Hamburg. Die Hamburgerin Jocelyn Kotulla näht rutschfeste Wassersportkleidung – und hat damit bei ihren Kunden einen Nerv getroffen.

Manchmal muss man weit fahren, um das Naheliegende zu erkennen. Bei Jocelyn Kotulla war es der brasilianische Surfer-Hotspot Barra Nova. Die leidenschaftliche Kitesurferin saß mit Freundinnen am Strand – und ärgerte sich. Gerade war ihr auf dem Brett das Oberteil ihres Bikinis weggerutscht. Statt durch die Wellen zu gleiten, musste sie erst mal die knappe Kleidung wieder zurechtzuppeln. Mal wieder, aber wer will schon halb nackt auf dem Board stehen? Allen in der Frauenrunde war das schon passiert, erinnert sich die Hamburgerin an den Moment. „Es gibt nichts, was bei sportlicher Bewegung vernünftig sitzt“, so die einhellige Meinung damals. Und: Da muss man doch was machen.

Jetzt ist Joceyln Kotulla diejenige, die was macht. „Ich wollte einen Bikini, der gut aussieht, Halt gibt und nicht verrutscht“, sagt die 32-Jährige. Aus der Idee am Sonnenstrand ist das Label Josea Surfwear geworden. Der Name setzt sich aus der Kurzform ihres Vornamens und dem englischen Wort „sea“ für Meer zusammen. Offenbar trifft sie mit ihren Bikinis einen Nerv. „Die Nachfrage wächst stetig“, sagt die Gründerin. Surfen wird besonders bei jungen Leuten immer beliebter – egal, ob im Wind, auf der Welle oder dem Kiteboard. 2020 ist Wellenreiten erstmals auch olympische Disziplin bei den Spielen in Tokio.

Mit 2000 Euro Startkapital ging es vor zwei Jahren los

Für ihren Traum von der Selbstständigkeit setzte Jocelyn Kotulla alles auf eine Karte. Sie zog zurück auf den Bauernhof ihrer Eltern in Francop, stellte ihre Kisten in den Keller, wohnt wieder in ihrem alten Kinderzimmer. Vorher hatte sie ihren Job bei einem großen Hamburger Schuh- und Modeunternehmen gekündigt, war monatelang an unterschiedlichen Stränden unterwegs. „Ich war auf der Suche“, sagt sie.

Mit 2000 Euro Startkapital legte Kotulla schließlich vor zwei Jahren richtig los, entwickelte gemeinsam mit einer Dozentin der Akademie Jak in Hamburg, wo sie Mode- und Textilmanagement studiert hatte, die ersten Modelle. Im April vergangenen Jahres eröffnete die Gründerin dann ihren Online-Shop mit einer Mini-Kollektion. Das Besondere: Jocelyn Kotulla setzt auf die nachhaltige Verarbeitung von Spezialstoffen. Sie werden unter anderem aus recycelten Fischernetzen hergestellt. Der daraus gewonnene Stoff eignet sich besonders gut für Bademoden.

Da kann nichts mehr verrutschen: ein Bikini für Surferinnen
Da kann nichts mehr verrutschen: ein Bikini für Surferinnen © Josea Surfwear | Josea Surfwear

In der kleinen Werkstatt in einem Gründerzentrum auf St. Pauli rattern an diesem Oktobertag die Nähmaschinen. Der Herbst ist Hochsaison für Surfer, die Sonne, Wind und Wellen auf der südlichen Erdkugel suchen. Anfangs hat Gründerin Kotulla noch alles selbst genäht, inzwischen sind sie zu viert im Team. Alle sind gelernte Schneiderinnen, haben zusätzliche Qualifikationen in Schnitttechnik oder Modedesign. Gefertigt wird ausschließlich auf Bestellung, 25 Teile am Tag schaffen die Näherinnen im Schnitt. An einer Kleiderstange hängen unterschiedliche Bikinis aus der aktuellen Kollektion, viele davon in Blau- und Grünschattierungen. „Wasserfarben“, sagt Nicola Mohr, die für das Design zuständig ist. Die Muster kommen aus der Natur, stilisierte Bananenblätter zum Beispiel oder Flamingos.

One Eye oder Mavericks – die Oberteile heißen nach Wellennamen, die Bikinihosen sind nach Winden wie Kusi oder Levante benannt. Alle Modelle sind zweilagig mit Gummis an den Nähten für den sicheren Sitz. Das Sortiment umfasst inzwischen 20 Teile. Eine Bikinihose kostet 49,95 Euro, das Set aus Ober- und Unterteil 110 Euro. „Wir entwickeln die Schnitte ständig weiter“, sagt Esther Klemmer, die für die Produktion zuständig ist.

Dabei spielt der Kontakt mit den Kundinnen über Social-Media-Kanäle wie Instagram eine wichtige Rolle. Seit Neuestem gibt es auch zwei Badeanzug-Modelle. „Die Bestellungen haben sich seit der Gründung etwa verzehnfacht“, sagt Jocelyn Kotulla. Etwa 200 sind es derzeit im Monat. Tendenz steigend. Die Kundinnen kommen aus der ganzen Welt, etwa aus Chile, Ägypten und Aus­tralien. Der Hauptmarkt ist Deutschland. Inzwischen trägt sich das Geschäft.

Das Ziel der Gründerin: zwei Millionen Euro Umsatz im Jahr

Allerdings ist das Angebot an speziellen Surf-Bikinis gewachsen. Nicht nur große Hersteller wie O’Neill oder Billabong haben sie im Angebot, auch mehrere kleinere Label wie Zealous aus Hamburg tummeln sich auf dem Markt. „In den nächsten drei Jahren wollen wir den Umsatz auf zwei Millionen Euro steigern“, sagt die Josea-Gründerin selbstbewusst. Dabei soll das Sortiment auf andere Bekleidungsbereiche der Surf- und Lifestyle-Mode wie Shirts oder Hosen erweitert werden. Im nächsten Jahr kommen die ersten Shorts für Männer. Auch ein Umzug in größere Räume ist geplant. „Wir sind dringend auf der Suche“, sagt die Unternehmerin.

Erst mal aber packt Kotulla in den nächsten Tagen wieder mal ihre Kite-Ausrüstung zusammen und fliegt nach Brasilien. Sie wird viel auf dem Wasser sein und natürlich in der Surf-Community auch für ihre neue Kollektion werben. „Ich kann jetzt Leidenschaft und Beruf vereinbaren“, sagt sie und strahlt. Klar, dass sie diverse Bikinis im Koffer hat. Verrutschen werden die wohl nicht. Kotulla hat jetzt ein anderes Problem. „Ich muss entscheiden, welchen ich anziehe.“

Der Online-Shop hat die Internet-Adresse: www.josea-surfwear.com