Hamburg. Baugrund instabil, zu wenig Ingenieure – das wichtigste Autobahnprojekt verzögert sich um Monate. Auffahrt Schnelsen bleibt gesperrt.

Wie weit ist eigentlich der Bau der ersten Tunnelröhre in Schnelsen? Verspätet sich jetzt auch die Freigabe der Auffahrt dort? Müssen die Baufirmen eine Vertragsstrafe zahlen, wenn sie den Fertigstellungstermin nicht halten können? Die jetzt bekannt gewordene Verzögerung beim A-7-Lärmschutzdeckel in Schnelsen wirft einige Frage auf.

Wann rollt der Verkehr durch die erste fertige Tunnelröhre?

Die erste der beiden Tunnelröhren in Schnelsen ist im Rohbau fertig. Allerdings steht dort mehr oder weniger nur eine gigantische Betonhülle. Beleuchtung und Sicherheitstechnik werden noch eingebaut und sollen auch mit Blick auf die anderen beiden geplanten Tunnelabschnitte erst hier getestet werden – was eben auch zu der Verzögerung geführt haben soll. Ursprünglich sollte der Verkehr Ende dieses Jahres durch diese Weströhre fließen, nun ist es wohl erst im 2. Quartal 2018 möglich. Und erst dann könne ein genaues Enddatum für die Fertigstellung des gesamten Tunnelbauwerks genannt werden, hieß es.

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Verzögert sich auch die Freigabe der Autobahnauffahrt Schnelsen?

Ja. Die Anschlussstelle Schnelsen Richtung Süden zählt der Betreibergesellschaft zufolge mit zum Tunnelbauwerk, weil sie so dicht daran liegt. Die Freigabe könne daher auch erst mit der Gesamtfertigstellung erfolgen.

Werden nun Vertragsstrafen fällig und wenn ja, wie hoch sind sie ?

Laut Vertrag sollte der komplette A-7-Bauabschnitt vom Dreieck Nordwest bis zum Dreieck Bordesholm Ende 2018 fertig sein. Jeder Tag Verzögerung kostet eine Vertragsstrafe von 55.000 Euro, hieß es bei der Betreiberfirma Via Solutions. Allerdings nur, wenn die Verzögerungen durch die Baufirmen verantwortet werden. Die nachträgliche Sicherheitstechnik im Tunnel wurde von der staatlichen Bundesplanungsgesellschaft Deges aber später bestellt. Hier dürfte keine Strafe fällig werden. Von wem aber Lieferengpässe beim Baumaterial oder eine falsche Einschätzung des Baugrunds verantwortet werden, dürfte nun die Juristen beschäftigen. „Das wird jetzt zu klären sein“, hieß es bei der Deges.

Verkehrsstaatsrat
Andreas Rieckhof
Verkehrsstaatsrat Andreas Rieckhof © HA | Klaus Bodig

War die Verzögerung nicht schon länger absehbar?

Zumindest der komplizierte Baugrund mit Torflinsen und auch die Lieferengpässe bei Bauteilen sind schon länger bekannt. 2016, zwei Jahre nach Baustart, hieß es dennoch, dass man den Terminplan des Gesamtprojekts einhalten werde. Damals zeichnete sich aber ebenfalls ab, dass es wegen des Baubooms in Deutschland schwierig ist, Planungs­büros mit freien Kapazitäten zu bekommen. Und auch das wird nun als Grund für die Verzögerung angeführt.

Gibt es Auswirkungen auf die anderen neuen A-7-Tunnel in Hamburg?

Mit dem Ausbau der vor 50 Jahren gebauten Autobahn von sechs auf acht Spuren in Hamburg werden auch in Stellingen und Altona Lärmschutz­deckel entstehen. In Stellingen hat der Bau begonnen, beide Röhren dort sollen 2020 fertig sein. Für Altona läuft noch das Planverfahren, geplant ist ein Baubeginn 2020. 2026 soll dann alles fertig sein. Der Tunnel in Schnelsen ist daher so etwas wie ein Pilotprojekt. Die Erfahrungen dort könnten helfen, Verzögerungen bei den anderen Bauwerken verhindern, hofft die Deges.

Was sagt der Senat eigentlich zu der Verzögerung?

Der Senat verhält sich relativ zurückhaltend und wollte auf die Erklärung der beteiligten Firmen nicht näher eingehen. „Wir haben die Ankündigung zur Kenntnis genommen“, sagte Verkehrsstaatsrat Andreas Rieckhof auf Anfrage des Abendblatts. Daraufhin habe man umgehend den Vertragspartner Deges aufgefordert, alle Maßnahmen zu prüfen, die einer Beschleunigung der Baumaßnahme dienen. „Wichtig ist uns zudem, dass alle Anlagen, die für den sicheren Betrieb des Tunnels notwendig sind, zwar schnell, aber mit großer Sorgfalt errichtet werden“, so Rieckhof. Die Integration in den laufenden Betrieb der Elbtunnel-Leitzentrale müsse zuverlässig gewährleistet sein. Rieckhof: „Man muss aber auch anerkennen, dass die Verbreiterung der A­ 7 auf rund 95 Prozent der Strecke im vorgegebenen Zeitrahmen realisiert werden wird. Trotz der Verzögerungen in Schnelsen werden die Anwohner vom zweiten Quartal 2018 an nach der Freigabe der ersten Tunnelröhre vom Straßenlärm der Autobahn verschont sein.“

Wie finanziert sich das ÖPP-Projekt?

Den Zuschlag für den Bau und Betrieb der von vier auf sechs Spuren verbreiterten A 7 zwischen Bordesholm und dem Dreieck Nordwest samt Schnelsener Tunnel hat im Juni 2014 die Projektgesellschaft Via Solutions Nord erhalten. Der Baukonzern Hochtief und das mittelständische Unternehmen Kemna Bau aus Pinneberg sind daran beteiligt. Das eigentliche Bauprojekt kostet rund 600 Millionen Euro, davon zahlt der Staat je nach Baufortschritt als Anschubfinanzierung etwa die Hälfte. Die andere Hälfte kommt von Investoren, unter anderem von einer Versicherung. Für den Betrieb bis 2044 erhält Via Solutions eine jährliche Vergütung, die sich nach der Verfügbarkeit richtet. Ist die Straße kaputt, gibt’s weniger Geld. In den öffentlichen Haushalten sind für das Gesamtpaket laut Deges rund 1,6 Milliarden Euro eingeplant. Öffentlich-Private-Partnerschaft (ÖPP) nennt sich ein solches Verfahren, bei dem der Staat die Finanzierungskosten quasi streckt.

Wer baut in Altona und Stellingen?

Der weitere Autobahnausbau und die beiden Deckel in Stellingen und Altona werden laut Deges nach dem herkömmlichen Verfahren gebaut und finanziert. Hier baut der Staat also wieder allein – ganz ohne ÖPP.