Hamburg. Die Symphoniker Hamburg widmen ihr Saisoneröffnungskonzert in der Laeiszhalle dem Andenken an den Chefdirigenten Jeffrey Tate.

Diese Saison steht für die Symphoniker Hamburg unter dem ungeschriebenen Motto „eigentlich“. Eigentlich hätte Jeffrey Tate, der am 2. Juni starb, die einem Chefdirigenten zustehende Reihe von Sinfoniekonzerten leiten sollen. Die Lücke für jedes Projekt zu füllen, das ist tätige Trauerarbeit.

Die Saisoneröffnung hat der erste Gastdirigent Ion Marin übernommen. Anstelle der von Tate programmierten Strauss-„Metamorphosen“ schickte Marin der Neunten von Bruckner einen nicht weniger happigen Brocken voraus, der in diesem Zusammenhang – das Orchester widmete den Abend dem Andenken Tates – fast zu viel der Bedeutungslast trug: die sinfonische Dichtung „Tod und Verklärung“, ebenfalls von Strauss. Und mindestens so komplex wie die „Metamorphosen“, weil nicht nur 23 Solostreicher, sondern viele Dutzend Musiker eines riesig besetztes Sinfonieorchesters beteiligt sind.

Potent wie Strauss als Tonmaler nun einmal war, strotzt auch das Jugendwerk „Tod und Verklärung“ vor assoziativ unmittelbar nachvollziehbaren Klängen und Motiven: das in Bässen und Schlagwerk pochende Herz, das fortissimo im Fieberwahn delirierende Tutti, die brechenden Augen in den sich aufwärts verschlingenden Geigenstimmen. All diese Motive und gegeneinander versetzten Rhythmen sortierte Marin treulich ineinander, Intonation und Zusammenspiel funktionierten unter seiner entschiedenen Leitung über weite Strecken, von einigen Ausrutschern abgesehen. Nur hin und wieder zuckte der Hörer zusammen: So ein Fortissimo-Schlag mit vollem Blech klingt in der ­Laeiszhalle noch mal knalliger, seit die Elbphilharmonie vorführt, wie elegant ihre Akustik mit derlei Extremanforderungen fertig wird.

Es fehlten letzte Feinheiten, Einsätze wackelten, Details gingen unter

Geschenkt. Wirklich schade war, dass das Stück nicht abheben wollte. Laut und dramatisch war’s, das schon, aber die Gegenwelt, die am Rande des Nichts hauchenden Piani und, die fahlen Farben, der verendende Rhythmus, all das war viel zu diesseitig. Ein reichlich frischer, pausbäckiger Tod war das.

Ganz ähnlich, nur in Länger, wirkte die Leistung bei Bruckners Neunter. In seiner letzten, unvollendeten Sinfonie hat der Komponist noch einmal ans Überirdische zu rühren versucht; endlos spinnt er die Motive, bis die Hörer in Trance fallen. Aber in der Laeiszhalle fiel niemand in Trance. Für die große Linie sorgte Marin, aber es fehlten die letzten Feinheiten, Einsätze wackelten, Details gingen unter.

Einen gewissen Schauwert lieferte immerhin der erste Cellist. Der warf seinen Kopf dramatisch zur Seite, drehte sein Instrument vom Körper weg oder machte zu Staccato-Passagen Headbanging. Nicht einmal ein Solist würde sich solche Exaltiertheiten herausnehmen.

Der Herr war vermutlich ein Gast. Die Position des Solocellisten ist nämlich vakant. Was ein altes Dilemma offenbart: Warum dieses tapfere kleine Orchester die Kosten für solche Mammutprogramme schultern sollte, wo es am Ort gleich zwei Orchester gibt, die dieses Repertoire mühelos abdecken können – die Frage ist an diesem Abend schmerzlich offengeblieben.