Hamburg. Bundesverwaltungsgericht weist Klagen von Fischern und Gemeinden ab. Ende 2018 könnten die Baggerarbeiten starten.
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat eine für Hamburgs Wirtschaft wichtige Entscheidung getroffen. Mit seiner Ablehnung zahlreicher Klagen von niedersächsischen Gemeinden und Elbfischern gegen die Elbvertiefung, ist die Realisierung des Großprojekts zum Greifen nah. Die Elbe soll so ausgebaggert werden, dass Schiffe mit einem Tiefgang tideabhängig bis 14,50 Meter und tideunabhängig bis 13,50 Meter den Fluss befahren können. Das ist bis zu einem Meter mehr als bisher. Das Abendblatt klärt die wichtigsten Fragen zum Stand des Verfahrens sowie zur Bedeutung des Richterspruchs geklärt.
Warum klagten die Gemeinden und Fischer gegen die Elbvertiefung?
Die Städte Cuxhaven und Otterndorf befürchten durch die Elbvertiefung Beeinträchtigungen ihrer Haupteinkommensquelle, dem Tourismus. Die Wattflächen vor ihren Stränden könnten verschlicken, die Bojenbäder durch die Zunahme des Elbstroms sowie durch den Sog immer größer werdender Schiffe zu gefährlich für den öffentlichen Besuch werden. Otterndorf hat zudem kritisiert, dass der Druck des Flutstroms durch die Elbvertiefung zunimmt, und auf die Deiche drückt. Die Fischer befürchten hingegen, dass ihnen Fangplätze verloren gehen.
Was sagen die Richter zu den Befürchtungen?
Bereits in der mündlichen Verhandlung Mitte November hatten die Richter Zweifel gegen die Rechtmäßigkeit der Klagen erhoben. Die Wattflächen, um die sich Cuxhaven und Otterndorf sorgen, gehören nicht den Gemeinden, sondern sind im Eigentum des Bundes, der die Elbe vertiefen will. Auch der von Otterndorf ins Feld geführte Hochwasserschutz konnte die Richter nicht überzeugen: Hochwasserschutz sei Aufgabe der Deichverbände, die haben aber gegen die Elbvertiefung nicht geklagt.
Leitartikel: Ein fader Beigeschmack bleibt
Die Fischer hätten wiederum kein Anrecht auf bestimmte Fangmengen, sagte das Gericht. Entsprechend fiel jetzt sein Urteil aus: Das öffentliche Interesse an einer Verbesserung der Verkehrsfunktion der Elbe für die Schifffahrt sei höher zu bewerten als die Interessen der Kläger, machten die Richter deutlich. Die Belastungen der Gemeinden seien „nicht so gravierend“. Die Fischer müssten Fangbeeinträchtigungen hinnehmen.
Wie reagieren Politik und Behörde auf dieses Urteil?
SPD, CDU und FDP begrüßten das Urteil ausdrücklich. Die Grünen äußerten sich nicht. Der Präsident der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt des Bundes, Hans-Heinrich Witte: „Mit dem heutigen Urteil sind wir der Umsetzung der Fahrrinnenanpassung von Unter- und Außenelbe einen wichtigen Schritt näher gerückt. Das Gericht hat den Planfeststellungsbeschluss nicht weiter beanstandet und hat ausdrücklich bestätigt, dass die Belange der Kläger ordnungsgemäß abgewogen worden sind.“ Die FDP-Fraktion bezeichnete das Urteil als „wichtigen Meilenstein für Hamburg“. Die SPD-Fraktion lobte die Planer der Elbvertiefung. „Der heutige Urteilsspruch aus Leipzig ist ein weiteres deutliches Signal: die Fahrrinnenanpassung kommt“, sagte der hafenpolitische Sprecher Joachim Seeler. CDU-Fraktionschef Andre Trepoll sagte hingegen: „Wir wollen jetzt Klarheit von Rot-Grün, wann die Fahrrinnenanpassung der Elbe kommt. Eine weitere Hängepartie kann Hamburg sich nicht leisten.“
Was sagen die Gegner zu ihrer Niederlage?
Die Kläger bedauerten die Entscheidung des Gerichts: „Wir sind enttäuscht, dass die Abwägung der Richter diesen Ausgang genommen hat, zumal es für uns um elementare Beeinträchtigungen wie Hochwasser und die Gefahr von Uferabbrüchen geht“, sagte der Samtgemeindebürgermeister des Lands Hadeln und Stadtdirektor von Otterndorf, Harald Zahrte. Die Umweltverbände, über deren Klage das Gericht bereits im Februar entschied, sprachen von „keinem guten Tag für die Tideelbe“. Die Entscheidung des Gerichts führe aus ihrer Sicht dazu, dass eine grundlegende Überprüfung der Prognosen der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) unterbleibt. Deren Gutachten sind der Kern, auf den sich das gesamte Verfahren stützt. Die Umweltschützer gehen davon aus, dass sich die Wasserstände nach der Elbvertiefung zwei- bis dreimal stärker erhöhen werden, als die Untersuchungen der BAW prognostizieren.
Was sagt die Hafenwirtschaft zu dem Urteil?
Bei den Unternehmen ist die Zuversicht groß, dass die Elbvertiefung bald kommt. „Wir sehen keine gravierenden Hindernisse mehr für die Fahrrinnenanpassung.“ Er habe die Hoffnung, dass die Baggerarbeiten gegen Ende des Jahres 2018 beginnen, sagte der Präsident des Unternehmensverbands Hafen Hamburg, Gunther Bonz.
Wie geht es in dem Verfahren jetzt weiter?
Am 13. Dezember wird das Bundesverwaltungsgericht die noch verbliebenen Klagen von vier Privatpersonen und von Wasser- und Bodenverbänden verhandeln. Während die privaten Eigentümer erhebliche Beeinträchtigungen durch Lärm, Erschütterungen, Uferabbrüche und einen neuen Leuchtturm befürchten, geht es den Verbänden um ergänzende Regelungen zu den Planfeststellungsbeschlüssen im Hinblick auf die Sicherstellung der Ent- und Bewässerung ihrer Gebiete. Mit deren Urteil sind dann alle anhängigen Klageverfahren gegen die Elbvertiefung abgeschlossen. Parallel müssen Hamburg und der Bund noch Planergänzungen vornehmen, die ihnen das Gericht in seinem Urteil über die Klagen der Umweltverbände im Februar auferlegt hat. „Wir arbeiten seit Februar daran, die letzten Bedenken des Gerichts auszuräumen. Die Überarbeitungen fließen in das dritte Planergänzungsverfahren ein“, sagt Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos).
Wann können die Baggerarbeiten beginnen?
Die Wirtschaftsbehörde will die Nacharbeiten schnell abschließen: „Nach derzeitigem Stand ist davon auszugehen, dass bereits im Januar 2018 ein Antrag auf Planergänzung bei den Planfeststellungsbehörden gestellt werden und damit ein Planergänzungsverfahren gestartet werden kann“, sagt Horch. Geschieht das, liegt Ende März ein Planergänzungsbeschluss vor. Dieser muss öffentlich ausgelegt werden. Möglicherweise klagen die Umweltverbände erneut dagegen. Das dürfte aber vor Gericht keine aufschiebende Wirkung erzeugen. Dann könnten die Arbeiten im vierten Quartal 2018 beginnen – elf Jahre nach den ersten Planungen.