Hamburg. Angeln gilt als Männerdomäne. Doch auf der Elbe zeigt Najwa Hussein Anglern, wo sie die dicksten Fische fangen können.

Es dauert keine zehn Minuten, und Najwa Hussein ist voll in ihrem Element. Der erste Biss, der erste Fisch - der Angeltag auf dem 80-PS-Boot „Crocodile“ kann losgehen. Und dies mitten im Hamburger Hafen, die berühmte Kulisse mit der Elbphilharmonie und dem Michel im Rücken. „Jeden Tag werden die Karten neu gemischt. Und ich liebe den Biss“, umschreibt Hussein, von allen nur „Natsch“ genannt, was für sie die Faszination des Angelns ausmacht.

Die 38-Jährige ist „der einzige weibliche Angel-Guide in Deutschland“, wie sie erzählt. „Ich kenne jedenfalls keine andere.“ Und „Natsch“ fühlt sich in der Männerdomäne Angeln pudelwohl. Am Anfang sei es für viele ein komisches Gefühl gewesen, mit einer Frau auf die Jagd nach Zander, Hecht, Barsch und Co. zu gehen. „Da waren ein paar Chauvis dabei“, sagt sie.

Eine Gruppe habe ihr die besten Plätze zeigen wollen. Da aber biss nichts an. Anschließend habe sie die „Chauvi-Gruppe“ zu den Raubfischen geführt. „Nachher hatten sie die Klappe zu“, erzählt „Natsch“.

Immer häufiger sind Frauen sind an Bord

Einmal sei ein Mann geradezu perplex gewesen, dass sie einen Fisch getötet und ausgenommen habe. Stammgast Oliver Röpcke (36) kann darüber nur den Kopf schütteln. Er ist seit rund fünf Jahren regelmäßig mit „Natsch“ oder ihrem „Pro Guiding“-Partner Andreas Panten auf der Elbe unterwegs. Für „Natsch“ ist klar: „Angeln ist auch ein Frauensport.“ Deshalb freue sie sich, dass sie immer öfter auch weibliche Gäste an Bord habe.

Wenn sie mit ihren Kunden - neben ihr passen noch vier Petrijünger aufs Boot - über die Elbe von Angelplatz zu Angelplatz braust, kann auch die ins Gesicht spritzende Gischt ihre Laune nicht trüben. Los geht’s immer in der Früh, an diesem Herbstmorgen passt einfach alles. Die Sonne scheint, kein Lüftchen weht. Angekommen am ersten Angelplatz, direkt neben einer dröhnenden Industrieanlage, hat „Natsch“ eine Hand am Steuer, eine an der Rute und den Blick fest aufs Echolot gerichtet.

„Da sind einige Fische, legen wir los“, sagt die 38-Jährige, die im Hauptberuf in einer Werbeagentur als Grafikerin arbeitet. „Ruhige Führung, den Gummifisch etwa zehn Zentimeter über dem Grund anbieten“, erklärt sie Mark (36), der vom Bodensee an die Elbe gekommen ist. „Der Zander soll da nur reinschwimmen. Maul auf und rein damit.“ Kurz danach fängt Mark direkt unter dem Boot den ersten Zander von 55 Zentimeter Länge. Die beiden klatschen sich ab, weiter geht’s. Am Ende landen mehr als zehn Zander im Boot.

Angeln ist als Lifestyle in Mode gekommen

Quasi wie immer, seit Panten und Hussein vor acht Jahren mit professionellen Angeltouren im Hafen begonnen haben. Ein Geheimnis ihres Erfolgs? Sie hätten den Vorteil, dass sie zu zweit unterwegs seien. Ständig telefonieren die beiden von „Chameleon“, so der Name von Pantens Boot, zu „Crocodile“. An welchen Stellen beißen die Fische? Welche Köder funktionieren? In welchen Tiefen rauben die Fische? „Wir verstehen uns blind“, sagt Panten.

Heute gibt es allein in Hamburg laut der Obersten Fischereibehörde zwölf Unternehmen, die professionelle Guidings anbieten. „Teilweise ist Angeln als Lifestyle in Mode gekommen“, sagt Robert Arlinghaus, der sich als einziger Professor in Deutschland aufs Angeln an Binnengewässern spezialisiert hat. Angeln sei kein „Alte-Herren-Opa-Ding“ mehr, so der Wissenschaftler von der Humboldt-Universität in Berlin. Rund 3,8 Millionen Menschen nehmen in Deutschland nach seinen Angaben mindestens einmal im Jahr eine Angel in die Hand, rund 1,6 Millionen haben einen Fischereischein.

Harte Daten gibt es dazu nicht - doch der Anteil der Frauen steige gefühlt an, sagt Arlinghaus. Auch in den sozialen Medien sehe man zunehmend Frauen beim Angeln. Und eine der bekanntesteten unter ihnen ist „Natsch“ auf ihrem grünen „Crocodile“.