Hamburg. Firmen in der Region überraschen mit neuen Produkten und Diensten. Heute: Hydrophil-Zahnbürsten aus Barmbek-Süd.

Schlichter Bambus-Griff, neun Reihen gerade Nylonborsten – fertig sind die Zahnbürsten der jungen Hamburger Marke Hydrophil. „Wir wollten das Design so funktional und einfach wie möglich halten“, sagt Christoph Laudon. Was nicht heißt, dass die Bürsten nicht einiges zu bieten hätten. Sie sind wassersparend produziert, enthalten keine tierischen Zusätze und werden fair gehandelt. Genau das Richtige für alle, die mit gutem Gewissen Zähne putzen wollen. Und das sind immer mehr. Eine halbe Million der nachhaltigen Zahnbürsten haben Laudon und seine Geschäftspartner Wanja Weskott und Sebastian Bensmann bislang verkauft.

Im Lager ihrer Firma Wasserneu­tral GmbH in Barmbek-Süd stapeln sich in den Regalen die Kartons, natürlich aus recycelter Pappe. Von hier aus werden die Bürsten in den Stärkegraden mittel und weich, in unterschiedlichen Farben und Größen nach ganz Deutschland verschickt. Im Sortiment sind zudem Becher aus Holzspritzguss, Ständer und Mundwasser. Es gibt Zahnputz-Sets und sogar ein Jahres-Abo, bei dem die neue Bürste pünktlich alle paar Wochen ins Haus kommt.

Es gibt auch vegane Kondome

Gerade hat es eine Reisebox für Zahnbürsten aus Bambus neu ins Sortiment geschafft. „Schwerpunkt liegt auf Produkten rund um die Zahnhygiene“, sagt Mitgründer Weskott. Es gibt aber auch Seifen, Wattestäbchen aus Bambus und vegane Kondome bei den Hamburgern. Entscheidendes Kriterium: Bei der Produktion soll so wenig Wasser wie möglich genutzt und verunreinigt werden – „hy­drophil“ eben, was so viel heißt wie wasserliebend.

Dass die drei Gründer sich mit dem Thema Wasser beschäftigen, ist kein Zufall. Kennengelernt hatten sich Laudon, eigentlich Erzieher, Betriebswirt Weskott und Sozialpädagoge Bensmann durch das gemeinsame Engagement für den Verein Viva con Agua, der sich für den weltweiten Zugang zu sauberem Trinkwasser einsetzt. „Bei einer Fahrradtour ist dann die Idee entstanden, auszuprobieren, wie man Produkte wasserneutral herstellen kann“, erzählt Christoph Laudon. Los ging es mit einem T-Shirt. „Als wir gemerkt haben, dass das ankommt, haben wir das Angebot ausgebaut“, sagt Weskott, der vorher im Eimsbüttler Familienbetrieb Kleine Konditorei gearbeitet hat. Inzwischen sind gut 30 Produkte im Angebot.

Jeder einzelne Griff wird einzeln gedrechselt

2014 wurde die Wasserneutral GmbH gegründet, seit 2015 verdienen Laudon und Weskott ihr Geld in dem jungen Unternehmen. Partner Bensmann ist aus dem operativen Geschäft ausgeschieden, aber weiterhin als Gesellschafter im Boot. „Wir wachsen langsam, aber stetig“, sagt Weskott, der für die Finanzen zuständig ist. Umsatzzahlen will der 32-Jährige nicht nennen. Jeden Monat werden 40.000 Bürsten produziert. Inzwischen beschäftigt das kleine Unternehmen fünf feste Mitarbeiter sowie einige Aushilfen und Praktikanten. Zehn Prozent des Gewinns gehen an Viva con Agua.

Wichtigstes Produkt ist die Hydrophil-Zahnbürste aus Bambus, mit der die Hamburger Pioniere im deutschsprachigen Raum waren. Das Entscheidende für die wasserschonende Herstellung: „Bambus braucht keine künstliche Bewässerung“, sagt Geschäftsführer Laudon. In wenigen Tagen reisen er und Wanja Weskott mal wieder ins chinesische Lishni, wo die Bürsten in einem kleinen Betrieb umweltschonend produziert werden.

Ein Video zeigt, wie der Bambus geerntet, geschnitten und getrocknet wird. Jeder einzelne Griff wird einzeln gedrechselt und mit Ökofarbe bemalt. Die Borsten sind allerdings aus Nylon. „Das würden wir gern ändern, aber für die Zähne ist das im Moment die beste Lösung“, sagt Laudon. Derzeit arbeiten die Gründer daran, einen Ersatz für den Kunststoff zu finden. Nächstes Jahr soll es so weit sein.

5,4 Tonnen Plastik eingespart

Schon jetzt wurden nach ihren Berechnungen 5,4 Tonnen Plastik durch den Verkauf der Bambus-Bürsten eingespart. Nach einer Umfrage des Statistikportals Statista wechselt jeder dritte Bundesbürger seine Bürste alle zwei bis drei Monate, 18 Prozent sogar einmal im Monat. Insgesamt werden in Deutschland etwa 190 Millionen Zahnbürsten verkauft – und weggeworfen. Das sind 2200 Tonnen Plastikmüll.

Hydrophil ist mit den Bambus-Bürsten quasi auf dem Weg zurück zu den Wurzeln des Reinigungsgeräts. Die frühesten bekannten Zahnbürsten stammen aus der Zeit um 3000 vor Christus. Es waren dünne Stöckchen zum Kauen, die an einem Ende ausgefasert waren.

Gerade tüfteln die Unternehmer an einer wassersparenden Verpackung für Zahnpasta. Aber bislang haben sie noch keine funktionale Lösung gefunden. „Es geht uns immer um einen einfachen Einstieg für unsere Kunden“, sagt Wanja Weskott. Nur so könne die breite Masse für das umweltschonende Produkt begeistert werden. „Man muss nicht sein Leben umstellen, um eine Bambus-Zahnbürste zu benutzen.“

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Griff biologisch abbaubar, Borsten (noch) nicht


Produkt:
Die Hydrophil-Zahnbürsten stechen in ihren schlichten
Schachteln aus Recyclingpappe zwischen den üblichen Angeboten
deutlich heraus. Die Beschreibung enthält die notwendigen Angaben
zu Materialen (Bambus, Nylonborsten), Stärke (mittel, weich) sowie
Farbe (natur, blau, rot, grün). Zertifizierung für die Aspekte
vegan und antibakteriell sind vorhanden. Es gibt eine Kindergröße.


Nutzung:
Gerader Stiel, gerade Borsten – das Design der Bürste
konzentriert sich auf das Wesentliche. Das funktioniert beim Griff
ausgezeichnet. Er liegt gut in der Hand, ist nicht rutschig. Für
den Bürstenkopf aus BPA-freier Nylonfaser gibt es Punktabzug: Zwar unterscheidet sich das
Sauberkeitsgefühl nach dem Putzen nicht von anderen manuellen
Zahnbürsten, aber bei einem der Tester lösten sich einzelne
Borsten. Zudem ist das Material nicht biologisch abbaubar.

Preis-Leistungs-Verhältnis: Die Zahnbürsten sind mit 3,90 Euro
deutlich teurer als die meisten Produkte aus Plastik. Im Vergleich
zu anderen Bambus-Zahnbürsten sind die Preise ähnlich. Erhältlich
sind die Bürsten in Hamburg bei Budni, in verpackungsfreien Läden
wie Stückgut in Ottensen und in den nächsten Tagen auch in
Alnatura-Filialen.

 Fazit: Zahnbürsten mit Bambusgriff sind eine
gute Sache, weil sie die Umwelt entlasten und Plastikmüll vermeiden
helfen. Um das Produkt biologisch zu entsorgen, muss man aber
entweder den Bürstenkopf abbrechen oder die Nylonborsten
rausziehen. Und: Zu dem wichtigsten Produktversprechen „
wasserneutral“ – ein Kunstwort – gibt es keine belastbaren Angaben.
Das Abendblatt- Urteil: 3,5 von 5 Sternen.

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