Moisburg/Winsen . Traditionelle Fischsorten aus der Region erleben ein Comeback. Elbfischer und Züchter haben Schwierigkeiten, die Nachfrage zu decken.

Lautlos gleitet der Kescher ins Wasser. Kurz darauf zieht Fischmeister Marco Neumann einen dicken Fisch aus dem Becken. „Das ist ein Maschseekarpfen. Der bringt locker zwölf Kilo auf die Waage“, sagt der Mann in der Wathose. Er packt das fast einen Meter lange Prachtexemplar, mustert den makellosen Fisch. Dann lässt er ihn zurück ins Wasser gleiten.

Naturnah erzeugte Fische aus der Region sind Trend. Davon profitiert der Karpfen in besonderem Maße. Jahrelang als „Alte-Leute-Fisch“ verpönt und bestenfalls zu Weihnachten auf Familienfeiern geduldet erlebt der schmackhafte Speisefisch gerade eine Renaissance: Innerhalb eines Jahres konnte Neumann den Absatz seines naturnah erzeugten Karpfens von 17 auf 32 Tonnen nahezu verdoppeln.

„Wir hätten locker das Dreifache verkaufen können“, erzählt der Fischer. Doch das gaben seine Teiche nicht her. Weil die Nachfrage größer ist als die Menge, die er erzeugen kann, habe er nur noch seine Stammkunden bedient – vor allem namhafte Fischhändler in Hamburg und im Umland südlich der Elbe. Die Elbfischer spüren den Trend zur Regionalität ebenfalls. Stint, Aale und Zander sind bei ihnen gefragt.

Die Ware geht von Bord in den Direktverkauf. Oder landet – verarbeitet zu feinen Filets – vor allem auf den Tellern von Gasthäusern in der Metropolregion. Aber auch für die Elbfischer gilt: Die Mengen sind begrenzt. Das Angebot hält mit der wachsenden Nachfrage nicht Schritt.

Wilhelm Grube (rechts) und sein Sohn beim Aale fischeElbfischer Wilhelm Grube (r.) mit Sohn Per beim Stintfischen
Wilhelm Grube (rechts) und sein Sohn beim Aale fischeElbfischer Wilhelm Grube (r.) mit Sohn Per beim Stintfischen © Wilhelm Grube | Wilhelm Grube

Elbfischer Olaf Jensen (59) fährt täglich von Finkenwerder aus mit dem Boot zum Fischen raus auf die Elbe. „Der Zander ist noch okay. Aber Stint aus der Elbe gibt es dieses Jahr sehr wenig. Und die Aalbestände erholen sich nur sehr langsam.“ Er lebt vor allem von der Direktvermarktung. Sonnabends verkauft er im Finkenwerder Hafen Räucheraal, sonntagfrüh steht er auf dem Hamburger Fischmarkt. Ausgewählte Restaurants versorgt er ebenfalls mit frischem Elbfisch – wie das „Storchennest“ in Finkenwerder.

Greenpeace empfiehlt den Verzehr von Karpfen

„Der Markt will regional erzeugte Lebensmittel“, sagt Fischzüchter Neumann. Seit Greenpeace den neuen Fischratgeber veröffentlicht hat, sei der regional erzeugte Karpfen wieder „sowas von im Rennen.“ Nach Erkenntnissen der Naturschützer ist der Karpfen der einzige heimische Süßwasserspeisefisch überhaupt, der in jeder Hinsicht bedenkenlos verzehrt werden kann.

Die Überfischung der Meere und intensiv gezüchtete Massenware führen dazu, dass Verbraucher nach Alternativen suchen. „Gefragt sind klassische, naturnah aufgezogene, frische Speisefische, die in Vergessenheit geraten sind“, sagt Naumann. Wie die Schleie. „Jahrelang war sie vom Speiseplan verschwunden, jetzt ist sie wieder da. Auch Hecht und Barsch aus der Region sind wieder gefragt.“

TV-Köche sorgen dafür, dass sich heutzutage auch jüngere Leute wieder an die Zubereitung der schmackhaften Speisefische herantrauen. „Die Fernsehköche zeigen einfache, moderne Rezepte für klassische Fische. Zum Beispiel Schleie in Alufolie im Backofen garen. Kein Problem. Das kriegt jeder hin“, sagt Neumann.

Dass die Qualität eines naturnah erzeugten Süßwasserfisches besser ist, als eines Zuchtfisches aus Massentierhaltung in der Nordsee oder aus Osteuropa liegt auf der Hand. Kurze Transportwege garantieren Frische, der Verzicht auf Mastfutter wirkt sich positiv aus. „Der Fisch, der im See groß wird, und sich von natürlichem Plankton und Weizen ernährt, schmeckt feiner. Er ist nicht so verfettet wie ein Fisch, der im belasteten Wasser schwimmt“, sagt Neumann, der einen Teil seiner Ware über den Hamburger Fischgroßhändler Hagenah vertreibt.

„Es gibt natürlich Leute, die kaufen alles billig. Was gerade am Markt ist“, sagt Marc-André Eggers, Betriebsleiter von Hagenah. „Und es gibt solche, für die spielt zunehmend die Region eine Rolle spielt. Wo kommt der Fisch her? Wie ist er gewachsen? Wie wurde er gefüttert? Die greifen zum Beispiel bei Forellen aus dem Heideland und bei Heidekarpfen zu.“

© HA | Jörg Riefenstahl

Die Y-Gräte des Karpfens wird bereits beim Filettieren mit dem Steaker zerkleinert. Damit entfällt das lästige Grätenpulen bei Tisch. „Die zerkleinerte Gräte kann problemlos mitgegessen werden. Damit wird der Karpfen natürlich attraktiver“, sagt der Fischhändler, zu dessen Kunden die Gastronomie, Andronaco-Lebensmitteläden und namhafte Hotels und Privatkunden im Hamburger Raum gehören. Neben Schleien, die erst nach und nach wieder an den Markt kommen, sind vor allem Stinte und Zander gefragt. „Stinte verkaufen wir ziemlich viel“, sagt Eggers. Zehn Tonnen habe er voriges Jahr an den Mann gebracht.

Umwelteinflüsse machen Elbfischen das Leben schwer

Die drei verbliebenen Fischer an der Unterelbe haben allerdings zunehmend Probleme, die Mengen zu fischen, die sie verkaufen könnten. Einer von ihnen ist Wilhelm Grube (62), der das Restaurant „Grubes Fischhütte“ am Hoopter Elbdeich führt. In guten Jahren habe er 20 Tonnen Stint im Jahr aus der Elbe gefischt, voriges Jahr waren es noch 15 Tonnen, dieses Jahr gerade mal sieben. „Die Nachfrage ist nicht mehr zu decken“, sagt Grube. Saugbagger und das Kraftwerk Moorburg setzten dem Fluss zu.

„Bagger durchpflügen täglich den Elbgrund. Dabei gehen viele Aale hopps“, sagt der Fischer. In den Wassermassen, die Moorburg zur Kühlung aus der Elbe pumpe, hätten Stintlarven keine Überlebenschance. Für den Großhandel – wie den Handelshof Harburg und Lüneburg – bleibe da selten etwas übrig. Durch Zukäufe aus Osteuropa versuchten Hamburger Fischgroßhändler, die Nachfrage zu decken. Grubes Karpfen kommt aus eigenen Gewässern, einen Teil kauft er in Sachsen zu.

In seinem Lokal mit 400 Plätzen bietet er Karpfen als Filet an – grätenfrei, mariniert, paniert und gebraten. „Da warten die Leute drauf“, sagt er. Der Stint wird ausgenommen, gesalzen, in Roggenmehl gewendet und in Öl und Speck knusprig ausgebraten. „Das läuft. Da fahren die Leute drauf ab“, sagt Grube. Dazu gibt es Bratkartoffeln und frische Salate – die ebenfalls aus der Region stammen.

Bei Fischzüchter Neumann laufen gerade die ersten Vorbereitungen zum Abfischfest in Appelbeck (siehe Kasten). Um seinen Fisch in der Region auch dauerhaft noch besser zu vermarkten, plant er Großes: Anfang Dezember eröffnt er in Rade in der Soltauer Straße „Neumann’s Fischbistro“ – mit Frisch- und Räucherfischverkauf. Und einem eigenen Fischkoch.

Abfischfest

Zum zehnten Mal findet in Appelbeck am See ein großes Abfischfest statt.Vor dem Restaurant am See werden am Sonntag, 29. Oktober (11 bis 17 Uhr) rund 4000 Gäste erwartet.

5000 Kilo Karpfen, Schleien, Hechte, Graskarpfen, Zander, Barsche und Weißfische werden gefangen und sortiert. Ein Teil kommt direkt in den Verkauf. Ebenso Forellen, Lachsforellen, Saiblinge, Aale, Hechte und Störe aus Neumanns Teichwirtschaft.

Kinder können Ponyreiten (kostenlos). Lagerfeuer, Kunsthandwerker, die Jagdhornbläser Estetal und die Oldtimer-Traktorenfreunde aus Moisburg sowie Landwirte aus der Region sind ebenfalls mit dabei.