Hamburg. Darf ein Romeo in Husum geboren sein? Im Ohnsorg-Theater kein Problem: Am Wochenende hat die große Shakespeare-Tragödie Premiere.
So lässt sich ein junges Paar abseits der Bühne auch zusammenbringen: Kurzerhand hat der neue Hausherr Michael Lang sein Büro geräumt, damit genug Raum, Zeit und relative Ruhe bleiben für ein Gespräch mit Yvonne Yung Hee Bormann und Marco Reimers. Beide nehmen an einem runden Tisch Platz. Probenpause, ehe die Vorbereitungen für die erste Doppel-Premiere in Langs Intendanz am Ohnsorg weitergehen. An diesem Sonnabend und Sonntag ist es so weit, auch wenn das Theater wie das gesamte eingerüstete Bieberhaus am Hauptbahnhof derzeit von außen einer Baustelle gleicht.
Und Yvonne Yung Hee Bormann und Marco Reimers spielen nicht irgendein Paar, sie geben das Liebespaar der Weltliteratur: „Romeo und Julia“. Wie es dazu kam?
Bormann muss einen Moment überlegen. „Hast dich also nicht mehr erinnert“, wendet Reimers keck ein, doch die Schauspielkollegin lässt sich nicht aus der Ruhe bringen: Vor einem Jahr habe sie Regisseur Murat Yeginer gefragt, ob sie in dem Shakespeare Klassiker mitspiele wolle. Da hatte sie gerade unter ihm im Winterhuder Theater Kontraste in „Hinter der Mauer ist das Glück“ Premiere gefeiert, einer feinen Farce zum Thema Abschottung. Als Frau Ting erforschte Bormann im Auftrag der chinesischen Regierung das Geheimnis des großen deutschen Glücks.
Julia wurde in Südkorea geboren
Damals stand bereits fest, dass Yeginer „Romeo un Julia“, wie das Stück im Ohnsorg heißt, inszenieren wird. Schon paradox und ganz schön gewagt: Mit Murat Yeginer, laut eigener Aussage „ein Theaterwahnsinniger“, als gebürtiger Türke in Pinneberg aufgewachsen, in Hamburg zur Schule gegangen und vor 40 Jahren bei der legendären Ida Ehre an den Kammerspielen theatral sozialisiert, mit der gebürtigen Südkoreanerin Bormann und mit dem gebürtigen Nordfriesen Reimers sind gleich drei Neulinge am Ohnsorg für den Erfolg zum Spielzeitauftakt verantwortlich.
„Romeo“ Reimers weiß noch genau, wie er zu seiner Rolle kam: „Ich habe eine E-Mail ans Ohnsorg geschrieben, dass ich bald mit der Schule für Schauspiel Hamburg fertig bin – und dass ich Plattdeutsch kann“, erzählt er. Im Juni vorigen Jahres war das; plietsch nennt man das wohl. Zwei Monate später lud die niederdeutsche Bühne zum Vorsprechen. Auch Reimers ist Hamburger Theatergängern nicht ganz unbekannt: In zwei Stücken spielte er am Altonaer Theater, und in diesem Frühjahr entpuppte er sich in der Sozialfarce „Ich habe Bryan Adams geschreddert“ (Kammerspiele) als gerade volljähriger Sohn eines Paares als echte Entdeckung.
Im wahren Leben ist Reimers 27, bereits Vater einer dreijährigen Tochter und hat in den Theaterferien eben noch mal schnell seine langjährige Partnerin geheiratet. So einfach geht das bei „Romeo un Julia“ nicht: William Shakespeares Stück gilt noch immer als schönste, wenn auch tragischste Liebesgeschichte aller Zeiten. „,Romeo und Julia‘ kannte ich noch aus dem Deutschunterricht und dank der Beschäftigung mit Theatergeschichte“, sagt Bormann, die nach der Ausbildung im Diplomstudiengang Musical Theatre in München zunächst im Musiktheater Fuß fasste. „Und den Film ,Romeo + Julia‘ mit Leo DiCaprio kenne ich“, sagt sie. „Den habe ich auch gesehen“, ergänzt Reimers.
Romeo ist ein Clown, "allerdings kein wirklich guter“
So langsam kristallisieren sich die Gemeinsamkeiten heraus. Dass die Chemie zwischen Bormann und Reimers stimmt, davon hatten sich Regisseur Yeginer und Intendant Lang noch vor der finalen Besetzung vergewissert: Sie ließen die Mittdreißigerin Yvonne, die aufgrund ihrer zierlichen Statur um einiges jünger wirkt, und Marco eigens noch eine Liebesszene vorspielen.
Yeginer, der die Stückfassung mit den Ohnsorg-Dramaturginnen Cornelia Ehlers und Cornelia Stein bewusst neu schrieb, hat die Handlung in die Zirkuswelt verlegt. Beide Protagonisten sehen ihre Charaktere, den Sohn respektive die Tochter der von jeher verfeindeten Familien Montague und Capulet, als Außenseiter, als Randfiguren im Spiel in der Manage. „Romeo ist ein Clown, allerdings kein wirklich guter“, erläutert Reimers. Julia sei eine Art Pausenclown, die lange mit einer Maske herumlaufe, verrät Bormann. „Die gehört zu Julia.“
Was nicht zu ihr gehört, ist die plattdeutsche Sprache. Julias Familie spricht hier nur Hochdeutsch. Bormann hat dieser dramaturgische Kniff anfangs überrascht. Sie, die mit sieben Monaten von einem deutschen Paar adoptiert wurde, ist in Bremerhaven aufgewachsen und dort zur Schule gegangen. Die jetzige Wahlberlinerin spricht – bei Bedarf – auch norddeutschen Dialekt, Plattdeutsch hätte sie lernen müssen, auch wollen, versichert die Schauspielerin, die 2013 dank der Episoden-Hauptrolle im Münsteraner „Tatort“ (Titel „Die chinesische Prinzessin“) einem Millionenpublikum bekannt wurde.
Julia zu Romeo: „Ick heff di leev“
Marco Reimers, geboren in Husum, hat noch keine TV-Erfahrung, ist aber in St. Peter-Ording mit Plattdeutsch groß geworden. Seine Vater habe zu Hause nur Platt gesprochen, erzählt er; der Sohn lernte erst in der Schule Hochdeutsch. „Plattdeutsch hat den großen Vorteil, es kann nie zu kitschig sein, wenn man es spricht“, weiß er.
„Ein paar Sätze auf Platt hab ich aber auch“, wendet Yvonne Yung Hee Bormann ein. Ihr liebster Satz als Julia? „Ick heff di leev“, sagt Yvonne lächelnd. Klingt gut. Und Marco schmunzelt.
„Romeo un Julia“ Vorpremiere Fr 25.8., 19.30, Karten zu 17,- (zzgl. Geb.) in der HA-Geschäftsstelle, Gr. Burstah 18, T. 30 30 98 98Premieren Sa 26.8. + So 27.8., jeweils 19.30, dann bis 30.9., Ohnsorg-Theater (U/S Hbf.), Heidi-Kabel-Platz 1, Karten zu 18,- bis 31,50 unter T. 35 08 03 21; www.ohnsorg.de