Hamburg. André Trepoll und Roland Heintze verteidigen die Rücktrittsforderung gegen Hamburgs Bürgermeister Scholz.
Eigentlich wollte André Trepoll an diesem Morgen in die Offensive gehen und nach den schweren Ausschreitungen beim G20-Gipfel ein Konzept gegen Linksextremismus vorstellen. Doch nach der ungewöhnlich deutlichen Kritik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an der Rücktrittsforderung, die ihre Hamburger Parteifreunde gegen Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) erhoben hatten, war er selbst plötzlich in der Defensive.
Doch nach Kreidefressen war dem CDU-Fraktionschef in der Bürgerschaft nicht zumute. Trepoll verteidigte seine Rücktrittsforderung gegen Scholz und pochte auf eine eigenständige Bewertung der G20-Ereignisse: „Es gibt einen guten Grundsatz in Deutschland, dass Länderpolitik Länderpolitik bleibt“, sagte er im Rathaus und betonte: „Ich bin nicht verantwortlich in irgendwelchen Bundesgremien meiner Partei, sondern ich bin hier von den Menschen in Hamburg gewählt als Abgeordneter.“
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Merkel hatte am Vorabend in der ARD die Rücktrittsforderung scharf kritisiert. „Ich habe mit der Hamburger CDU gesprochen, habe ihr ganz deutlich gesagt, dass ich das für falsch halte.“ Sie habe „genauso die Verantwortung wie Olaf Scholz“. Das sehe die ganze CDU-Führung so, mit Ausnahme Hamburgs, so Merkel: „Die dortige Opposition meinte, sie müsse es anders sehen.“
Trepoll entgegnete, er nehme ja zur Kenntnis, dass Scholz nicht zurücktrete und wolle die Forderung auch „nicht jeden Tag wiederholen“. Dennoch zeige er kein Verständnis dafür, dass die CDU-Spitze den SPD-Bürgermeister in Schutz nimmt: „Ich ziehe daraus andere Konsequenzen.“ Mit Blick auf die schweren Ausschreitungen und Scholz’ zuvor gegebene Sicherheitsgarantie betonte Trepoll, „dass die Menschen hier in Hamburg einen anderen Blick darauf haben als im Rest der Republik“.
Abgestimmt habe er die Rücktrittsforderung mit der Bundes-CDU vorher nicht, so Trepoll: „Das ist nicht notwendig, weil das unsere Verantwortung ist.“ Eine direkte Kommunikation zu dem Thema habe es zwischen ihm und der CDU-Vorsitzenden nicht gegeben. Den Unmut der Kanzlerin musste sich stattdessen CDU-Landeschef Roland Heintze im CDU-Bundesvorstand anhören. Mit seinem Versuch, die Rücktrittsforderung zu rechtfertigen, stand er dort auf verlorenem Posten.
Heintze war daher am Montag bemüht, die Wogen ein wenig zu glätten: „Aus bundespolitischer Sicht war der Gipfel ein Erfolg, darin bin ich mit Frau Merkel einig.“ Dennoch verteidigte auch er die Rücktrittsforderung: „Aus Hamburger Sicht sind wir wegen der schweren Ausschreitungen und dem unglücklichen Agieren des Bürgermeisters, der die Gefahren erst verharmlost und seine Sicherheitsgarantie nicht gehalten hat, anschließend zu der Bewertung gekommen, dass Olaf Scholz zurücktreten sollte.“ Er finde diesen Dissens auch gar nicht dramatisch: „Dass vor Ort mal etwas anders bewertet wird als von der Bundespartei, kommt vor. Die Äußerungen der Bundeskanzlerin dazu habe ich nicht als abfällig verstanden.“
Wendepunkt der Ära Scholz?
Führende CDU-Politiker bestätigten, dass ihre Hamburger Parteifreude mit ihrer Haltung recht isoliert dastünden. Er halte die Rücktrittsforderung auch für überzogen, sagte ein Landesvorsitzender, der nicht genannt werden wollte, dem Abendblatt. Und Armin Schuster, Innenexperte der CDU im Bundestag, betonte: „Ich war einer der Ersten, die Scholz den Rücken gestärkt haben – was diesen Einsatz anbelangt. Nicht, was das seit Jahren nachsichtige Dulden der Vorgänge rund um die Rote Flora und das Schanzenviertel betrifft.“ Er fordere „null Toleranz“ gegen alle Formen von Extremismus.
Der Hamburger Parteienforscher Professor Elmar Wiesendahl (Agentur für politische Strategie) glaubt, dass der CDU-Fraktionschef mit seinen markigen Worten bereits an Statur gewonnen hat: „Herr Trepoll hat ja nicht mit Schuld argumentiert, sondern er hat den Stil des Bürgermeisters kritisiert, seinen Umgang mit den Ausschreitungen, ihn an der Ehre gepackt. Damit hat er einen Treffer gelandet, unter dem Scholz schon leidet. Ich glaube, dass das ein Wendepunkt der Ära Scholz ist.“
Die Kritik der Kanzlerin sieht Wiesendahl noch nicht als Problem für den Oppositionsführer. Er wundere sich aber, dass Merkel den Hamburger Landesverband nicht noch deutlicher zurechtgewiesen hat: „Es ist völlig untypisch für Angela Merkel, dass sie dieses Doppelspiel duldet. Eigentlich müsste sie das unterbinden.“
Dass die CDU-Chefin sich überhaupt so ungewöhnlich klar geäußert habe, erklärt Wiesendahl so: „Wenn Merkel von geteilter Verantwortung bei sich und dem Bürgermeister spricht, entzieht sie sich präventiv dem Vorwurf, Scholz allein die Schuld zuzuschieben. Ab jetzt ist klar: Merkel und Scholz sind wie Nut und Feder. Wer Scholz kritisiert, kritisiert auch Merkel.“
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