. Das bedeute konkret eine Wahrscheinlichkeit in der Größenordnung von 99,9 Prozent, dass ein Flug nicht wegen technischer Probleme ausfällt. „In der Luftfahrt lernt man nur durch Fliegen“, ergänzte Siemens-Manager Anton. Nach seiner Auffassung wird es frühestens im Jahr 2030 ein für den Liniendienst verwendbares Flugzeug geben, das dann bis zu 100 Passagiere befördern kann.
„Der Regionalverkehr mit Strecken zwischen 500 und 1000 Kilometern wird das erste Anwendungsgebiet von hybridelektrischen Flugzeugen sein“, sagte der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt. Auch wenn dabei weiterhin Gasturbinen benötigt würden, seien mit dieser Zukunftstechnologie erhebliche Effizienzverbesserungen erzielbar: „Weil die Turbine nur für die Stromerzeugung gebraucht wird, kann man sie genau im optimalen Betriebsbereich laufen lassen und muss sie auch beim Start, wenn für einige Minuten die Batterien zugeschaltet werden, nicht hochjubeln“, so Großbongardt. Das sorge für eine sehr deutliche Geräuschminderung. Weil künftig nicht mehr tonnenschwere Triebwerke unter dem Flügel oder außen am Heck angebracht werden müssten, seien künftig auch ganz andere Bauformen von Flugzeugen denkbar – und das könne leisere Landeanflüge ermöglichen.
Amerikaner haben ein ehrgeiziges Ziel
Großbongardt sieht die E-Fan-X-Partner durch die Kombination aus einem Flugzeugbauer, einem Turbinenhersteller und einem Elektrospezialisten in der Branche „ganz weit vorn“. Zudem stehe ihnen offenbar ein erhebliches Entwicklungskostenbudget zur Verfügung: Schon im vorigen Jahr hatten Airbus und Siemens ein Team von 200 Mitarbeitern in München zusammengezogen, um das elektrische Fliegen zu realisieren. Allerdings seien die Europäer nicht die Einzigen, die daran arbeiten, so Großbongardt: Die Start-up-Firma Zunum Aero aus Seattle will mit Unterstützung von Boeing ebenfalls hybridelektrische Flugzeuge bauen. Die Amerikaner haben sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Sogar schon im Jahr 2022 soll eine erste Maschine auf den Markt kommen. Sie ist zwar nur für zwölf Passagiere gedacht. Dafür will Zunum später den Piloten durch Elektronik ersetzen.