Hamburg. Für die neuen Stellen werden auch 150 Langzeitarbeitslose berücksichtigt. Das Abendblatt war bei einem Bewerbertag dabei.

Die Luft im Vortragsraum des Jobcenters ist stickig. Immer mehr Menschen strömen in das Zimmer und nehmen Platz. Viele tragen eine Mappe mit Bewerbungsunterlagen bei sich. Hier werden Jobs an Langzeitarbeitslose vergeben. Keine befristeten, sondern sehr sichere bei einem öffent­lichen Arbeitgeber, der Hamburger Stadtreinigung. 400 neue Stellen will das Unternehmen bis zum Beginn des kommenden Jahres vergeben. 150 davon sollen möglichst mit Arbeitslosen aus dem Jobcenter besetzt werden.

Von einem „Glücksfall“ spricht Dirk Heyden, Geschäftsführer des Jobcenters. „Die Stadtreinigung bietet gerade auch Bewerbern eine Chance, denen der Arbeitsmarkt sonst keine bietet. Ausschlaggebend sind vor allem Arbeitsmotivation und Zuverlässigkeit.“ Langzeitarbeitslos ist, wer mindestens schon ein Jahr nach einem neuen Arbeitsplatz sucht. Rund 20.000 Langzeitarbeitslose gibt es in Hamburg. Ihre Zahl hat sich in den vergangenen zehn Jahren um fast 14.000 verringert. Aber seit 2013 gibt es kaum noch Fortschritte. „Es ist eine große Herausforderung, Menschen, die lange aus dem aktiven Arbeitsleben heraus sind, wieder in Beschäftigung zu bringen“, sagt Heyden. „Dazu kommt, dass es für Arbeitskräfte mit geringeren fachlichen oder sprachlichen Kenntnissen in Hamburg zu wenige Stellen gibt, die ein Leben ohne staatliche Unterstützung ermöglichen.“

Auch 60 Flüchtlinge können sich bei der Stadtreinigung Hamburg bewerben

400 von den 20.000 Langzeitarbeitslosen wurden vom Jobcenter ausgewählt und zu den insgesamt 13 Informations- und Bewerbungsveranstaltungen eingeladen. „Wir arbeiten ausschließlich nach dem Prinzip der Freiwilligkeit. Wir treffen eine qualifizierte Vorauswahl und begleiten jeden Bewerber bis zur möglichen Einstellung“, sagt Heyden. Knapp jeder Dritte kann also im Zuge des Auswahlverfahrens zum neuen Arbeitsplatz kommen. Auch 60 Flüchtlinge können sich bewerben.

Jörn Lamprecht von der Personalentwicklung der Stadtreinigung sagt gleich, worauf es ankommt: früh aufstehen, im Zweischichtsystem ganzjährig draußen arbeiten, Einsätze auch am Wochenende und Rufbereitschaft für die Schneeräumung. Das Anfangsbruttogehalt liegt bei 1953,10 Euro. Es wird 12,8-mal im Jahr gezahlt. Mit Dauer der Betriebszugehörigkeit kann der Lohn bis auf 2555 Euro steigen. Auch ein Aufstieg zum Teamleiter ist möglich. Das bringt dann 250 Euro mehr im Monat. Zuvor hat Lamprecht erklärt, warum die Stadtreinigung nun einen so großen Personalbedarf hat. Nie zuvor wurden so viele Mitarbeiter auf einen Schlag neu eingestellt. Grund ist das neue Projekt „Hamburg – gepflegt und grün“, mit dem Hamburg sauberer werden soll.

Ein Team bei der Stadtreinigung besteht aus drei Mitarbeitern

Zur Einstimmung des Bewerber­tages gibt es einen Film. Ein Team der Stadtreinigung schwingt große Besen an schmutzigen Straßen, leert Papierkörbe, pflegt Grünanlagen. Drei Mitarbeiter bilden je ein Team. „Es sieht leichter aus, als es ist“, sagt im Film Diana Arps, die im März 2017 bei der Stadtreinigung angefangen hat. Ihr gefällt die Arbeit, „weil man am Ende des Tages sieht, was man geschafft hat“. Auch der frühe Feierabend in der ersten Schicht um 14.30 Uhr sagt ihr zu. „Dann hat man noch was vom Rest des Tages.“

Das Interesse an den neuen Jobs der Stadtreinigung ist groß. Von 50 Eingeladenen sind 40 gekommen. Das ist eine sehr gute Quote. Wer nicht erscheint, muss keine Kürzungen seines Hartz-IV-Geldes befürchten. Nach dem Film können Fragen gestellt werden. Hinterfragt werden die Bezahlung, Arbeitsorte und die Sozialleistungen.

„Wer jetzt kein Interesse mehr hat, kann gehen“, sagt eine Mitarbeiterin des Jobcenters nach Film und Fragerunde. Niemand müsse Sanktionen befürchten. Doch 32 von 40 Bewerbern stellen sich auch noch den fünf- bis zehnminütigen Einzelgesprächen mit Mitarbeitern der Stadtreinigung. Wer hier einen guten Eindruck macht, wird zu einem weiteren Bewerbungsgespräch eingeladen, nach dem dann die Entscheidung fällt.

Devrim Karahasanoglu ist seit sieben Jahren wieder in Deutschland, nachdem er auch hier aufgewachsen ist. In der Türkei hat er einen Abschluss als Bautechniker gemacht, der hier nicht anerkannt wird. Auch die Berufserfahrung in diesem Job fehlt. „Ich habe jetzt nur einen Teilzeitjob in einer Gärtnerei“, sagt der 42-Jährige. Zum Lebensunterhalt für sich, seine Frau und die zwei kleinen Kinder erhält er ergänzende Leistungen des Jobcenters. „Eine Vollzeitstelle bei der Stadtreinigung wäre ideal“, sagt er.

Wöchentlich gehen 50 bis 60 Bewerbungen ein

Seine Chancen stehen auch gut, weil er schon eine ähnliche Arbeit macht und einen Führerschein hat, lässt Lamprecht durchblicken. Bekommt er die Stelle, hat er monatlich netto 2035 Euro zur Verfügung. Kindergeld und das 13. Gehalt sind darin schon eingerechnet. Mit den kompletten Hartz-IV-Leistungen für eine vierköpfige Familie würde er nicht schlechter dastehen. „Aber ich möchte für meine Familie selbst aufkommen können“, sagt Karahasanoglu.

Andrea Jordan hat Schweißerin gelernt und im Betrieb ihres Vaters gearbeitet. Als er starb, musste die Firma aufgegeben werden. „Ich konnte sie nicht weiterführen“, sagt die alleinerziehende Mutter. Auch sie hat gute Chancen, den Job zu bekommen. „Mich reizt die Festanstellung und ein gesichertes Gehalt“, sagt die 34-Jährige. Auch sie hat Erfahrungen im Garten- und Landschaftsbau.

Auch ohne die Veranstaltungen des Jobcenters bekommt die Stadtreinigung wöchentlich 50 bis 60 Bewerbungen. Erst seit Kurzem wird auch mit Werbung und Stellenanzeigen gesucht. „Im Schnitt sind sechs Bewerberkontakte notwendig, um eine Stelle zu besetzen“, sagt Lamprecht. Bis zum 1. Januar 2018 sollen alle 400 Stellen besetzt sein.