Hamburg. Schon mit 20.000 Euro kann man neuerdings Kunde bei der Privatbank werden. Das Vermögen wird von einem Anlageroboter verwaltet.

Menschen mit durchschnittlichem Vermögen haben es immer schwerer, eine Bank zu finden, die sie bei der Wertpapieranlage berät und betreut. Denn die Anforderungen der Regulierungsbehörden haben den Zeitaufwand und die Bürokratie für die Berater so stark ausgeweitet, dass sich dieses Geschäft für die Geldhäuser nur noch bei Kunden mit immer höheren Anlagesummen lohnt.

Um so erstaunlicher mutet es an, dass gerade ein Privatbankhaus wie M.M. Warburg & CO jetzt eine Vermögensverwaltung für Privatanleger schon bei einem Einstiegsbetrag von 20.000 Euro anbietet. Möglich macht das die künstliche Intelligenz: Hinter dem Produkt „Warburg Navigator“ steckt ein Anlageroboter. So jedenfalls heißen diese Produkte in der Branche, auch wenn es sich nicht, wie die Bezeichnung Roboter nahelegt, um Automaten mit beweglichen Teilen handelt, sondern schlicht um Computerprogramme.

„Digitalisierung ist eine Chance“

„Für uns ist die Digitalisierung eine Chance“, sagt Joachim Olearius, Sprecher der Partner, „denn auf diesem Feld haben wir keinen Wettbewerbsnachteil gegenüber großen Finanzhäusern.“ Anleger suchten sinnvolle Alternativen zu Zinsprodukten. Diesen „berechtigten Kundenwunsch“ könne das Unternehmen jetzt auch für Volumensgrößenordnungen erfüllen, „die bisher nicht sinnvoll im Rahmen einer Vermögensverwaltung abgebildet werden konnten“. Zudem könne man neue Kundengruppen an M.M. Warburg heranführen, ohne dass diese in einen der bundesweit 13 Standorte kommen müssten.

Allerdings haben die Hamburger den „Robo-Advisor“ nicht selbst entwickelt. Er stammt von dem Berliner Softwarehaus Elinvar. M.M. Warburg ist der Erstkunde für dieses Anlageroboter-Programm. „Damit konnten wir eine sehr individuell zugeschnittene Lösung bekommen“, sagt Jan Kühne, bei der Privatbank verantwortlich für die Digitalisierungsstrategie. Die von den Anlegern pauschal je nach Betrag gezahlten Entgelte werden zwischen den Partnern aufgeteilt, die Kundenbeziehung gehört aber allein Warburg.

Wesentlicher Unterschied

Mit einem Kostensatz von 1,2 Prozent pro Jahr liegt M.M. Warburg nach eigenen Angaben „im oberen Mittelfeld“; laut einer Übersicht des Online-Fachportals „EXtra-Magazin“ vom Oktober verlangen nur drei der 17 in Deutschland aktiven Anlageroboter eine Gebühr von mehr als 1,0 Prozent. Bei einer „klassischen“ Vermögensverwaltung werden meist mindestens 1,5 Prozent pro Jahr fällig.

Allerdings gibt es zwischen dem Anlageroboter von M.M. Warburg und Konkurrenzprodukten einen wesentlichen Unterschied: Die meisten der bisherigen Angebote kommen nicht von behördlich beaufsichtigten Banken, sondern von Start-ups mit rein passiven, modellgestützten Anlageformen ohne zusätzliche Steuerung durch Kapitalmarktexperten. Das ist beim „Warburg Navigator“ anders.

20 bis 30 Fragen

Zwar ermittelt das Programm, ganz ähnlich wie die übrigen Produkte auf dem Markt, zunächst anhand von 20 bis 30 Fragen die Risikoneigung und die Verlusttragfähigkeit des Kunden. Dann aber fällt es seine Anlageentscheidungen nicht allein auf der Basis vorher festgelegter Regeln. M.M. Warburg setzt stattdessen auch auf menschliche Expertise. „Modelle arbeiten immer mit den Daten der Vergangenheit“, sagt Christian Jasperneite, Chef-Anlagestratege der Bank, „aber sie können nicht einschätzen, welches Problem hinter der nächsten Kurve lauert – oder welche Chance dort wartet.“

Darum fließen regelmäßig Einschätzungen des Vermögensverwaltungsteams von M.M. Warburg, etwa zu generellen Entwicklungen in einzelnen Weltregionen, in das Rechenmodell des Anlageroboters ein. „Transparenz ist uns dabei wichtig“, so Jasperneite: „Kunden, die sich dafür interessieren, können online nachlesen, wo wir nachjustieren und warum.“

Kombination von Mensch und Maschine

Ein weiterer Unterschied zu Konkurrenzprodukten betrifft die Auswahl der Wertpapiere, mit denen der Roboter arbeitet: Üblicherweise stehen nur verschiedene passive Fonds, sogenannte ETFs, die starr einen bestimmten Index wie etwa den DAX oder den weltweiten Aktienindex MSCI World nachbilden, zur Verfügung. Der Warburg Navigator jedoch kann auch auf Fonds mit aktivem Management zurückgreifen. „Anderen Anbietern fehlt die Expertise für eine Vorauswahl, aber wir beobachten schon seit Langem die Entwicklung von weltweit 12.000 solcher Fonds“, sagt Jasperneite.

Ohnehin arbeite die Vermögensverwaltung von M.M. Warburg seit vielen Jahren intern zusätzlich mit Computermodellen, auch wenn diese nicht für die direkte Nutzung durch Kunden gedacht waren. „Den Aktienkursabsturz 2008 hätten die Modelle gut bewältigt“, erinnert sich Jasperneite. „Aber in der kritischen Phase im Frühjahr 2009, als es darum ging, wieder einzusteigen, hätten sie vergleichsweise schlecht abgeschnitten. Das ist nur ein Beispiel dafür, warum wir auf eine Kombination von Mensch und Maschine setzen.“

Markt hat sich sehr dynamisch entwickelt

Im Juli 2017 hat der neue Warburg-Anlageroboter den Probebetrieb mit „echten“ Kunden aufgenommen, im Oktober erfolgte der offizielle Start. Zu konkreten Zielen im Hinblick auf die Kundenzahlen oder das Anlagevolumen sagt die Bank nichts. Klar ist aber: „Dieser Markt hat sich in den vergangenen zwölf Monaten sehr dynamisch entwickelt“, so Kühne.

Dennoch sind die bisher von den Wettbewerbern in Deutschland eingesammelten Beträge noch recht überschaubar; Schätzungen von Marktbeobachtern zufolge sind es zusammengenommen erst rund 1,5 Milliarden Euro. Der nach eigenen Angaben im Inland führende Anbieter, die im Jahr 2014 gegründete Münchner Firma Scalable Capital, kommt auf rund 500 Millionen Euro von gut 15.000 Kunden. Zum Vergleich: M.M. Warburg verwaltet auf konventionelle Weise insgesamt 54 Milliarden Euro.

Bisher nur private Kunden

Bisher zielt der Robo-Advisor der Hamburger auf private Kunden. Es gibt aber bereits Überlegungen, diese Dienstleistung zum Beispiel auch für Stiftungen anzubieten. „Es ist wichtig, früh dabei zu sein“, sagt Olearius. „Denn nicht nur die Bankenlandschaft verändert sich mit hoher Geschwindigkeit, sondern auch die Gesellschaft.“ Längst nicht nur jüngere Menschen seien heute offen für eine digitale Vermögensverwaltung: „Unsere jüngste Kundin für das neue Produkt ist 18, der älteste ist Jahrgang 1930.“