Hamburg. Er gehörte zu den prägenden Gestalten auf St. Pauli. Jetzt ist der ehemalige Betreiber des Safari im Alter von 68 Jahren verstorben.
Er war über Jahrzehnte eine der prägenden Gestalten auf St. Pauli: Vergangene Nacht ist der ehemalige Choreograf des letzten Live-Sex-Cabarets Safari, Jeff Pierron, nach kurzer schwerer Krankheit im Alter von 68 Jahren verstorben. Das teilten mehrere Freunde des gebürtigen Franzosen am Dienstag mit. "Ich verdanke Jeff sehr viel", sagt Fabian Zahrt. Der Tourguide der Olivia-Jones-Familie arbeitete bis vor einigen Jahren als Koberer vor dem Safari. "Jeff hat mich zurück nach St.Pauli geholt. Ich werde ihn in meinem Herzen tragen."
Der aus Paris stammende Pierron, der zuletzt in Altona wohnte, hatte als Statist an der dortigen Staatsoper seine ersten Erfahrungen auf der Bühne gesammelt. Später arbeite er unter anderem auch als Regisseur und Schauspieler bei einem französischen Tourismus-Unternehmen. 1972 lernt er dabei in einem Feriendorf in der Karibik Renate Durand, die Frau des Salambo-Gründers René Durand, kennen, die ihn schließlich nach Hamburg holte.
Der Sex war immer ein Mittel zum Zweck
Gemeinsam mit Durand sollte der junge Franzose das Programm des legendären Erotik-Theaters erweitern. Nachdem sich die Zusammenarbeit mit dem schrillen Künstler als äußerst schwierig erwies, holte Hans-Henning Schneidereit den jungen Jeff Pierron 1976 in das benachbarte Erotik-Cabaret Safari, dessen künstlerische Leitung Pierron übernahm.
Statt sich wie bisher der Inszenierung ausschweifender Orgien hinzugeben, konzentrierte sich Pierron zunehmend auf die Interpretation von Musicals, Operetten und Theaterstücken, die er mit nur wenigen Darstellern umzusetzen versuchte. Der Sex, so betonte Pierron zuletzt, sei immer nur ein Mittel zum Zweck gewesen, um die Show für die Besucher interessanter zu machen. Schmuddelfilme dienten für ihn nie als Vorlage. Als Choreograf verstand er sich dagegen als Künstler, als ein Ästhet mit dem Blick für die kleinen Details.
Immer öfter versuchte der Choreograf den Sex daher in kleinen Theaterepisoden zu verpacken. Ergänzt wurde die Show dabei immer wieder von kleineren Tanz- und Solonummern, damit die Paare zwischen den Auftritten Zeit zur Regeneration bekamen – insbesondere die männlichen Darsteller, die mindestens viermal am Abend, an fünf Tage die Woche auf der Bühne ihren Mann stehen mussten.
2013 schloss das Safari seine Türen
Zufrieden mit seiner Arbeit, machte Schneidereit seinen Choreografen im Jahr 2000 sogar zum Mitgesellschafter und verkaufte ihm 49 Prozent seiner Firma. Doch das nahende Internet-Zeitalter mit seinem allgegenwärtigen Totalsex setzte die Theatermacher auf der Großen Freiheit zunehmend unter Druck.
Nur wenige Monate nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 2013, beschließt Emilia Schneidereit, die Witwe des Verstorbenen, ihre Mehrheitsanteile an dem Live-Sex-Theater zu verkaufen. Pierrons Überlegungen, das Safari mit Hilfe von Olivia Jones und einem neuen Konzept doch noch am Leben zu erhalten, scheiterten an den hohen finanziellen und behördlichen Hürden. Im Dezember 2013 musste das Safari schließen. Heute ist dort die Schlager-Bar "Safari Bierdorf" untergebracht.
Sehnsucht nach dem alten St. Pauli
Bis zuletzt dachte Pierron, der dem St. Pauli Blog des Hamburger Abendblatts vor zwei Jahren einen tiefen Einblick in sein Leben gab, sehnsuchtsvoll an die erfolgreichen Jahre auf St. Pauli zurück. „Früher schwärmten die Besucher vom verruchten Charme St. Paulis und verglichen die Cabarets und Shows an der Großen Freiheit mit Paris“, so Jeff Pierron. Der Reiz des Geheimnisvollen, des Sündigen und Sinnlichen sei jedoch längst verloren gegangen. „Die Leute wollen keine Show mehr außenherum, sie wollen einfach nur Porno.“
Zuletzt arbeitete Pierron auch als „Kiez-Experte“ für Kult-Dragqueen Olivia Jones und erzählte neugierigen Touristen Anekdoten aus einem außergewöhnlichen Berufsleben. „Wenn ich den Menschen von meiner Arbeit erzähle, sehe ich die Bühne immer noch vor mir“, sagte Pierron in einem letzten Interview. „Ich glaube, die Show lebt in den Köpfen weiter.“ So wie er nun für viele andere auch.