Hamburg. Das Plateau zwischen Galerie der Gegenwart und Kunsthalle wird zur Partyfläche. Das wirkt sich nun auch auf den Etat des Museums aus.
Frisch renoviert steht die Hamburger Kunsthalle bestens da, sie wird 2017 fast 400.000 Besucher haben. Alles prima also? Nicht ganz, denn jetzt ist ein finanzielles Defizit aufgetaucht: Es fehlen 673.000 Euro. Der Grund sei, dass die Zahlen aus dem Jahr 2013 vor den Renovierungen als Berechnungsgrundlage für den Haushalt 2017 genommen wurden, sagt deren neuer kaufmännischer Geschäftsführer Norbert Kölle und ergänzt: „Unser Aufwand für Bewachung ist von 1,2 auf 1,8 Millionen Euro gestiegen.“ Der zweite große Posten sei die Reinigung, die statt 200.000 jährlich jetzt 400.000 Euro kostet. Einer der Hauptgründe dafür liegt vor der Tür: Das Plateau zwischen Galerie der Gegenwart und Kunsthalle ist zur Partyfläche geworden. „Wir sehen daran das Positive“, betont Kölle. „aber wir überlegen auch, wie sich der Stadtteil mit diesem neuen Treffpunkt entwickeln lässt. Ich würde mir eine städtische Lösung wünschen.“ Zurück bleibt viel Müll, der teuer beseitigt werden muss. Bislang auf Kosten des Museums.
Hinzu kommt, dass Kölles Vorgänger Stefan Brandt nach der glamourösen Wiedereröffnung 2016 für 2017 eine Million Euro an Spenden prognostizierte. Eine zu optimistische Annahme, wie sich herausstellte, die Spenden fielen geringer aus. Kompensiert wurde das unter anderem durch die Erhöhung der Eintrittsgelder von zwölf auf nun 14 Euro. Dieser Preis galt bis zum 1. Oktober nur am Wochenende. Das sei „ein probates Mittel, höhere Einnahmen zu generieren, wenn es in einem vernünftigen Rahmen bleibt“, sagt Kultursenator Carsten Brosda. Wenn sich Einnahme-Prognosen nicht realisierten, gebe es mehrere Möglichkeiten: „Das kann mal der Rückgriff auf Rücklagen sein, das können aber auch eine Reduktion der Kosten, erhöhte Einnahmen, eine einmalige Erhöhung des Zuschusses oder aber verstärkte Anstrengungen in der Akquise sein.“ Jedes Jahr sieht sich die Kulturbehörde aufs Neue an, „ob die Kultureinrichtungen klarkommen. Wenn sich abzeichnet, dass das nicht gelingt, helfen wir.“
Kunsthalle hat im Vergleich viel Luft nach oben
Für Norbert Kölle ist die Hamburger Kunsthalle der „Louvre des Nordens“. Das Heil sieht er nicht in teuren Sonderausstellungen, sondern darin, die Sammlung bekannter zu machen. „Unser Defizit liegt in der Kommunikation auf internationaler Ebene. Das wollen wir jetzt offensiv angehen.“ Viel mehr internationale Medien will er erreichen, viel präsenter auf internationalen Fachmessen werden.
Die Werbung ist für fast alle Häuser ein wunder Punkt: Die Deichtorhallen etwa, die seit 28 Jahren nur rund zwei Millionen Euro Zuwendungen bekommen, „können fast nirgends Werbung schalten, weil das Geld fehlt“, so Direktor Dirk Luckow. Mit seinem Etat streckt sich das 23-Personen-Team extrem zur Decke. Und auch das private Engagement sei begrenzt: „Das sollte man nicht überreizen. Unsere Partner wollen irgendwann sehen, dass die öffentliche Hand auch ihren Teil beiträgt“, sagt Luckow.
Der Louvre hat eine Dependance in Abu Dhabi eröffnet, die Fondation Louis Vuitton zeigt in Paris Bilder aus dem Museum of Modern Art – nur zwei von zahlreichen Beispielen dafür, dass die Konkurrenz nicht schläft, die Szene sich wandelt. „In diesem Reigen sollte eine Stadt wie Hamburg mitspielen. Aber da spürt man die Kluft“, so der Direktor. Finanziell und inhaltlich sei im internationalen Vergleich viel Luft nach oben: „Wir haben bisher beispielsweise keine Chance, Ausstellungen aus dem Mittleren Osten oder der asiatischen Welt zu machen. Das schränkt uns ein, wenn es um hochaktuelle Themen geht. Für solche Projekte findet man keine Förderer.“ Ohne privates Geld oder Drittmittel, etwa von Stiftungen, gäbe es in allen Kunsthäusern viel weniger Ausstellungen. Der Ausstellungsfonds der Kulturbehörde ist mit 2,625 Millionen Euro übersichtlich. „Mehr ginge natürlich immer“, sagt Senator Brosda dazu. Ihm sei „klar, dass wir auch auf der Suche sein müssen nach weiteren Möglichkeiten, um spannende Projekte an den Häusern umzusetzen“.
"Beim Geld hakt es ständig“
Sabine Schulze, Direktorin am Museum für Kunst und Gewerbe (MKG), hatte seit 2007 viele hochgelobte, gesellschaftlich relevante Ausstellungen im Haus. Und ihr gelang das Kunststück, fast die ganze Sammlung mit privaten Mitteln neu einzurichten und sogar ein neues Depot über Drittmittel zu finanzieren. Jetzt aber hat sie ihren Vertrag gekündigt. Auch sie hat bereits zweimal den Eintritt erhöht, zuletzt von zehn auf zwölf Euro, um Kostensteigerungen aufzufangen: „Ich finde das schade, denn ich möchte das Haus für alle öffnen und mache ein niedrigschwelliges Programm.“
Zehn Stellen wurden am MKG abgebaut, von fünf Restauratoren sind noch zwei da. „Wir brauchen mehr Geld für Aktivitäten, die nach außen wirken. Wenn wir mehr Mittel für Ausstellungen, Symposien und Publikationen hätten – das wäre ein völlig anderes Arbeiten!“ Als ihre Ausstellung „Game Masters“ nur 70.000 statt der erwarteten 90.000 Besucher hatte, überschattete das Finanzloch das restliche Jahr. „Ich arbeite hier sehr gern. Aber beim Geld hakt es ständig.“ Senator Brosda bedauert ihren Weggang sehr. Bei der Suche nach Nachfolgern stellt er fest, „dass das Haus nicht zuletzt durch die großartige Arbeit von Sabine Schulze eine ausgesprochen hohe Attraktivität hat“.
Die größte Baustelle hat Barbara Plankensteiner mit dem Völkerkundemuseum: „Hier gibt es viel Handlungs- und Investitionsbedarf, um das Haus für einen zeitgemäßen Museumsbetrieb fit zu machen“, sagt die Direktorin. Es fehlen barrierefreie Zugänge, eine Gastronomie, die nach außen geöffnet ist, ein attraktiver Shop und zeitgemäß ausgestattete Ausstellungsflächen. „Das Museum braucht auch höhere Zuwendungen. Wir sind in guten Gesprächen mit der Kulturbehörde, und ich habe den Eindruck, dass dort das Bewusstsein dafür vorhanden ist. Mit dieser Aussicht bin ich ja auch angetreten.“ Das Haus habe international einen sehr guten Ruf aus den 1980er- und 1990er-Jahren, doch „in den letzten 20 Jahren musste sehr gespart werden.“
Attraktivität der Museumslandschaft steigern
Durch die Eröffnung der Elbphilharmonie, die tatsächlich ein kultureller Leuchtturm geworden ist, hat sich für die Museen eine historische Chance ergeben, am positiven Image der neuen Kulturmetropole des Nordens mitzustricken. Das hat auch Kultursenator Brosda erkannt: „Ein Leuchtturm funktioniert, wenn er Aufmerksamkeit anzieht und Orientierung gibt – und das möglichst umfassend. Ohne seine Umgebung ist ein Leuchtturm nichts.“ Und zur Umgebung gehöre „ganz wesentlich“ die Museumslandschaft.
Carsten Brosda ist sich der großen Aufgabe bewusst, die Attraktivität der Museumslandschaft weiter zu steigern: „Wir stärken sie kontinuierlich – etwa durch Umbauten, die Modernisierung der Dauerausstellungen, durch attraktive Sonderausstellungen und natürlich auch durch gänzlich neue Impulse wie das Deutsche Hafenmuseum. Es ist eine dauerhafte Aufgabe, die gesellschaftliche Relevanz der Häuser zu erhöhen.“