Hamburg. Firmen in der Region überraschen mit neuen Produkten und Diensten. Wir prüfen, wie gut sie sind. Heute: Hafer-Snacks aus Elmshorn.

Bei Peter Kölln in Elmshorn rückt ein Jubiläum näher: 2020 besteht Deutschlands bekanntester Haferflockenhersteller seit 200 Jahren. Geschichte und Gegenwart des Familienunternehmens sind prall gefüllt mit Superlativen und Geschichten von erfolgreichen Produktinnovationen und geschickten Marketing-Schachzügen. Die Umbenennung der eigenen Haferflocken zu „Blütenzarten Köllnflocken“ im Jahr 1938 gehört dazu. Heute kennen 92 Prozent der Deutschen die Marke. Der Mittelständler (365 Mitarbeiter, 129 Millionen Euro Umsatz) gilt in der Branche als Innovationsführer im Müslibereich, als größter Anbieter von Cerealien (Haferflocken, Müsli und Flakes) in Deutschland, als Erfinder des Schokomüslis und überhaupt als das Unternehmen, das dem bis dahin in Reformhäusern beheimateten Müsli Mitte der 1970er-Jahre den Weg in den Lebensmittel-Einzelhandel und auf die Frühstückstische der damals noch viel weniger als heute ernährungsbewussten deutschen Haushalte ebnete.

Wie aber kann es sein, dass dieses Unternehmen das Thema Müsli-Riegel mehr als 30 Jahre lang offensichtlich verschlafen hat? Christian von Boetticher, seit Herbst 2015 Geschäftsführer von Peter Kölln und Nachfolger des mittlerweile verstorbenen Hans-Heinrich Driftmann, hat die Frage erwartet, vielleicht ein bisschen befürchtet. „Ich kenne das Unternehmen ja schon lange und habe mich auch immer gefragt, warum es keine Riegel macht“, sagt er. „Als ich zu Kölln kam, wurde diese Diskussion intern aber bereits sehr lange geführt.“ Nur gab es keine Entscheidung.

An dem nächsten Produkt wird gearbeitet – geheim!

Marketingleiter Jörg Büttner, seit 25 Jahren im Unternehmen, weiß warum: „Wir hatten sehr lange sehr großen Respekt davor, gegen den Platzhirschen anzutreten. Außerdem waren Müsli-Riegel in Deutschland traditionell mehr eine Süßigkeit als ein Getreidesnack, eher klebrig. So etwas hätte nicht zu Kölln gepasst.“ Einige Monate nach dem Antritt des neuen Chefs fiel die Grundsatzentscheidung: Kölln entwickelt Müsli-Riegel. Aber anders als der so übermächtige Marktführer, dessen Namen die Elmshorner nicht in den Mund nehmen: Corny. Dessen Hersteller, sagen die Hafer-Experten süffisant, sei ja mehr als Marmeladenmacher bekannt. Gemeint ist Schwartau aus Lübeck.

Klar war aber auch, dass die Kölln-Riegel nur auf den Markt kommen, wenn das Unternehmen lernt, sie „viel wertiger als der Wettbewerb“ zu machen. So lautete der Auftrag an das vierköpfige Produktentwickler-Team um Anne-Dore Knaack. In den Meetings und Probierrunden mit der Geschäftsführung konnte die Leiterin der Abteilung Produktinnovation schließlich Vollzug melden: „Im Durchschnitt 25 Prozent weniger Zucker als der Wettbewerber“, hoher Vollkorngehalt, kein Soja, kein Palmöl, keine Aromen. Parallel dazu ermittelte Marketingleiter Büttner ermutigende Zahlen. „In Deutschland gibt es 13,1 Millionen Müsli-Riegel-Käufer und 8,3 Millionen Kölln-Käufer. Und 3,7 Millionen Kölln-Käufer sind auch Müsli-Riegel-Käufer.“ Seit dem Frühjahr sind die von einem Dienstleister gefertigten Riegel mit dem hellblau-dunkelblauen Markenzeichen in fünf Varianten auf dem Markt.

Kölln verkauft das Produkt als Riegel-Müsli

Von den Inhaltsstoffen und Geschmacksrichtungen her lehnen sie sich stark an die Kölln-Müslimischungen an. Und in der Werbung werden sie bisweilen nicht als Müsli-Riegel, sondern als Riegel-Müsli bezeichnet. Das Produktversprechen lautet: Dies ist ein Müsli, aber in anderer Form. Müsli to go. Die Riegel bei den Supermarktketten zu platzieren, die ohnehin schon Kölln-Müslis, blütenzarte und kernige Flocken, Haferkekse und laktosefreie Haferdrinks, Flocken in Bioqualität aus regionalem Getreide und glutenfreie Flocken, gelistet haben, sei nicht schwer gewesen, sagt Geschäftsführer von Boetticher: „Der Handel schätzt es nicht, wenn es nur einen großen Markenanbieter mit hohem Marktanteil gibt.“ Über Verkaufszahlen und Marktanteile der Riegel möchte er ein halbes Jahr nach dem Marktstart noch nicht sprechen. „Natürlich sind wir noch nicht da, wo wir hinwollen. Aber wir werden einen sehr langen Atem haben.“ Dass ist auch eine Ansage an den Marktführer. Dem Goliath unter den Müsli-Riegel-Machern, ist der Kölln-Chef überzeugt, ist der David aus Elmshorn mindestens lästig. „Der Wettbewerber reagiert mit Kampfpreisen.“

Von Boetticher treibt die Weiterentwicklung des Traditionsunternehmens nicht nur mit neuen Produkten voran: Im Juni hat an der Kurprome­nade in Westerland auf Sylt der erste Haferland-Shop eröffnet. Während der 2014 eröffnete Flagshipstore an der Steinstraße in der Hamburger City aus Sicht der Unternehmensführung vornehmlich ein Marketinginstrument ist, markiert der kleine Westerländer Shop den Einstieg in den Einzelhandel. „Auf Sylt wollen wir Geld verdienen“, sagt von Boetticher. Wenn das funktioniert, könnten weitere Läden folgen.

In einem ist man sich bei Peter Kölln einig: Hafer wird das Kerngetreide bleiben. „Im Unternehmen wird ständig darüber nachgedacht, was man mit und aus Hafer noch alles machen kann, welche neuen Produkte wir auf den Markt bringen können“, sagt von Boetticher. Und kündigt an: „Da kommt was.“ Produktentwicklerin Knaack und ihr Team arbeiten schon dran – geheim natürlich.

Test: Unterschiedliche Urteile zum Geschmack

Produkt: Die Müsli-Riegel von Peter Kölln gibt es in den Geschmacksrichtungen Hafer-Schoko, Schoko-Banane, Honig-Nuss, Hafer-Cranberry und Joghurt-Erdbeer. Ein Riegel wiegt 25 Gramm. Jeweils vier davon werden in einem flachen Pappkarton verkauft. Die unverbindliche Preisempfehlung für den Handel lautet 1,59 Euro.

Verpackung: Jeder Riegel ist einzeln in Plastik verschweißt. Bei den getesteten Riegeln waren sowohl die Pappkartons als auch das Plastiktütchen um einen Riegel nur schwer zu öffnen. Nach Angaben des Herstellers sind die Verpackungen mittlerweile so verändert worden, dass sie leichter zu öffnen sind. Eine Testerin lobte, dass der Karton ein Sichtfenster hat und die Plastiktüte teils transparent ist, weil man den Riegel so sehen kann.
Preis:
Hersteller Kölln selbst ordnet seine Müsli-Riegel in den oberen Bereich des mittleren Preissegments ein. Die Riegel des Konkurrenten Corny sind zumeist etwas günstiger. So kostet eine Packung (120 Gramm) der neuen Sorte Corny Crunch Hafer-Schoko 1,39 Euro.

Kalorien/Nährwertangaben: 100 Gramm des Hafer-Schoko-Riegels enthalten 26 Gramm Zucker und 16 Gramm Fett und 435 Kilokalorien. Das ist jeweils etwas mehr als das Schoko-Müsli selbst (22 Gramm Zucker, 11 Gramm Fett, 406 Kilokalorien.

Aussehen/Geschmack: Bei beiden Testpackungen Schoko-Hafer-Riegel mit Mindesthaltbarkeit März 2018 war der Schokoboden bereits weißlich angelaufen. Das ist womöglich nicht die Schuld des Herstellers, gibt aber Punktabzug. Gelobt wurde, dass die einzelnen Zutaten gut erkennbar sind. Beim Geschmack scheiden sich wie meist die Geister: „Sehr nah am Müsli aber mir fehlt die besondere Zutat“, hieß es. „Vielleicht etwas weich“, „ein bisschen langweilig“, „schmeckt ganz gut“.

Fazit: Die Kölln-Riegel sind eine recht ordentliche Alternative, aber kein großer Wurf. Deshalb: 3,5 von 5 Sternen.

Die Testserie – wieder am 10. Oktober im Wirtschaftsteil. Alle bisherigen Folgen finden Sie online unter www.abendblatt.de/testserie