Hamburg. ... und welche Fragen er beantworten musste. Machen Sie hier den Einbürgerungstest, den der Mann mit dem Puschelmikrofon bestand.
Alle wollten zu Olaf Scholz, Hände schütteln und ein Foto mit ihm machen. Hamburgs Erster Bürgermeister stand im Kaisersaal des Rathauses wie ein Staatsoberhaupt. Am Freitagnachmittag hat Scholz mehr als 550 Hamburger im Rahmen eines Festaktes eingebürgert. Sie sind nun deutsche Staatsbürger. Unter den neuen Deutschen ist auch ein Mann, der mit seinem französischen Akzent bekannt wurde: der Kabarettist Alfons. Ja, der mit der Jacke und dem Puschelmikrofon. Der Bürgermeister gratulierte, Alfons revanchierte sich mit einer Flasche Bordeaux. „Einbürgerung ist ein Weg, den Zusammenhalt in Deutschland zu stärken. Und sich einbürgern zu lassen ein Vertrauensbeweis“, sagte Scholz.
Machen Sie hier den Einbürgerungstest
Alfons alias Emmanuel Peterfalvi, geboren 1967 in Paris, wird nun einen deutschen Personalausweis und einen deutschen Reisepass beantragen. Sein Weg zur deutschen Staatsbürgerschaft war nicht ohne Hindernisse. Und das kam so: Als er 1991 erstmals nach Allemagne kam, war er noch ein junger Mann und wehrpflichtig. Um der französischen Armee zu entgehen, fand der studierte Diplom-Ingenieur und Master of Business Administration (MBA) einen juristischen Winkelzug: Es gab die Möglichkeit des Ersatzdienstes in einer Auslands-Dependance eines französischen Unternehmens. 16 Monate lang. Der Weg des Kriegsdienstverweigerers führte deshalb 1991 zum neuen Pay-TV-Sender Premiere, an dem das französische Unternehmen Canal+ beteiligt war – und damit direkt nach Hamburg. Emmanuel beherrschte halbwegs Schul-Deutsch und wollte in der Hansestadt malochen wie die Deutschen. Das ging aber nicht. „Ich hatte zwar ein Büro, aber keine Aufgaben“, sagt er.
Frische Ideen und französischer Charme
Was sich bald änderte, weil er mit frischen Ideen und französischem Charme die Zuneigung seiner Vorgesetzten eroberte. Außerdem verliebte er sich irgendwie in Deutschland und die Deutschen. Emmanuel Peterfalvi blieb in Hamburg und wurde zu Alfons. Als Reporter mit dem Puschelmikrofon und einer orangenen Jacke machte er im öffentlich-rechtlichen Fernsehen Karriere mit dieser komischen Kunstfigur. Die Jacke stammt übrigens aus DDR-Produktion und beweist seit Jahrzehnten Stabilität. Alfons trägt sie stets bei seinen Umfragen auf Wochenmärkten. Hochdeutsch beherrscht er wie die Schwaben wirklich nicht, aber sein Deutsch ist so gut, dass einige Menschen ihn bis heute für einen gebürtigen Bielefelder halten.
Sein Leben als Franzose in Hamburg-Niendorf hätte so weitergehen können, wäre da nicht vor einiger Zeit ein Brief von Bürgermeister Olaf Scholz ins Haus geflattert. Darin fragte der SPD-Politiker den Franzosen Emmanuel Peterfalvi, ober er nicht deutscher Staatsbürger werden wolle. Ah bon – wirklich? Diese Frage hatte sich der Reporter und Kabarettist noch nie gestellt. Bekanntlich haben sich Franzosen und Deutsche im Lauf der Geschichte immer wieder blutige Kämpfe geliefert. Emmanuel Peterfalvis Großmutter wurde gemeinsam mit ihrem jüdischen Schwiegervater ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Sie überlebte.
Fast wäre das ganze Haus abgebrannt
Alfons heftete den Brief an den häuslichen Kühlschrank. Wie ein Merkzettel zum Einkaufen sollte er ihn an die Offerte aus dem Rathaus erinnern. Doch eines Tages ging der Kühlschrank, ein deutsches Fabrikat, in Flammen auf, die Küche brannte vollständig aus, die Feuerwehr musste den Brand löschen. Fast wäre das ganze Haus abgebrannt.„Der Brief des Bürgermeisters verbrannte ebenfalls“, sagt der Franzose. Für ihn ein Zeichen, es mit der Einbürgerung nun sein zu lassen. „Dann aber“, fügt er hinzu, „kam eine zweite Chance.“ Als Gast in der NDR Talk Show sah er sich an einem Freitagabend Olaf Scholz gegenüber. Emmanuel Peterfalvi erzählte die Story mit dem verbrannten Brief und fragte spontan den Bürgermeister, ob er ihn noch einmal schicken könnte. Scholz erhob sich von seinem Platz, Handschlag mit Alfons. Versprochen.
Den letzten Ausschlag gab die Großmutter
Das Versprechen wurde gehalten. Manchmal, findet Alfons, hat die deutsche Bürokratie auch etwas Gutes. In dem Brief stand, bei welcher Behörde er sich melden müsse, um den Antrag zu stellen. Den letzten Ausschlag, „Ja“ zu sagen, gab seine verstorbene Großmutter. In ihrem Leben nach dem Vernichtungslager hatte sie sich bei öffentlichen Auftritten in Schulen immer dafür eingesetzt, dass so etwas Grausames nie wieder geschehen darf.
Mit diesem positiven Ansatz habe sie sich mit den Deutschen versöhnt, sagt Alfons. „Ihr Engagement bestärkte mich in meiner Entscheidung.“ Es folgte, nach gründlicher Vorbereitung, der Einbürgerungstest (siehe Seite 14). Zwei Stunden lang, 33 Fragen. Maximal 16 dürfen falsch beantwortet werden, sonst ist der Bewerber durchgefallen. Alfons war gespannt, ob er es geschafft hatte. Aber er musste acht Wochen warten, bis ihm das Ergebnis mitgeteilt wurde. Nur zwei Fehler hat er gemacht. Deutscher Musterschüler! Nun ist er beides: deutscher und französischer Staatsbürger. Zur Feier des Tages wollte der neue Bundesbürger am Freitagabend mit seiner Frau, einer Französin, und seinen beiden erwachsenen Kindern richtig gut in einem Restaurant essen gehen – norddeutsch. Labskaus, das bekannte Seemannsgericht mit einem nicht immer durchschaubarem Mix an Zutaten. Für geborene französische Gaumen womöglich ein Härtetest.