Hamburg. In der Schau widmet sich das Museum für Kunst und Gewerbe dem Verhältnis von Sport und Mode.

Als sich nach dem Ersten Weltkrieg immer mehr Deutsche in Badeanstalten ins Wasser wagten, sah der Gesetzgeber schon aus moralischen Gründen Handlungsbedarf: Am 28. September 1932 trat eine Verordnung des preußischen Innenministeriums in Kraft, in der nicht nur das öffentliche Nacktbaden verboten, sondern auch die Kleiderordnung für Schwimmer genauestens geregelt wurde. „Frauen dürfen öffentlich nur baden, falls sie einen Badeanzug tragen, der Brust und Leib an der Vorderseite des Oberkörpers vollständig bedeckt, unter den Armen fest anliegt sowie mit angeschnittenen Beinen und einem Zwickel versehen ist. Der Rückenausschnitt des Badeanzugs darf nicht über das untere Ende der Schulterblätter hinausgehen“, heißt es in Paragraf 2 der Verordnung, die im Volksmund bald nur noch „Zwickelerlass“ genannt wurde.

Bis 1908 wurde im heutigen Ausstellungssaal noch geturnt

Welche Art von Badeanzug damit vorgeschrieben war, ist jetzt in der Ausstellung „sports / no sports“ im Museum für Kunst und Gewerbe zu besichtigen. Sie zeichnet die Entwicklung der Sportkleidung vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart nach, zeigt aber auch die Wechselwirkungen zwischen Sport und Mode auf. Passenderweise wird mit dieser Schau die historische Turnhalle erstmals wieder als Ausstellungssaal genutzt, nachdem diese durch das Entfernen der in der Nachkriegszeit eingezogenen Zwischendecke ihre historischen Gestalt zurückerhalten hat. Bis 1908 wurde in dem von hohen Bögen und reizvollen Durchblicken geprägten Raum tatsächlich geturnt, da sich das Museum das Gebäude über Jahrzehnte hinweg mit mehreren Schulen teilen musste. Und auch nachdem Gründungsdirektor Justus Brinckmann die Turnhalle zum Ausstellungssaal hatte umbauen lassen, blieb die ursprüngliche Bezeichnung im Sprachgebrauch erhalten. Wie gut sich der Raum mit seiner Höhe und Weiträumigkeit zur Präsentation von Kunstwerken eignet, ist sofort zu spüren. Mit stilisierten Sportgeräten wie Schwebebalken und Recks nimmt die Ausstellungsgestaltung nicht nur auf das aktuelle Thema, sondern eben auch auf die Geschichte des Saals Bezug. Insgesamt 110 meist auf Figurinen präsentierte Kleider sowie Modelle, Entwürfe, Fotografien und Filme zeigen, wie man sich seit etwa 150 Jahren bei der Leibesertüchtigung zu kleiden hatte und wie dadurch auch die Alltagskleidung beeinflusst wurde.

Zunächst war es allerdings umgekehrt, im späten 19. Jahrhundert wurde nämlich die Sportbekleidung von der Alltagsmode noch stark geprägt. So durften die Damen damals selbst beim Turnen nicht auf das höchst unpraktische Korsett verzichten. Erst nach und nach konnten die bewegungseinschränkenden Konventionen überwunden und die Kleidungsstücke „liberalisiert“ und ihrer Funktion besser angepasst werden. Wie stark bestimmte Bekleidungsvorstellungen nachwirken können, wird in der Ausstellung anhand von Tenniskleidung vorgeführt: Bis heute tragen Tennisspielerinnen das traditionelle weiße Röckchen, auch wenn sich dessen Schnitt stark verändert hat.

Der Papst trägt seine übliche Dienstkleidung,
Fidel Castro dagegen eine
Adidas-Trainingsjacke
Der Papst trägt seine übliche Dienstkleidung, Fidel Castro dagegen eine Adidas-Trainingsjacke © picture alliance

Als Reflex auf die negativen Begleiterscheinungen der Industrialisierung und Urbanisierung hatte der Sport das Freizeitverhalten der Gesellschaft stark verändert. Erst nach und nach wurde bei der dafür entwickelten Kleidung den praktischen Erfordernissen nach mehr Bewegungsfreiheit Rechnung getragen. Andererseits beeinflusste die Sportkleidung im Lauf des 20. Jahrhunderts immer stärker die Mode. Ein Beispiel dafür ist die Frauenhose, die erst als Turnkleidung gebräuchlich war, bevor sie im Lauf von Jahrzehnten als Alltagskleidung und später sogar als Teil der Abendgarderobe gesellschaftlich akzeptiert wurde.

Während sich einerseits Modedesigner häufig von der Sportbekleidung inspirieren lassen, überschneiden sich im Alltag die früher streng voneinander getrennten Bereiche immer stärker. Sneaker und Jogginghosen werden nicht mehr nur zum Training getragen, sondern durchaus auch im Büro. Dass diese weitgehend Außerkraftsetzung von Dresscodes auch wundersame Blüten treibt, zeigt ausgerechnet Fidel Castro, der den Kampfanzug nach seinem Rückzug aus der aktiven Politik nicht etwa gegen einen Maßanzug getauscht hat, sondern gegen modische Trainingsanzüge deutscher Hersteller. Das Foto, das den emeritierten Comandante im September 2015 in einer Adidas-Jacke im Gespräch mit Papst Franziskus zeigt, ging um die Welt – und veranlasste die Firma aus dem fränkischen Herzogenaurach zu einer Klarstellung: Man habe weder einen Ausrüstervertrag mit Fidel Castro, noch Einfluss auf die Wahl seiner Kleidung.

Der belgische
Künstler
Paul
Schietekat
hat hier
High Heels
und Schwimmflossen
kombiniert
Der belgische Künstler Paul Schietekat hat hier High Heels und Schwimmflossen kombiniert © Paul Schietekat

Wer vor allem die aktuellen Modebeispiele in der Ausstellung betrachtet, wird feststellen, dass mit dem Bezug zum Sport in der Regel ein bestimmtes Image wie Kraft, Dynamik oder Jugendlichkeit transportiert werden soll, auch wenn es manchmal arg bemüht erscheint. „Die Leute ziehen sich an, als wollten sie das Matterhorn erklimmen, selbst wenn sie nur zum Eckladen gehen, um Milch zu holen“, so kommentierte die englische Kulturwissenschaftlerin Elizabeth Wilson in ihrer „Fashion Theory“ diese durchaus auch kuriose Entwicklung.

„sports/no sports“, Museum für Kunst und Gewerbe, Steintorplatz, bis 20. 8. 2017. Di–So 10.00–18.00, Do bis 21 Uhr, Info im Netz:
www.mkg-hamburg.de