Elmshorn. Das Start-up Swedish Fall hat Trainingskleidung für den Nischensport entwickelt. Die Elmshorner wollen weltweit Marktführer werden.

Sie tragen Sakkos, Hemden, Blazer und Blusen – typisches Business-Outfit. Von den besonderen Klamotten, die sie kreiert haben und jetzt vertreiben, erzählen sie zunächst nur. Die sollen später andere präsentieren. Cheerleader. Also genau diejenigen, für die sie spezielle Sportswear entwickelt haben. Sie – das sind die sechs Gründer von Swedish Fall: Stefan Albers, Philipp Müller, Silja und Lara Stallbaum, Marius Krüger und Jonas Detlefsen. Alle Anfang bis Ende 20, alle Studenten der Nordakademie und fast alle selbst Cheerleader. Auch die Herren.

Dass das heutige Cheerleading nichts mehr mit dem puschelschwingenden Fanclubs von früher gemeinsam hat, das demonstrieren die Jungunternehmer dann sogar selbst und zeigen zum besseren Verständnis einen Stunt. Eine Pyramide, bei der die vier Männer in der Gruppe die beiden Frauen hochstemmen und in eine liegestützähnliche Position bringen. Nach dieser Formation haben sie ihr Unternehmen benannt. Sie heißt Swedish Fall.

Ein Mangel an guter, funktionaler Kleidung

Auf die Idee, sich mit Trainingsklamotten für Cheerleader selbstständig zu machen, kamen die Studenten aus eigenem Interesse – beziehungsweise mangels guter, funktionaler Kleidung fürs Cheerleading: „Als wir vor rund zwei Jahren mit dem Cheerleading begannen, haben wir einfach keine Klamotten gefunden, die uns gefallen. Die Sachen, die es gab, waren entweder kitschig oder total unpraktisch“, so Silja und Lara Stallbaum, 22. Die Zwillinge sind Mitglieder des Uni-Cheerleaderteams der Nordakademie Elmshorn und als kreative Köpfe von Swedish Fall mit für die Entwicklung der Sportswear verantwortlich.

Ihr Anspruch: Die Sachen sollen nicht nur modisch sein, sondern den speziellen Anforderungen an Cheer-Outfits gerecht werden. Das heißt: „Wir haben für unsere Shorts und Leggins Anti-Slip-Dots entwickelt, also Silikonnoppen im Hüft- und Knöchelbereich, die bei Partner-Stunts mehr Halt beim Hochwerfen und Auffangen geben“, sagt Lara Stallbaum und betont, wie wichtig das sei. Denn: „Cheerleading ist die weltweit gefährlichste Sportart für Frauen“, so die Swedish-Faller, die mit ihren Klamotten diesen Sport sicherer machen wollen.

Swedish Fall wurde von sechs Studenten gegründet

Sicherer? Gefährlich? Zeit für eine Erklärung: „Früher bestand die primäre Aufgabe der Cheerleader darin, eine Sportmannschaft bei Veranstaltungen und Wettkämpfen anzufeuern und das Publikum in den Pausen zu unterhalten. Heute wird Cheerleading vorwiegend als selbstständiger Wettkampfsport betrieben, bei dem die Teams in zwei- bis dreiminütigen Auftritten anspruchsvolle athletische Choreographien vorführen – „mit Hebefiguren, Luftwürfen, Sprüngen, Boden- und Tanzelementen“, fasst Philipp Müller, 22, zusammen. Er ist der CEO von Swedish Fall und Gründer des Entrepreneur Clubs der Nordakademie, in dem die Geschäftsidee für Swedish Fall entwickelt wurde. „Wir wollten nicht nur darüber reden, wie man Cheerleader-Klamotten besser machen kann – sondern es auch tun“, bringt es Philipp Müller auf den Punkt.

Sie taten sich zu sechst zusammen, erarbeiteten einen Businessplan und ließen von einer Schneiderin ein paar Test-Teile nähen. Als sie merkten, wie groß die Begeisterung im Cheerleading-Team der Uni über die neuen Klamotten war, beantragten sie Fördergelder, nahmen einen Kredit auf und starteten die Produktion – in Polen. „Wir wollten hier in der Nähe produzieren, um uns selbst ein Bild von den Bedingungen vor Ort machen zu können – und nicht weit weg in Fernost, wo wir keinen Einfluss auf die dortigen Zustände haben“, sagt Philipp Müller.

2000 der Produkte verkauft

Anfang des Jahres ist ihr Internet-Shop online gegangen ist, seitdem haben sie mehr als 2000 ihrer Produkte verkauft und einen mittleren fünfstelligen Betrag umgesetzt. Doch das ist erst der Anfang, darin sind sich die Gründer einig: Swedish Fall will der weltweit größte Anbieter für Cheerleading Trainingswear werden.

Der Unterschied zu anderen Anbietern: Das Gründer-Sextett aus Elmshorn konzentriert sich ausschließlich auf hochfunktionale Trainingsklamotten – und nicht auf die Cheer-Outfits für den Wettkampf sowie die Organisation von Meisterschaften. Denn in diesem Bereich gibt es bereits zwei große Anbieter, die den Markt bestimmen: die Central Cheerleading Agency (CCA) aus Nürnberg sowie die Varsity Brands Europe GmbH mit Sitz in Norderstedt. Die beiden Unternehmen haben sich auf Sportbekleidung und Sportevents für Cheerleader spezialisiert und vertreiben nicht nur die entsprechenden Klamotten, sondern organisieren auch Meisterschaften, Camps und Coachings.

Der Markt ist rückläufig

Holger Schmidt, 41, ist Chef der Central Cheerleading Agency, die er bereits vor 15 Jahren als kleine Garagenfirma mit einer Cheertrainerin hochgezogen hat. „Damals hatten sich viele amerikanischen Firmen aus dem europäischen Markt zurückgezogen, weil sie hier nicht den Profit erwirtschaften konnten, den sie sich erhofft hatten. Infolgedessen entstand in Deutschland ein Vakuum, das wir füllen wollten“, sagt Schmidt. Inzwischen macht sein Unternehmen CCA rund 1,2 Millionen Euro Jahresumsatz.

„Doch der Markt mit Cheer-Textilien ist rückläufig“, sagt er. „Viele tragen fürs Training keine speziellen Klamotten mehr, sondern greifen zu Fitness-Outfits, die inzwischen alle großen Hersteller im Sortiment haben.“ Mehr als 700 Produkte hat er im Angebot, doch im Gegensatz zu Swedish Fall hat er keine eigenen Marke, sondern vertreibt ausschließlich Produkte von anderen Herstellern. Um auf dem Markt bestehen zu können, setzt Holger Schmidt jedoch nicht nur auf Mode und Accessoires für Cheerleader, sondern lebt auch von der Organisation von Meisterschaften sowie Trainingscamps.

Grundstein im Jahr 2002 gelegt

Mit einem ebenfalls breit aufgestellten Angebot hat sich die Varsity Brands Europe GmbH in Norderstedt einen Namen gemacht – als Komplettanbieter für Cheerleading-Klamotten und -Events. Der Grundstein für Varsity Brands Europe GmbH wurde im Jahr 2002 mit der Gründung von Elite Partnerstunts durch die beiden Blue-Devils-Cheerleader Diana und Jan Becker gelegt. Nachdem man sich zuerst auf die Organisation von Meisterschaften spezialisiert hatte, begann 2007 die Zusammenarbeit mit Varsity Spirit – dem Weltmarktführer im Bereich Cheerleading-Events und -Bekleidung mit Sitz in Memphis (USA).

In Amerika macht das Unternehmen laut Branchenkennern einen Milliardenumsatz. Zu den Umsätzen in Deutschland will sich der Konzern allerdings nicht äußern. „Unser Schwerpunkt sind Schuhe und individualisierbare Mode“, sagt Verkaufsleiter Marco Daniels. Nach dem Baukasten-Prinzip könnten sich die Kunden Schnitt, Farbe und Stoff entsprechend ihrer persönlichen Wünsche zusammenstellen – und auch mit eigenen Team-Logos bedrucken lassen.

Patent für Anti-Rutsch-Silikonnoppen

In Konkurrenz zu diesen Unternehmen sieht sich Swedish Fall nicht. „Unsere Klamotten sind durch die speziellen Funktionen einzigartig und mit nichts vergleichbar“, sagen die Elmshorner selbstsicher, die sich ihre Anti-Rutsch-Silikonnoppen patentieren lassen wollen – und ihr Produkt weltweit vermarkten wollen. Egal, ob sie dabei ihre selbst konzipierten Klamotten tragen oder das Business-Outfit.