Als Reporter Alfons mit stark französischem Akzent wurde Emmanuel Peterfalvi im Norden berühmt. Nach den Morden von Paris eilte er in seine Heimat. Und fand eine veränderte Nation vor.

Hamburg. Die Haare mit Gel an den Schädel geklatscht, die orangefarbene Trainingsjacke sitzt knalleng am Körper, mit übergroßem Mikrofon geht der vermeintliche Reporter auf nichts ahnende Passanten zu und stellt in schönstem französischen Akzent scheinbar belanglose und unzusammenhängende Fragen: Das ist Alfons, wie ihn die Zuschauer des NDR-Fernsehens seit Jahren kennen. Und rein äußerlich ist an diesem Vormittag auf einem Wochenmarkt auch nichts anders als sonst, sogar die Gags sitzen und sind bald in der Sendung „Puschel TV“ zu sehen.

Doch für Emmanuel Peterfalvi, wie Alfons mit bürgerlichem Namen heißt, sind diese Tage nicht wie alle anderen. Erst zu Wochenbeginn ist der Kabarettist und Satiriker aus Paris zurückgekehrt in seine deutsche Heimat Hamburg, wo er seit 1991 lebt. Der 47-Jährige war mit Millionen anderen Trauernden durch die Straßen der französischen Hauptstadt gezogen, er wollte – nicht nur wegen seines eigenen Berufs, aber auch deswegen – der Opfer des Terroranschlags gedenken und zugleich das Recht auf Meinungs- und Satirefreiheit verteidigen.

Solidarität mit den Opfern zeigen

„Ich stehe noch immer unter dem Eindruck dieser Tage. Ich wollte Solidarität mit den Opfern zeigen, es ging mir aber auch um wichtige Werte: Freiheit, Toleranz und Laizismus. Wenn das in Gefahr gerät, kann einem das Lachen auch als Kabarettist vergehen“, sagt er und klingt dabei weitaus entschlossener als seine Kunstfigur Alfons, der sich immer so äußerlich tollpatschig von Passant zu Passant durchfragt.

So, wie er Frankreich bei seinem Besuch angetroffen hat, hatte er es zuvor nur selten erlebt. Ein Volk steht zusammen, Fremde gehen aufeinander zu, tauschen sich aus – inhaltlich, aber auch über ihre Gefühle. „Wir waren sehr viele und wir waren eins. Und das ist in Frankreich sehr selten.“ Die viel besungene Fraternité, die Brüderlichkeit über alle Unterschiede von Herkunft und Status hinweg, sei diesmal wirklich greifbar gewesen. Aber: „Wir sind nicht naiv. Wir wissen, es war ein Moment und wird nicht andauern, aber dieser Moment des Zusammenhalts war sehr stark. Wir waren schön an diesem Tag und stolz auf uns.“

Inspiration durch Satiremagazin

Als er in Frankreich aufwuchs – es gab damals nur Emmanuel Peterfalvi und noch keinen Alfons – kaufte er sich immer wieder Ausgaben des „Charlie Hebdo“, jenes Satiremagazins also, deren Redakteure und Zeichner jetzt in großer Zahl ermordet wurden. Auch durch die Lektüre kam er zu seinem heutigen Beruf, zu dem Lachen über die Zustände, das auch Veränderungen bewirken kann, einfach, weil es entlarvend ist.

Als er am Mittwoch der vergangenen Woche in Hamburg in den Nachrichten von den Anschlägen der Islamisten hörte und ihm das ganze Ausmaß nach und nach bewusst wurde, gab es für ihn kein Halten mehr. Zwar war die Bestürzung in Hamburg auch groß, viele aus seinem persönlichen Umfeld wollten von ihm Informationen oder spendeten Trost, aber für den 47-Jährigen war schnell klar, dass er in seine Heimat musste. Dort hätten sich auch ohne seine Anreise Millionen Menschen zu der wohl größten Demonstration der Weltgeschichte versammelt, aber hier ging es auch um ihn, um seine Geschichte. „Mein Instinkt war sofort: Ich muss dahin, nach Paris, zu meinen Freunden.“

„Freiheit ist wichtiger als alles andere“

Und es trieb Peterfalvi eben auch das an, was er hier in Deutschland für wichtig erachtet, um Meinungsfreiheit. Die Darstellung, es habe sich vor allem um einen Trauermarsch gehandelt, will er so nicht gelten lassen. „Das war keiner. Das war eine Demonstration, friedlich und bunt. Die Freiheit ist wichtiger als alles andere. Darauf sind wir als Europäer stolz – die meisten, hoffe ich jedenfalls.“ Und das Recht auf Meinungsfreiheit werde erst dann wirklich interessant, wenn es um Dinge gehe, die auch schockieren können oder die wütend machen. „Da fängt die Debatte an, da liegt die Freiheit. Dinge zu hinterfragen – gerade auch, was Religionen angeht – darum geht’s. Und das jeder auf seine Art. Der eine singt einen Song, der andere schreibt ein Buch, der Dritte zeichnet als Karikaturist oder wie ich und meine Kollegen als Fernseh- und Bühnensatiriker.“

Wenn der Mann mit dem berühmten Dackelblick in einer Drehpause über seine Erfahrungen und Einstellungen spricht, klingt er weit weniger französisch als in seinen Clips, die ihn bekannt gemacht haben. Alfons ist eine Kunstfigur, aber das hier ist real, das ist nicht lustig. In einer Drehpause zieht er auch die abgegriffene Trainingsjacke aus, das Puschelmikrofon, sein Markenzeichen, liegt in der Ecke. Dafür hat er die erste Ausgabe der „Charlie Hebdo“ nach dem Massaker aus seiner Tasche gezogen.

Anerkennung für neue Ausgabe

Nachdenklich blättert er darin, manchmal ist ein Schmunzeln zu sehen, aber es überwiegt die stille Anerkennung für das Werk der Kollegen. Noch waren nicht alle getöteten Mitstreiter beerdigt worden, da griffen die Überlebenden schon wieder zum Bleistift, der längst zum Symbol für die Werte einer aufgeklärten Gesellschaft geworden ist. Aber nicht allein, dass sie es taten, sondern wie, überzeugt den Landsmann aus Hamburg: „Schau’n Sie mal hier, wie die Zeichner mit der aktuellen Titelseite umgegangen sind“, sagt er. „Es ging ihnen nicht darum, zu provozieren nach dem Motto ‚Jetzt erst recht‘. Die Botschaft ist vielmehr: ‚Wir machen einfach weiter‘. Und das ganz in Ruhe.“

Auch er denkt sich seine Texte und Fragen zurückgezogen im Arbeitszimmer aus, auch wenn später manches spontan und gelegentlich auch leicht irre wirkt – das ist ja die eigentliche Kunst. Nachdem auch in Deutschland die Radikalen aller Seiten mehr und mehr Zuspruch erhalten, macht er sich mehr Gedanken über das, was er öffentlich sagt.

Angst darf es nicht geben

Aber Angst? Nein, das nicht. „Dass man sich selbst fragt und überlegt, was man sagt gehört zu meinem Beruf. C’est normal. Hauptsache, wir fangen jetzt nicht an, uns selbst zu zensieren.“ Angst dürfe es in seiner Branche einfach nicht geben, das wäre das Ende. „Dann“, so sagt er leise, „hätten die Terroristen am Ende doch gewonnen.“

Grenzen gebe es für ihn aber schon. „Wir dürfen nicht unter dem Deckmantel der Kunst Hass predigen. Das ist ein absolutes Tabu. Hass ist für mich die Grenze.“ Den Ruf nach neuen Gesetzen, einer Änderung des Blasphemie-Paragrafen etwa oder der Einführung der Vorratsdatenspeicherung, sieht er sehr skeptisch. Aber der Mann wäre ein schlechter Kabarettist, wenn er nicht doch sein eigenes Gesetz erlassen würde: „Wenn es ein Gesetz geben sollte, dann eines, das Angst bei Satirikern und Kabarettisten verbietet.“

„Satire darf alles – nur nicht sterben“

Ende der Drehpause. Jacke an, Haare in die Stirn kämmen, Dackelblick, Mikrofon. Aus Emmanuel Peterfalvi wird wieder Alfons, der lustige Reporter. „Ich hatte mir vorgenommen, wenn ich aus Paris zurückkomme, mir das Lachen jetzt erst recht nicht nehmen zu lassen und wieder lustig zu sein, aber ehrlich gesagt, das war schwierig. Nun kommt es aber während der Arbeit langsam wieder“, sagt er während des Umziehens und läuft dann auf die ersten Passanten zu. Nach seinen toten Kollegen fragt er nicht, es geht eher um Alltäglichkeiten. Die Morde von Paris, darüber kann es keine Witze geben.

Nach etlichen Versuchen hat er genug im Kasten für heute. Einen Satz will er noch loswerden: „Satire darf alles – nur nicht sterben.“