Hamburg. Scheitert der Verkauf, wird die Bank abgewickelt. Dann kämen hohe Belastungen auf die Partner zu. Was die Kunden wissen sollten.

Wenn eine Bank abgewickelt werden muss, sollen nicht die Steuerzahler, sondern vor allem die Anteilseigner und Gläubiger die Lasten tragen. Das ist einer der Grundsätze der europäischen Bankenunion und eine Konsequenz aus der Finanzkrise.

Im Fall der HSH Nordbank aber gehören zu den Gläubigern auch zahlreiche Kunden von Sparkassen. Die Privatanleger haben Branchenkreisen zufolge HSH-Anleihen im Volumen von sieben Milliarden Euro gekauft. Sollte die Privatisierung der Landesbank nicht bis zum Stichtag 28. Februar 2018 gelingen, verlangt die EU ihre Abwicklung, die Papiere könnten dann wertlos werden. Als die HSH kürzlich eine so genannte „Oster-Anleihe“ ausgab, warnte die Hamburger Verbraucherzentrale: „Die Schuldverschreibungen bergen schwer einschätzbare Risiken.“

Doch nicht nur Inhaber solcher Anleihen hätten ein Problem, wenn sich kein neuer Eigentümer für die Landesbank findet – mittelbar ginge das alle Sparkassenkunden an. „Das Schicksal der HSH Nordbank dürfte bei einem gescheiterten Verkauf große Auswirkungen auf den Sparkassensektor haben“, sagt Michael Kruse, wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP-Bürgerschaftsfraktion. Zunächst wären die zwölf schleswig-holsteinischen Sparkassen – an drei von ihnen ist die Haspa beteiligt – betroffen, denn ihr Verband ist Miteigner der HSH und haftet mit 500 Millionen Euro für deren Altschulden. Weil die Nord-Institute diese Last wohl nicht allein tragen könnten, müsste der bundesweite Sparkassenverband einspringen.

Auch die Haspa könnte betroffen sein

Dessen Sicherungseinrichtung, die nach Branchenschätzungen über etwa vier Milliarden Euro verfügt, stünde vor einer großen Herausforderung: Um ein Image-Debakel abzuwenden, müssten die Sparkassen ihren Kunden einen Schaden aus HSH-Anleihen ersetzen.

Zwar gibt es nach Angaben der HSH-Haupteigner Hamburg und Schleswig-Holstein eine Reihe von Interessenten für die Landesbank. Bei manchen Beobachtern weckt der Verkaufsprozess aber Erinnerungen an den der WestLB im Jahr 2010. Auch damals war anfangs von „belastbaren“ Kaufangeboten die Rede, auch damals hoffte man auf Chinesen – vergeblich. Die Abwicklung der WestLB läuft noch.

Was kaum jemand weiß: Sollte es zu einer Abwicklung der HSH kommen kommen, wäre auch die Haspa betroffen – ebenso wie wohl jede andere der 400 deutschen Sparkassen zwischen Flensburg und Kempten im Allgäu. Denn weder die eigene „Sicherungsreserve“ der sieben Landesbankkonzerne noch der regionale Unterstützungsfonds der zwölf im Verband SGVSH zusammengeschlossenen schleswig-holsteinischen Sparkassen, die mit 5,85 Prozent an der HSH beteiligt sind, dürften die Finanzkraft besitzen, die mit einer Abwicklung des Instituts verbundenen Belastungen auszuhalten.

„Das Schicksal der HSH Nordbank dürfte bei einem gescheiterten Verkauf große Auswirkungen auf den Sparkassensektor haben“, sagt Michael Kruse, wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP in der Bürgerschaft. „Sollte der Verkauf scheitern und eine Abwicklung eingeleitet werden, könnte dies das Geschäft aller deutschen Sparkassen belasten.“

Chinesen nicht mehr interessiert

Ende März war die Frist für die Abgabe zunächst unverbindlicher Kaufangebote abgelaufen. Zuvor hatte HSH-Chef Stefan Ermisch über ein lebhaftes Interesse unter anderem aus China gesprochen. Nun müssen die Länder entscheiden, mit welchen Bietern intensivere Verkaufsverhandlungen geführt werden. Ermisch hatte allerdings eingeräumt, angesichts der erheblichen Altlasten sei die Privatisierung „alles andere als ein Selbstläufer.“

Beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV) gibt man sich zu diesem Thema – kaum überraschend – betont gelassen. Man sehe „keine Grundlage für Spekulationen über die wirtschaftliche Situation der HSH und wirtschaftliche Konsequenzen für die Institute der deutschen Sparkassen-Finanzgruppe“, schrieb Verbandspräsident Georg Fahrenschon in einem vertraulichen Brief an alle Sparkassenchefs.

Den Anlass für die „Spekulationen“ hatte ein internes Papier der Bankenaufsichtsbehörde BaFin, über das die „Wirtschaftwoche“ im Februar berichtete, geliefert. Demnach heißt es in der mit dem Hinweis „Streng vertraulich“ versehenen Studie, im Fall einer Abwicklung der Landesbank sei „mit unmittelbaren und breiten Auswirkungen für Sparkassen in allen deutschen Verbänden und deren Kunden zu rechnen“.

Findet sich kein Käufer, folgt die Abwicklung

Die niedersächsische Landesregierung wird sogar noch deutlicher. Nach ihrer Einschätzung resultieren aus den gesetzlichen Abwicklungsregularien „nicht unerhebliche Risiken für die Sicherungssysteme der Sparkassen“, wie es im April in der Antwort auf eine Anfrage von FDP-Landtagsabgeordneten hieß. Der Umfang lasse sich aber von der Landesregierung nicht abschätzen.

Ungeachtet aller naturgemäß mit großen Unsicherheiten behafteten Prognosen zur Höhe des potenziellen Gesamtschadens ist eines klar: Sollte sich kein Käufer finden, der die HSH zu EU-konformen Konditionen übernimmt, darf sie kein Neugeschäft mehr machen – und damit würde die Eigenkapitalquote voraussichtlich bald unter die behördlichen Vorgaben fallen, eine Auffanglösung müsste her. Wäre die HSH eine private Bank, müssten zuerst die Anteilseigner einspringen. Haupteigner sind aber die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein. Weil in Deutschland seit Januar 2015 eine neue Richtlinie der EU zur Abwicklung von Banken gilt, ergibt sich daraus ein Pro­blem. In einer Studie zum Haftungsverbund der Sparkassen-Finanzgruppe erklärt die Rating-Agentur Moody’s den Grund dafür: „Die EU-Abwicklungsrichtlinie zielt darauf ab, aus Steuergeldern finanzierte Finanzhilfen zu vermeiden, wie sie mehreren Landesbanken im Zuge der Bankenkrise 2008 von den Bundesländern (als Miteigentümern) und dem Bund zugutekamen.“ Daraus resultiere eine nunmehr größere Verantwortung des Haftungsverbunds der Sparkassen.

Für Stützungsaktionen innerhalb dieses Verbunds gilt ein mehrstufiges Verfahren. Geriete eine Landesbank in eine Schieflage, müsste zunächst die Sicherungsreserve dieser Institutsgruppe einspringen. Dem Vernehmen nach enthält dieser Topf aber lediglich rund eine Milliarde Euro. Ist diese Reserve ausgeschöpft, sind die Sparkassen gefragt. Im Fall der HSH Nordbank wäre in der nächsten Stufe der schleswig-holsteinische Verband SGVSH am Zug. Er muss im Rahmen der sogenannten Gewährträgerhaftung aktuell noch für HSH-Altschulden im Umfang von rund 500 Millionen Euro geradestehen. Käme es bei einer Abwicklung der Landesbank hier zu Ausfällen, müssten die SGVSH-Mitglieder zahlen. Indirekt kommt dadurch auch die Haspa ins Spiel, denn sie ist an drei der zwölf Sparkassen des nördlichen Nachbarlandes beteiligt.

Rücklagen der Sparkassen sind geheim

Schon deshalb sieht man die Angelegenheit bei der Haspa nach Abendblatt-Informationen nicht ganz so gelassen wie DSGV-Präsident Fahrenschon. Das Risiko für die größte deutsche Sparkasse ist aber überschaubar: Über einen kleinen einstelligen Millionenbetrag dürfte die Belastung der Haspa aus dieser Richtung nicht hinausgehen. Unklar ist aber, ob die schleswig-holsteinischen Sparkassen die 500 Millionen Euro, sollten sie fällig werden, allein tragen könnten. „Dies ist schwer einzuschätzen“, sagte Monika Heinold (Grüne), Finanzministerin des Landes, im Abendblatt-Interview. Der SGVSH selbst äußert sich dazu auf Anfrage ähnlich abwiegelnd wie Fahrenschon: „Wir sehen keinen Anlass für die Annahme, dass die HSH Nordbank ein Fall für die Sicherungseinrichtung wird.“

Aber nach Auffassung von Tobias Koch, dem finanzpolitischen Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, ist das Risiko „viel zu groß, um von den Sparkassen in Schleswig-Holstein allein bewältigt werden zu können.“ Als im Jahr 2010 die Nord-Ostsee Sparkasse in Flensburg wegen fauler Kredite von rund 120 Millionen Euro in Not geriet, reichte der regionale Stützungsfonds jedenfalls nicht aus, der DSGV musste mit einspringen.

Sollte die HSH Nordbank ins Wanken geraten, wäre das wohl auch so – und der Haftungsverbund der öffentlichen Banken stünde vor seiner größten Bewährungsprobe. Dabei ist der DSGV auf die bisherige Bilanz sehr stolz: „Seit der Gründung des Sicherungssystems in den 1970er-Jahren ist es bei keinem Mitgliedsinstitut zu einer Leistungsstörung gekommen“, vermerkt der Verband. Kein Kunde habe Einlagen oder darauf fällige Zinsen verloren.

Ob das so bliebe, wenn es um die HSH ginge? Über die aktuelle Finanzausstattung des Sicherungsverbunds hüllt sich der DSGV in Schweigen, Berichten zufolge sollen insgesamt etwa drei bis vier Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Doch wurden, wie es in der Branche heißt, Schuldverschreibungen der HSH Nordbank im Volumen von sieben Milliarden Euro über die Sparkassen an deren Kunden verkauft. Sollte die Landesbank diese vergleichsweise attraktiv verzinsten Papiere nicht mehr bedienen können, würde das Image der Sparkassen leiden – die Haspa musste am Beispiel des Ausfalls der Lehman-Brothers-Zertifikate im Jahr 2008 bereits einmal diese Erfahrung machen. Wie damals die Haspa würde der Verband seinen Kunden wohl wenigstens einen Teil des Schadens ersetzen.

Muss die NordLB doch die HSH kaufen?

Zwar ist der DSGV nicht automatisch verpflichtet, der HSH im Krisenfall beizustehen: Die Verbandsmitglieder müssen das mit einer Mehrheit von 75 Prozent beschließen. „Ich sehe aber praktisch keine Möglichkeit, die Hilfe abzulehnen, schon aus Imagegründen“, sagt Martin Faust, Professor für Bankbetriebslehre an der Frankfurt School of Finance and Management. Er verweist darauf, dass die Sparkassenorganisation schon einmal, angesichts des Zusammenbruchs der WestLB während der Finanzkrise 2008/2009, mit Problemen bei einer Landesbank konfrontiert war. Nur hätten damals das Land Nordrhein-Westfalen und die dortigen Sparkassen den weitaus größten Teil der unmittelbaren Lasten übernommen.

Trotz aller Unsicherheiten, wie es mit der HSH Nordbank weitergeht, hatte die Kieler Finanzministerin Heinold im Abendblatt-Interview eine bemerkenswert klare Antwort auf die Frage, ob man sich nun Sorgen um das Konto bei einer Sparkasse machen müsse: „Nein.“ Tatsächlich könnte es sein, dass die Verbundpartner gar nicht unmittelbar eingreifen müssen, selbst wenn sich kein privater Käufer für die Landesbank findet. So vermutet der FDP-Politiker Kruse: „Der Hamburger Senat und die Landesregierung Schleswig-Holstein spielen beim Verkauf der HSH Nordbank auf Zeit. Sie versuchen, ein Zeitfenster für eine politische Lösung zu eröffnen, für den Fall, dass der angestoßene Verkaufsprozess nicht zum Erfolg führt.“ Dieses Zeitfenster liege nach der Bundestagswahl im September. Etliche Beobachter vermuten, die „politische Lösung“ könne in einer Fusion mit der NordLB aus Hannover bestehen. „Das wäre die eleganteste Möglichkeit, aber dabei gäbe es wahrscheinlich Probleme mit Brüssel, denn man müsste der NordLB noch staatliches Geld mitgeben“, sagt Branchenexperte Faust.

Zwar beharrt die NordLB darauf, an einer solchen Lösung nicht interessiert zu sein, politischem Druck könnte man sich aber kaum widersetzen. „Auch der Sparkassenverband selbst kommt natürlich als mittelbarer Käufer der HSH Nordbank in Betracht“, so Kruse. Eine „Privatisierung“, von der Ermisch gesprochen hatte, wäre das freilich nicht.

Wie auch immer die Zukunft der Landesbank aussieht, eines ist sehr wahrscheinlich: Auf die Steuerzahler werden weitere Lasten zukommen. Vor diesem Hintergrund könnten die Politiker eher zu einer Abwicklung der HSH als zu einem Verkauf mit sofort auszuweisendem Verlust neigen, meint Faust: „Werden die Belastungen über viele Jahre gestreckt, kann man dem Wähler suggerieren: So viel Geld ist das ja gar nicht.“ Bei der WestLB hatte man sich für diesen Weg entschieden, nachdem trotz anfänglich mehrerer Interessenten kein Käufer gefunden wurde. Erst weit im nächsten Jahrzehnt wird ein Schlussstrich unter die Rechnung für die Steuerzahler gezogen. Laut neuester Schätzung dürfte dort eine Zahl von 18 Milliarden Euro stehen.