Hamburg. Zahl der Tagesmütter und -Väter auf 950 gesunken. Forderung nach besserer Bezahlung und mehr Gleichberechtigung mit Kitas.

Die im Bundesvergleich eher schlechte Personalausstattung Hamburger Krippen und Kitas beschäftigt die Politik derzeit immens. Anfang November hat die Volksinitiative „Mehr Hände für Hamburger Kitas“ mit der Unterschriftensammlung begonnen – nachdem die Verhandlungen mit dem rot-grünen Senat zu keiner Einigung geführt hatten. Bei all den Diskussionen ist eine Form der Kinderbetreuung etwas aus dem Blickfeld geraten – die Kindertagespflege.

Blickt man auf die Zahlen, dann stellt man fest, dass Tagesmütter und -väter in Hamburg zu einer „aussterbenden Art“ gehören. Nach Berechnungen der CDU waren 2010, ihrem letzten regierungsjahr, noch rund 1650 Personen in dem Bereich tätig, die mehr als 5000 Kinder betreut haben. Die Sozialbehörde nennt für das Jahr zwar etwas niedrigere Zahlen, aber unstrittig ist: Mit aktuell noch rund 950 Tagesmüttern und rund 3400 betreuten Kindern ist dieser Bereich stark geschrumpft.

Neues Vergütungskonzept für Tagesmütter

Die CDU hat nun einen Antrag in die Bürgerschaft eingebracht, um die Kindertagespflege zu stärken, da sie eine wichtige Säule der Kindertagesbetreuung sei. Dabei beruft sie sich unter anderem auf den Rechnungshof, der ebenfalls eine Stärkung der Kindertagespflege angemahnt habe, weil sie für die Stadt günstiger sei als die Betreuung in Kitas. So koste ein Acht-Stunden-Platz in einer Kita die Stadt 1130 Euro im Monat, der gleiche Platz in der Tagespflege aber nur 532 Euro, heißt es in dem Antrag des CDU-Familienexperten Philipp Heißner. „Aus diesem Grund ist es wichtig, der rückläufigen beziehungsweise stagnierenden Entwicklung der Kindertagespflege entgegenzuwirken.“

In dem Antrag, der am Mittwoch auf der Tagesordnung der Bürgerschaft steht, fordert er unter anderem ein neues Vergütungskonzept für Tagesmütter. In Städten wie München würden die nämlich mehr als das Doppelte verdienen. Außerdem fordert die CDU ein einheitliches Vertretungssystem, einen Urlaubsanspruch für Tagesmütter von mindestens 30 Tagen, wie ihn Erzieherinnen in Kitas auch hätten, sowie „öffentlichkeitswirksame Maßnahmen“, die die Gleichwertigkeit von Kita und Tagesmutter betonen.

Aus Sicht der Sozialbehörde ist das nicht nötig: „Hamburger Eltern können wählen, wie sie ihren Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung einlösen wollen“, sagt Behördensprecher Marcel Schweitzer. „Als das Kita-Angebot noch nicht so breit gefächert war, wurde auf die Tagespflegebetreuung ausgewichen. Mit dem zunehmenden Ausbau der Betreuungsplätze in Kitas sowie der immer bunteren Angebotspalette spezialisierter Kitas nimmt die Tagespflege nun ab. Kitas sind nunmal beliebt.“ Die Behörde wolle diese Wahlmöglichkeiten für Eltern und Kinder bewahren: „Letztlich entscheiden die Eltern, wie ihre Kinder betreut werden sollen“, sagt Schweitzer.

Die Stadt müsse ein gutes Vertretungssystem schaffen

Das Problem ist nur: Tagesmütter fühlen sich eben nicht gleichberechtigt. „Eine leistungsgerechte Vergütung bietet Hamburg immer noch nicht“, sagt Anja Reinke, Vorsitzende des Hamburger Tagesmütter und -väter e.V., auch wenn sie jüngst einen Erfolg erzielt haben: „Nachdem es uns jahrelang versprochen worden ist, bekommen wir seit 1. November mehr Geld“, sagt Reinke. Die Pflegegeldsätze waren seit 2014 gleich geblieben und wurden nun um 12,15 Prozent erhöht, die Sachkostenpauschalen (für Miete, Strom, Verpflegung der Kinder etc.) um 3,17 Prozent.

Dennoch gebe es großen Verbesserungsbedarf: „Wir brauchen genügend Vertretungskräfte“, fordert Reinke, und deren Bezahlung müsste besser geregelt werden, etwa durch einen festen Stundensatz. „Wie sollen wir ein gleichwertiges Angebot zu den Kitas bieten, wenn wir die Verlässlichkeit nicht sicherstellen können?“ Denn Tagespflegepersonen dürften regelhaft höchstens fünf Kinder gleichzeitig betreuen. Nur im Vertretungsfall darf die Zahl zeitweise auf sieben steigen – so regelt es eine neue Verordnung. Konkret bedeutet das: Wenn eine Tagesmutter fünf Kinder betreut, darf sie von einer anderen, die selbst fünf Kinder behütet, bis zu zwei zeitweise mit betreuen. Was aber passiert mit den drei anderen?

Sabine Panzer betreibt seit 2009 gemeinsam mit drei Kolleginnen einen Tagespflegezusammenschluss in Winterhude mit 20 Krippenkindern. Sie sagt: „Ich hätte ein Riesenproblem, zu entscheiden, welche drei Kinder man nach Hause schickt, wenn eine Kollegin krank ist.“ Die Eltern seien berufstätig. Da habe die Behörde den zweiten Schritt vor dem ersten gemacht, sagt auch Anja Reinke. Die Stadt müsse jetzt endlich Geld in die Hand nehmen und ein Vertretungssystem schaffen, das praktizierbar sei. Derzeit seien für eine Vertretungskraft die Einkünfte nicht kalkulierbar.

Tagesmütter hoffen auf mehr Unterstützung bei Raumsuche

Der Qualifizierungsgrad sei in den vergangenen Jahren sehr besser geworden, sagt Reinke, allerdings seien auch die Anforderungen an Brandschutz, Hygiene, Sicherheit deutlich gestiegen. „Es ist sehr schwierig geworden, wenn man Räume anmieten will“, weiß sie aus ihrer Vereinsarbeit. Da wünsche man sich mehr Unterstützung von der Stadt, etwa bei Neubauprojekten.

Sorge bereitet den Tagesmüttern auch das Ziel das Senats, bis 2021 im Krippenbereich einen Betreuungsschlüssel von 1:4 (maximal vier Kinder auf eine Pädagogin) zu erreichen sowie die noch weitgehenderen Forderungen der Volksinitiative. Denn wenn diese Regeln auch auf die Tagesmütter übertragen würden, würde das ihre Einnahmesituation weiter verschlechtern. Dann müsse die Behörde finanziell gegensteuern, sagt Sabine Panzer. Denn schon jetzt gelte für Tagesmütter: „Sie sind gut, geduldig und günstig.“