Zum 500. Jahrestag haben die Menschen am 31. Oktober im Norden ausnahmsweise frei. Die CDU will, dass das immer so ist. Eine Debatte.

Pro:

Brauchen wir einen Gedenktag für die Helden der Reformation, allen voran Martin Luther? Gott bewahre! Sollten die Protestanten auch einmal einen eigenen Feiertag bekommen, als Pendant zum katholischen Allerheiligenfest im Süden? Konfessionelle Eitelkeiten passen nicht nach Hamburg!

Wenn ich für den Reformationstag als gesetz­lichen Feiertag bin, so hat das einen simplen pragmatischen und einen inhaltlichen Grund. Zur pragmatischen­ Seite: Sofern wir uns angesichts stän­diger Arbeitsverdichtung und stabiler wirt­schaft­licher Entwicklung einen zusätzlichen Feiertag leisten wollen, wäre der Herbst ideal. Zwischen erster und zweiter Jahreshälfte ergäbe sich dann mit einem 6:4 ein deutlich ausgeglicheneres Ergebnis kleiner Zwischenstopps der Erholung.

Direktverbindung zwischen Gott und Mensch

Wichtiger aber wäre mir der Inhalt: Jeder Feiertag hält in der Gesellschaft eine für sie wesentliche Erinnerung wach, ohne die Menschen mit einer bestimmten Überzeugung zu vereinnahmen. Weihnachten kann man so als Fest der Liebe oder der Familie feiern, ohne von der Menschwerdung Gottes überzeugt zu sein. Der 1. Mai steht für den Wert der Arbeit, ohne dass man deshalb an einer Gewerkschaftskundgebung teilnehmen muss.

Der 31. Oktober könnte so an eine Ereignisfolge erinnern, die nicht nur die Landkarte Europas neu gezeichnet hat, sondern den Wurzelboden darstellt für vieles, was heute unsere Gesellschaft prägt. Die Leidenschaft der Reformatoren galt der Direktverbindung zwischen Gott und Mensch. Kein Makler sollte da dazwischengehen und seine Provision ziehen können. Kein Priester sollte sich zum Experten aufschwingen und kein Mensch meinen, durch seine besondere Frömmigkeit eine Exklusivverbindung schaffen zu können.

Werte unserer Kultur weiterdenken

Im Kielwasser dieser Leidenschaft ergaben sich Überzeugungen, die sich tief in unsere Gesellschaft eingegraben haben: Etwa der Standpunkt, dass man in Berufung auf das eigene Gewissen allen falschen Autoritäten entgegentreten darf und manchmal muss. Die Verantwortung für das soziale Miteinander, bei dem jedem Menschen der gleiche Wert zuerkannt wird. Die Wahlverwandtschaft mit der Demokratie als Ausdruck dieser gleichen Würde und des Rechtes auf gesellschaftliche Beteiligung. Nicht zuletzt das Interesse an einer verständlichen deutschen Sprache anstelle einer nur für wenige zugänglichen Kultursprache wäre ohne Luthers Bibelübersetzung so wohl nicht entstanden.

Wir leben in einer Zeit, in der die Wurzeln unserer Kultur nicht mehr selbstverständlich sind und vergessen zu werden drohen. Der Reformationstag könnte hier einen Andockpunkt bieten, um die Werte unserer Kultur weiterzudenken. Er vereinnahmt nicht die, die andere religiöse Überzeugungen haben. Aber er führt uns alle in die notwendige Auseinandersetzung um das, was unsere Gesellschaft trägt und prägt.Für mich als Christen hätte er eine Parallele im früheren 17. Juni. Denn wie der 17. Juni die Erinnerung an ein künstlich geteiltes Volk wachhielt, so weist der Reformationstag auf die Spaltung der Christenheit und die notwendige Arbeit, diese zu überwinden.

Prof. Hanns-Stephan Haas ist Vorstandsvorsitzender der Evangelischen Stiftung Alsterdorf.

Kontra:

Die Suche nach Gründen für einen zusätzlichen arbeitsfreien und bezahlten Feiertag hört nicht auf. Die Idee wird nicht besser, auch wenn sie die CDU gerade für sich entdeckt hat. Mit ökonomisch wenig überzeugenden Argumentationslinien wird häufig begründet, eine Anhebung mit einem ständigen Reformationsfeiertag vornehmen zu wollen, da der Status quo der Anzahl der Feiertage insbesondere gegenüber den süddeutschen Bundesländern als „ungerecht“ zu bezeichnen sei. Unabhängig von der Tatsache, dass bislang noch kein Philosoph eine allgemein verbindliche und anerkannte Definition von Gerechtigkeit abliefern konnte, sind kirchliche, religiöse oder weltanschauliche Motive wohl auszuschließen.

Nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) und des Statistischen Bundesamts gehen an einem arbeitsfreien Tag 0,1 % der Jahreswirtschaftsleistung, also bundesweit zehn Mrd. Euro, verloren. Im Vergleich zum Bund ergäben sich bei nur einem zusätzlichen Feiertag für Hamburg ein Verlust von rund 200 Mio. Euro und für Schleswig-Holstein noch einmal rund 90 Mio. Euro. Somit würde jeder zusätzliche Feiertag den Abstand zu anderen Ländern um weitere 0,1 % in Bezug auf die Entwicklung des Brutto-inlandsprodukts vergrößern. Hinzu kommt, dass sich insbesondere das Bundesinlands­produkt von Schleswig-Holstein in den letzten Jahren unterdurchschnittlich entwickelt hat.

Anerkannter kirchlicher Feiertag

Wenn es um das Gedenken an ein Ereignis geht, bedarf es einer echten, breit getragenen, inhaltlichen Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes. Ob ein ständiger Reformationsfeiertag allerdings mit der ausreichenden Intensität und Breite von den norddeutschen Mitbürgerinnen und Mitbürgern getragen wird oder als Feiertagsanlass wahrgenommen werden würde, kann abschließend nicht überzeugend bewertet werden. Zweifel bestehen, da auch die Bedeutung anderer kirchlicher Feiertage häufig den Bürgerinnen und Bürgern nicht mehr bewusst ist. In Bezug auf den Erholungsbedarf der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bleibt zu sagen, dass wir auch im Norden im europäischen Vergleich einen überdurchschnittlichen Anspruch auf Erholungsurlaub haben.

Abschließend soll nicht unerwähnt bleiben, dass der Reformationstag bereits heute ein gesetzlich anerkannter kirchlicher Feiertag ist. Für einen solchen Feiertag können Arbeitnehmer, soweit die betrieb­lichen Erfordernisse es zulassen, von der Arbeitspflicht befreit werden. Sie könnten dafür zum Beispiel eine unbezahlte Freistellung, den Abbau eines Arbeitszeitguthabens oder Urlaub nutzen. Dies schafft individuelle Möglichkeiten, einen solchen kirchlichen Feiertag zu begehen, ohne Kosten für die Volkswirtschaft zu schaffen. Ein allgemein arbeitsfreier gesetzlicher Feiertag würde diese individuelle Entscheidung entwerten und die Betriebe mit Kosten belasten, ohne einen nachhaltigen Beitrag über die Bedeutung der Reformation zu leisten.

Michael Thomas Fröhlich ist Hauptgeschäftsführer UVNord – Vereinigung der Unternehmensverbände in Hamburg und Schleswig-Holstein e. V.