Hamburg. Lufthansa Technik und Airbus wollen durch feine Rillen im Lack den Verbrauch von Jets um Hunderte Tonnen pro Jahr senken.

Haie können eine Spitzengeschwindigkeit von 80 Kilometern pro Stunde erreichen, während Airbus-Jets hoch über dem Ozean mehr als zehnmal so schnell fliegen. Auf den ersten Blick erscheint es daher erstaunlich, dass die Luftfahrt von der Biologie des Raubfischs lernen könnte, und doch ist es so: Ende der 1970er-Jahre stellten deutsche Forscher fest, dass die Schuppen von Haifischen feinste Längsrillen besitzen und diese den Strömungswiderstand des Tiers spürbar verringern. Tatsächlich ist dieses Prinzip auf Flugzeuge übertragbar – erste Tests im Jahr 1996 mit aufgeklebten Folien auf einem Airbus A340 ließen auf Treibstoffeinsparungen von zwei bis drei Prozent schließen. Das würde den Verbrauch um immerhin rund 700 Tonnen pro Jahr und Flugzeug senken.

Allerdings erwiesen sich großflächige Folien als nicht haltbar genug. Lufthansa Technik und Airbus wollen nun einen anderen Weg gehen, um Jets mit einer Haifischhaut zu versehen: Die Rillenstruktur soll in den noch frischen Lack eingeprägt werden. „Wir haben gemeinsam mit dem Automatisierer bwm aus der Nähe von Bremen einen Roboter entwickelt, der das mit sehr hoher Präzision mittels einer Walze tun kann“, sagt Projektmanager Mathias Nolte von Lufthansa Technik.

Ausführliche Tests

Im Rahmen des vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Forschungsvorhabens „Famos“ – das steht für „Führungssystem zur automatisierten Applikation multifunktionaler Oberflächenstrukturen“ – haben die Partner zusammen mit dem Fraunhofer Institut für Produktionstechnologie in Aachen als Unterauftragnehmer die Funktion des knapp 70 Kilogramm schweren Roboters ausführlich getestet. „Zur Sicherheit nahmen wir dafür zunächst einen Tragflächenabschnitt von einem verschrotteten A319-Jet“, sagt Nolte.

Aber auch in der Luft wird das neue Verfahren bereits getestet: Seit Ende 2016 fliegt ein in München stationierter A330-Langstreckenflieger der Lufthansa mit dem Rillenlack. „Bisher konzentrieren wir uns auf die waagerechten Partien des Flugzeugs, also auf die Tragflächen und das Höhenleitwerk“, sagt der Projektmanager. Künftig will man aber auch den Rumpf entsprechend behandeln können.

Mit dieser Maschine erhalten die Flieger
bei Lufthansa Technik die Haifischhautstruktur
Mit dieser Maschine erhalten die Flieger bei Lufthansa Technik die Haifischhautstruktur © Lindner Fotografie Linzer Strass

Dabei müssten sich die Airlines – und die Passagiere – allerdings an eine leicht veränderte Optik gewöhnen: Üblicherweise verwendet man für Jets hochglänzende Lacke, die Oberfläche der Haifischhautstruktur erscheint aber matt. Während Verkehrsflugzeuge normalerweise ungefähr alle sieben Jahre neu lackiert werden, wird der Hai-Lack voraussichtlich fünf Jahre lang halten. Seine Rillen sind etwa so breit wie ein menschliches Haar, die Spitzen der in Flugrichtung verlaufenden Grate aber sind sehr viel dünner, sie messen nur rund zwei tausendstel Millimeter. Das macht die Oberfläche empfindlich gegen Beschädigungen.

Bremswirkung verringern

„Ideal wäre es, bis zu 90 Prozent der Außenhaut eines Jets mit so einer Struktur zu versehen“, sagt Nolte. An den Vorderkanten der Tragflächen und des Leitwerks ist das nicht nötig, denn da liegt die Luftströmung im Flug wie gewünscht glatt an; sie ist „laminar“, wie die Fachleute sagen. Doch nach ungefähr 50 Zentimetern beginnen sich Wirbel zu bilden. Damit entstehen Strömungen quer zur Flugrichtung, was den Widerstand deutlich erhöht. Hat die Tragfläche an diesen Stellen jedoch eine Haifischhautstruktur, berühren die Querströmungen nur die Spitzen der Längsrillen, was die Bremswirkung der Verwirbelungen verringert.

Mathias Nolte ist
Projektleiter bei
Lufthansa
Technik für die
Haifischhaut
Mathias Nolte ist Projektleiter bei Lufthansa Technik für die Haifischhaut © privat

„Wir sind jetzt kurz davor, dieses Prinzip auch im regulären Flugbetrieb nutzbar zu machen“, so Nolte. Er bleibt im Hinblick auf die voraussichtliche Treibstoffeinsparung vorsichtig und rechnet bei maximaler Ausstattung mit nur 1,5 Prozent Verbrauchsminderung. Ein A330 im Normalbetrieb schluckt etwa sechs Tonnen Kerosin pro Stunde – so könnten pro Flugstunde 90 Kilo Sprit gespart werden. Dafür kostet der Lack etwas mehr. „Aber die Rippenstruktur kommt als zusätzliche Schicht auf das Flugzeug, ohne das Basislacksystem zu verändern“, sagt Stefan Schnaubelt, der bei Airbus für das Projekt zuständig ist. „Durch dieses Prinzip sind auch die Mehrkosten gegenüber den Einsparungen im Flugbetrieb für die Airlines und für Airbus völlig akzeptabel.“

Noch andere potenzielle Anwendungsbereiche

Während sich Lufthansa Technik darauf konzentrieren will, gebrauchte Jets mit der treibstoffsparenden Lackierung zu versehen, wird Airbus das bei fabrikneuen Fliegern tun. „Airbus plant, die Haifischhautstruktur so schnell wie möglich an seine Langstreckenflugzeuge zu bringen, um diese Vorteile im Flugbetrieb zu ermöglichen“, so Schnaubelt. Wie es heißt, könnte es beim A350 schon im Jahr 2019 losgehen.

Außer in der Luftfahrt gibt es noch andere potenzielle Anwendungsbereiche für die Haifischhaut, zum Beispiel die Rotoren von Windenergieanlagen oder die Innenwände von Rohrleitungen. Aber auch in ihrem ursprünglichen Element wurde die Technik schon eingesetzt, etwa an der Regattayacht, die im Jahr 1987 den Segelwettbewerb America’s Cup gewann und an Anzügen von Olympia-Schwimmern.

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