Hamburg. Historisch niedrige Zinsen verleiten zum Kauf von Immobilien und Konsumgütern auf Pump – was Verbraucher dabei beachten sollten.
Die historisch niedrigen Zinsenbescheren den Hamburger Banken auch in diesem Jahr ein gutes Kreditgeschäft. Ob neues Auto, neue Küche oder eine eigene Immobilie: Die Hamburger nutzen die geringen Zinssätze, um ihre Wünsche auf Kredit zu finanzieren. „Wir rechnen mit einer weiterhin hohen Nachfrage an Konsumfinanzierungen“, sagt Haspa-Sprecherin Stefanie von Carlsburg.
Für die Autofinanzierung nehmen die Hamburger im Durchschnitt einen Kredit in Höhe von rund 13.360 Euro auf, ermittelte das Vergleichsportal Check24. Deutlich höhere Summen sind im Spiel, wenn die eigenen vier Wände finanziert werden. 270.000 Euro nahmen die Hamburger 2016 für die Finanzierung einer Immobilie im Schnitt auf, ermittelte der Baugeldvermittler Interhyp exklusiv für das Abendblatt. Das waren 38 Prozent mehr als 2010. Im Durchschnitt rund 180.000 Euro bringen Immobilienkäufer in Hamburg an Eigenkapital mit, um die eigenen vier Wände zu finanzieren.
Nachfrage ist weiter hoch
Und die Nachfrage ist weiter hoch. „Im Vergleich zum bereits sehr starken Vorjahr liegt das Volumen neu vergebener Baufinanzierungen im ersten Quartal 2017 auf gleich hohem Niveau“, sagt Haspa-Sprecherin von Carlsburg. Die Commerzbank in Hamburg peilt beim Kreditgeschäft neue Rekorde an. „Unser Kreditneugeschäft lag in den ersten Wochen dieses Jahres um ein Drittel über Vorjahr“, sagt Bereichsvorstand Frank Haberzettel. „Ich gehe davon aus, dass wir 2017 wieder ein Rekordjahr haben werden.“ Im Geschäftsjahr 2016 verbuchte die Commerzbank in der Metropolregion bei Immobilienfinanzierungen ein Neugeschäftsvolumen von 950 Millionen Euro, bei Konsumentenkrediten aber von 84 Millionen Euro.
Die Kreditsummen zur Finanzierung der eigenen vier Wände steigen, damit können auch Fehler dabei teurer werden: Die historisch niedrigen Zinsen lassen die monatliche Belastung einer Kreditrate niedrig erscheinen. „Deshalb überstürzen viele Interessenten den Abschluss einer Baufinanzierung, ohne vorher genügend Eigenkapital angespart zu haben“, sagt Stephan Scharfenorth, Geschäftsführer des Baufinanzierungsportals Baufi24.
Die Verbraucherzentrale Hamburg warnt Darlehensnehmer insbesondere davor, bei Immobilienkrediten eine zu geringe Tilgungsrate zu vereinbaren. „Mit der früher üblichen anfänglichen Tilgung von einem Prozent dauert es 60 Jahre, bis ein Kredit abbezahlt ist“, sagt Alexander Krolzik, Baufinanzierungsexperte der Verbraucherzentrale Hamburg. „Wir raten zu einer Tilgung von mindestens zwei oder drei Prozent.“ Nach Ende der ersten Zinsbindungsfrist sollte nach Ansicht der Verbraucherschützer mindestens ein Drittel des Kredits getilgt sein, um von dann eventuell höheren Zinsen nicht überrascht zu werden.
Unterschätzt werden beim Immobilienkauf auch häufig die Erwerbsnebenkosten. Maklerprovision, Grunderwerbssteuer und Notarkosten können sich auf rund zwölf Prozent summieren. Ein Haus für 400.000 Euro kostet dann knapp 48.000 Euro mehr. Auch die ständigen Nebenkosten der Immobilie wie Heizung, Grundsteuer und Verwaltungskosten müssen in die Finanzplanung mit einbezogen werden. „Inklusive der Nebenkosten sollte die monatliche Belastung nicht bei mehr als 40 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens liegen“, sagt Krolzik.
Bei einer Immobilienfinanzierung von Familien ist es meist unvermeidlich, dass beide Partner als Kreditnehmer auftreten. Auch bei Konsumentenkrediten kann das sinnvoll sein. Durch das meist höhere Einkommen von zwei Personen erhalten beide Kreditnehmer in der Regel einen besseren Zinssatz als eine Einzelperson. Zudem steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der Kreditantrag bewilligt wird. Denn im Gegenzug haften auch beide Kreditnehmer gesamtschuldnerisch für die Verbindlichkeiten – jeder in voller Höhe.
Wird das Geld aus einem Konsumentenkredit für einen bestimmten Zweck eingesetzt, können die Konditionen günstiger ausfallen. Das gilt etwa für Modernisierungen oder beim Autokauf. „Auch wenn mittlerweile viele Autohäuser die passende Finanzierung mit speziellen Konditionen anbieten, kann ein Ratenkredit die günstigere Alternative sein“, sagt Arnd Schröder, Geschäftsführer des Vergleichsportals TopTarif. In diesem Fall treten Autokäufer nämlich als Barzahler auf und haben dadurch die Möglichkeit, beim Händler zusätzliche Rabatte auszuhandeln.
Vergleichen mehrerer Angebote lohnt
Ob Immobilienfinanzierung oder Konsumentenkredit: Das Vergleichen mehrerer Angebote lohnt in jedem Fall. Bei Konsumentenkrediten sind die Unterschiede bei den Konditionen oft noch größer als bei Immobilienkrediten. In Hamburg kostet eine Immobilienfinanzierung mit zehnjähriger Zinsbindung derzeit im Durchschnitt 1,33 Prozent Zinsen.
Bei Konsumentenkrediten werben einzelne Institute auf ihrer Internetseite zwar mit einem Zinssatz von 1,99 Prozent, doch wer dann einen konkreten Kreditbetrag wie etwa 10.000 Euro für eine Laufzeit von vier Jahren in den Angebotsrechner einträgt, erfährt ganz andere Konditionen: 5,99 Prozent. Günstige Konditionen von weniger als vier Prozent bieten Direktbanken, wie die DKB (3,49 Prozent) oder die ING-DiBa (3,79 Prozent). Filialbanken haben deutlich teurere Kreditangebote von bis zu 8,99 Prozent. „Wer Kredite vergleicht, sollte darauf achten, dass die Konditionen mindestens für zwei Drittel der Kunden gelten“, sagt Vergleichsportal-Geschäftsführer Schröder. So werden Lockangebote mit extrem niedrigen Zinsen ausgeschlossen.
Dispo nur kurz nutzen
Eine Restschuldversicherung sichert die Kreditrückzahlung bei Arbeitslosigkeit, Berufsunfähigkeit und im Todesfall ab. „Doch der Schutz ist mit zusätzlichen Kosten verbunden, die nicht im Effektivzins ausgewiesen werden müssen“, sagt Hjördis Christiansen von der Verbraucherzentrale Hamburg. Verbraucher sollten deshalb genau prüfen, ob sie eine Restschuldversicherung wirklich benötigen. Günstiger ist zumeist eine separat abgeschlossene Risikolebensversicherung. Eine Pflicht zum Abschluss besteht aber nicht.
Nur in Ausnahmefällen sollte der auf den meisten Girokonten eingeräumte Dispositionskredit genutzt werden. „Er ist am teuersten und sollte möglichst nur kurze Zeit in Anspruch genommen werden“, sagt Hjördis Christiansen. Im Schnitt kostet der Dispositionskredit elf Prozent. Ratenkredite sind deutlich günstiger. „Nutzen Verbraucher ihren Dispo dauerhaft oder planen Anschaffungen, deren Höhe zwei Monatsgehälter übersteigt, so ist ein Ratenkredit meistens die bessere Alternative“, rät Arnd Schröder von TopTarif.