Hamburg/Karlsruhe. Nach dem Mikrozensus 2011 hat Hamburg 82.800 Einwohner weniger als angenommen. Wegen der Folgen zieht die Stadt jetzt vor Gericht.
Die Klage Hamburgs gegen den Zensus 2011 (Bevölkerungs-, Gebäude- und Wohnungszählung) geht in die entscheidende Phase: Am morgigen Dienstag beginnt die Anhörung vor dem Bundesverfassungsgericht im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens. Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) wird Hamburg in Karlsruhe vertreten.
Darum geht es: Der Zensus 2011 hatte zu einem für den Senat völlig überraschenden Ergebnis geführt. Laut der Zählung waren zum Stichtag 9. Mai 2011 nur 1.706.696 Einwohner für Hamburg ermittelt worden – gut 82.800 Menschen weniger als laut der regulären Bevölkerungsfortschreibung. Mit weitreichenden Folgen: Nach der neuen, zumindest vorerst gültigen Berechnungsgrundlage wird Hamburg im Länderfinanzausgleich jedes Jahr mit rund 117 Millionen Euro negativ belastet.
Seit 2011 belaufen sich die Einbußen auf mehr als eine halbe Milliarde Euro. Außerdem hat die geringere Bevölkerungszahl dazu geführt, dass Hamburg bei der Erstverteilung der Sitze für den Bundestag einen Platz verloren hat.
Es wurden nur knapp zehn Prozent der Einwohner befragt
Aus Hamburger Sicht könnte eine Fehlerquelle in dem Verfahren des Zensus 2011 liegen, bei dem es sich um eine registergestützte Volkszählung handelte. Anders als bei den vorhergehenden Volkszählungen per Vollerhebung – zuletzt 1987 in der Bundesrepublik und 1981 in der DDR – wurden nur knapp zehn Prozent der Einwohner befragt.
Um die Zahl der Befragungen zu verringern, wurde auf bereits in Registern vorhandene Daten zurückgegriffen. Da die Melderegister mitunter Fehlerquoten aufweisen, wurden mehrere Korrekturverfahren angewandt. Unter anderem führten Gemeinden mit mindestens 10.000 Einwohnern Stichprobenbefragungen durch.
Hamburg hat im Dezember 2015 einen Normenkontrollantrag vor dem Bundesverfassungsgericht gestellt. Zuvor hatte auch Berlin, für das sich der Zensus 2011 ebenfalls negativ auswirkt, das Gericht angerufen. Die Stadtstaaten kritisieren, dass zentrale Inhalte der Zensusgesetzgebung 2011 nicht mit dem Grundgesetz vereinbar seien.
Wegen der finanziellen Auswirkungen müsse die Feststellung der Einwohnerzahlen möglichst genau erfolgen. Das sei nicht geschehen. Aufgrund unterschiedlicher Verfahren zur Ermittlung der Einwohnerzahlen ergäben sich Ungleichbehandlungen von größeren gegenüber kleineren Gemeinden. Das Statistische Bundesamt hat laut Finanzbehörde inzwischen eingeräumt, dass die für größere Städte angewandten Methoden auch bei kleineren Städten zu höheren Korrekturen der Einwohnerzahlen nach unten geführt hätte.