Hamburg. Am Sonntag fällt der letzte Vorhang für das Hamburger Udo-Lindenberg-Musical. Ein Fotoband zeigt ihn von seiner verletzlichen Seite.

Das Lieblingsmotiv der Fotografin Tine Acke trägt Hut, Sonnenbrille und grüne Socken, rockt mit 71 die Bühne, als wäre es 17, und gedeiht am besten im Rampenlicht. Musiker Udo Lindenberg liebt die Show, braucht die Inszenierung und wurde schon millionenfach von Kameras und Fan-Handys im Bild festgehalten. Dennoch gelingen Tine Acke immer wieder neue Blicke auf den Mann, dem sie so nahe kommt wie sonst niemand. Seit 19 Jahren sind die beiden ein Paar – genauso lange liebt die Hamburgerin den Platz im Hintergrund.

Der Panikrocker nennt die 40-Jährige gern seine „engste Komplizin“ und „First Lady“, die ihm „ganz nah am Herzen wohnt“. Diese Nähe bilden ihre Fotos ab. 352 Seiten dick ist ihr Bildband, der wie Lindenbergs aktuelles Album und seine jüngste Tour den Titel „Stärker als die Zeit“ trägt. Es ist ihre Essenz aus insgesamt drei Stadiontourneen des Musikers, aus 700 bis 1200 Fotos, die sie an einem Konzertabend macht. Schwer gefallen sei ihr die Auswahl für das Buch nicht. „Wenn du einen magischen Moment eingefangen hast, ist das wie ein Blitz direkt in deine Seele rein“, erzählt die ausgebildete Illustrationsdesignerin.

Beeindruckende Bilder vom Showspektakel

Schon als Teenager entdeckte sie die Live-Konzertfotografie für sich, holte inzwischen auch andere Musiker und Bands vor ihre Kamera. Aber bei Udo-Konzerten gehört sie dazu wie seine ganze Panikfamilie – nur viel unauffälliger als alle anderen. „Sie huscht da durch wie eine Schattenfee und möchte am liebsten unsichtbar sein“, berichtet der Musiker. 13 Kilometer lege er in einer Show zurück, das schaffe sie auch. Und während er auf der Bühne den Lauten mache, sei seine „Fotojägerin“ unterwegs „auf leisen, schnellen Sohlen“ in den entlegensten Ecken der Stadien.

Der Lindenberg-Fotoband „Stärker als die Zeit“ erschien im TeNeues Verlag
Der Lindenberg-Fotoband „Stärker als die Zeit“ erschien im TeNeues Verlag © Tine Acke | Tine Acke

Ob auf einem Kran in 60 Metern Höhe oder auf Laufstegen hoch oben über den Arenen, ob im Fotograben oder „fast bis zur Ohramputation“ unterm Schlagzeug der Panikband liegend – für ihre Fotos suchte sie sich unterschiedlichste Positionen aus. Und beweist mit ihren Arbeiten ein unglaubliches Auge: beeindruckende Bilder vom Showspektakel, faszinierende Nahaufnahmen, intime Einblicke vor und nach dem Konzert. Fast wie Gemälde wirken manche Fotos, die sie vom Höhepunkt einer langen Karriere abliefert. Zu den eigenen Lieblingen der Fotografin gehören die „epischen und zeitlosen“.

„Keine Panik, weiterrocken!“

„Stärker als die Zeit“, Lindenbergs drittes Album seit dem Comeback 2008, erschien zu seinem 70. Geburtstag im vergangenen Jahr. „Obwohl wir uns eigentlich nichts mehr schenken, hat er sich zum 70. von mir eine Dokumentation der Stadionkonzerte gewünscht“, erzählt Tine Acke. „Die Fotografenehre ist mir total wichtig. Dass man, wenn man schon so einen intimen Einblick bekommt, auch ehrenvoll damit umgeht“, sagt sie. „Das ist eine Verantwortung, die man da hat.“

Gut möglich, dass Udo am Sonntag im Operettenhaus tänzelt

Auf die Suche nach „göttlichen Momenten“ als Fotografin will sie sich auch weiterhin begeben. „Das ist wie eine Sucht. So etwas willst du immer wieder haben, erlebst es aber nur selten.“ Udo Lindenberg sei ihr bevorzugtes Motiv, aber auch das „herausforderndste, weil oft nicht vorhersehbare“.

In Hamburg könnte es gut sein, dass Udo an diesem Sonntag auf die Bühne des Operettenhauses tänzelt, das Mikrofon schwingt und seine ganz persönliche Abschiedsvorstellung gibt. Denn für „Hinterm Horizont“ fällt nach fast einem Jahr am Spielbudenplatz (und zuvor mehr als fünf Jahren in Berlin) der letzte Vorhang. Rund 2500 Vorstellungen gab es seit der Uraufführung. Mit Josephin Busch als Mädchen war die Show in Berlin und Hamburg an den Start gegangen. Die 31-Jährige wird auch in der letzen Vorstellung die Rolle des „Mädchens aus Ostberlin“ übernehmen.

Die Idee, aus Udo Lindenbergs Songs ein Musical zu machen, stammt übrigens von St.-Pauli-Theaterintendant Ulrich Waller, der mit Lindenberg und Thomas Brussig auch die Texte schrieb und Regie führte – in seinem Haus wird nach der Dernière darum kräftig gefeiert.