Hamburg. CDU-Landeschef Roland Heintze über den politischen Gegner, die Ziele seiner Partei und den oberflächlichen Wahlkampf.
Er war zugleich einer der größten Verlierer und Gewinner des CDU-Debakels bei der Bürgerschaftswahl 2015: Roland Heintze, bis dahin profilierter Finanzpolitiker der CDU-Fraktion, verlor überraschend sein Bürgerschaftsmandat – wurde aber wenig später Landesvorsitzender der Hamburger CDU. Im Abendblatt-Interview spricht er über die Chancen seiner Partei bei der Bundestagswahl und seine Lieblingskoalition – und kritisiert die weitgehende Entpolitisierung moderner Wahlkämpfe.
Herr Heintze, wagen Sie einen Wahltipp für die Bundestagswahl?
Roland Heintze: Ich glaube, die CDU landet bei Ende 30, die SPD bei Anfang 20, AfD, FDP und Linke Kopf an Kopf bei um die neun und die Grünen bei um die sieben Prozent.
Traditionell gehen entweder alle oder mindestens fünf der Hamburger sechs Wahlkreise an die SPD. Bleibt es auch diesmal bei dieser Tradition?
Das ist nicht gesagt. Nach der jüngsten Umfrage zur Bundestagswahl liegen wir mit der SPD in Hamburg fast gleichauf. Das hat es bisher nur einmal gegeben. Außerdem macht Rot-Grün in Hamburg eine schlechte Figur. Es gibt große Sicherheitsprobleme, dem Hafen geht es nicht gut, und nun will der Senat bei Rekordsteuereinnahmen allen Hamburgern eine neue Reinigungsgebühr abnehmen. All das kommt nicht gut an. Auch das trägt dazu bei, dass wir neben Nord auch andere Wahlkreise gewinnen könnten. In Wandsbek war es bei der letzten Bundestagswahl sehr knapp. Altona und Eimsbüttel haben wir auch schon mal gewonnen. Mehr als einen Wahlkreis zu holen, wäre ein großer Erfolg.
Und in Berlin gibt es dann die dritte Große Koalition in zwölf Jahren?
Das wünsche ich mir nicht. Es gibt zu viele Themen, bei denen die SPD Fortschritte immer wieder blockiert. Etwa bei sicheren Drittstaaten, in die man einfacher abschieben kann, weil es dort keine politische Verfolgung gibt.
Also lieber Schwarz-Grün?
Nein, meine Lieblingskoalition wäre eine Schwarz-Gelbe. Ich glaube, dass die Gemeinsamkeiten zwischen CDU und FDP am größten sind.
In der letzten schwarz-gelben Koalition hat man sich gegenseitig als „Gurkentruppe“ und „Wildsau“ bezeichnet. Besonders harmonisch wirkte das nicht.
Gerade im Bereich der Wirtschafts- und Finanzpolitik haben wir damals gut zusammengearbeitet und viel erreicht. Außerdem haben sich beide Parteien inhaltlich und personell seitdem ja an vielen Stellen erneuert.
Und wenn es für Schwarz-Gelb nicht reicht, dann nimmt man die Grünen dazu und bildet ein Jamaika-Bündnis?
Dann würde ich dafür plädieren, erst einmal alle Möglichkeiten genau zu prüfen. Wir müssen uns sehr genau ansehen, in welcher Konstellation wir die meisten CDU-Positionen durchbekommen. Nur das zählt.
Hört sich an, als hätten Sie größere Aversionen gegen die Grünen. Dabei haben Sie mit denen in Hamburg doch sogar schon gemeinsam regiert.
Man muss da sehr zwischen Landes-Grünen und Bundes-Grünen unterscheiden. In der Wirtschafts- und der Sicherheitspolitik vertreten die Bundes-Grünen Positionen, die kaum mit unseren kompatibel sind. Auch der Verbot von Verbrennungsmotoren, den die Grünen fordern, ist in der aktuellen Lage kontraproduktiv. Außerdem wäre ein allwöchentlicher Streit zwischen den Herren Kubicki und Özdemir auch nicht hilfreich.
Ist eine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD irgendwann denkbar?
Nein. Dieser Wahlkampf hat gezeigt: Die AfD steht für organisierten Populismus an der Grenze zum Krawall. Viele Menschen, mit denen ich spreche, fühlen sich bei der Art der Stimmungsmache der AfD an Weimar erinnert. Es gibt zu viele Äußerungen, wie zuletzt zum „Entsorgen“ von Menschen, die lassen einen stark daran zweifeln, dass die AfD noch auf dem Boden unserer Werte steht. Es gibt mir entschieden zu viel rechtsradikales Gedankengut in dieser Partei.
Wobei manche sagen, die AfD bilde in ihren moderateren Teilen schlicht den rechten Flügel der Union ab, der unter Merkel amputiert worden sei.
Es gibt bis heute einen konservativen Flügel in der Union. Natürlich muss man sich mit den Themen der AfD auseinandersetzen. Aber man darf nicht mit Radikalen zusammenarbeiten. Das werden wir auch nicht tun.
Der Wahlkampf plätschert dahin. Die Strategie von Angela Merkel, uns alle in den Schlaf zu langweilen, scheint aufzugehen.
Es gibt in diesem Wahlkampf nicht die ganz großen Streitthemen, das ist wahr. Und zwar vor allem deshalb, weil Deutschland so gut dasteht. Aber die CDU hat in ihrem Wahlprogramm konkrete Vorschläge zu allen Bereichen gemacht. Viele unserer Hamburger Ideen etwa zur Abschaffung des Soli oder zum Familiensplitting sind in unser Programm eingeflossen. Da sind die Unterschiede etwa zur SPD deutlich sichtbar.
Über wichtige Themen wurde in diesem Wahlkampf trotzdem kaum gesprochen. Dabei gäbe es so viele: die Zukunft der Arbeit nach der digitalen Revolution, Sicherung von Rente und Pflege.
Ich bin auch nicht glücklich damit. Wir alle hetzen immer von einem Thema zum anderen, befassen uns für 24 Stunden aufgeregt mit einer Sache, am nächsten Tag mit einer anderen. Es ist ja nicht so, dass die Politik sich nicht Gedanken über all die großen Themen macht. Die Zeiten sind aber schnelllebig. Das ist fundierten Diskussionen über komplexe Themen nicht immer zuträglich. In Politik und Medien sollten wir darüber nachdenken, wie wir wieder Räume für öffentliche Debatten mit mehr Tiefgang schaffen.
Keine schlechte Idee. Und schon müssen wir zur nächsten Frage hetzen: Wie geht es nach der Bundestagswahl weiter in Hamburgs CDU? Wann wird der Bürgermeisterkandidat für 2020 gekürt?
Nach der Sommerpause 2018 werden der Fraktionsvorsitzende André Trepoll und ich gemeinsam einen Kandidatenvorschlag präsentieren. Dann müssen wir auch klären, wer 2019 für das Europaparlament kandidiert.
Haben Sie sich schon entschieden, wohin die Reise für Sie gehen soll? Europa, Bürgerschaft oder Spitzenkandidatur?
Jetzt steht erst einmal die Bundestagswahl an. Da kämpfe ich für möglichst viele CDU-Abgeordnete aus Hamburg. Danach machen wir uns Gedanken, wie wir Rot-Grün in dieser Stadt beenden, bevor noch mehr Schaden beispielsweise im Hafen oder der Innen- und Verkehrspolitik entsteht. Die nötigen Personalentscheidungen treffen wir dann wie dargestellt. Meine persönliche Motivation, politisch zu gestalten, ist ungebrochen.