Hamburg. Immobiliendarlehen sind bereits bis zu 40 Prozent teurer als vor knapp einem Jahr. Experten rechnen mit weiterem starken Anstieg.

Schon seit Herbst vergangenen Jahres sucht das Ehepaar Möckel­ verzweifelt nach einem Einfamilienhaus. Bis zu 670.000 Euro wollen sie dafür ausgeben, aber Hamburg möglichst nicht verlassen. Die Suche gestaltet sich immer schwieriger. Mal passt der Grundriss oder die Lage überhaupt nicht, oft bekommt ein anderer Bewerber den Zuschlag.

Die Experten kennen den Grund. „Bei Besichtigungen treiben die Interessenten die Angebotspreise noch weiter nach oben, um den Zuschlag zu bekommen“, sagt Stefan Kram, Vorstandssprecher der PSD Bank Nord. Ein Haus, für das der Verkäufer 620.000 Euro fordert, bringt schon mal 690.000 Euro, weil der Käufer von sich aus anbietet, so viel zu zahlen. Das sei in Hamburg inzwischen eher die Regel als die Ausnahme, sagt Kram. Weil das Angebot an Immobilien so knapp ist.

Manche Banker verlangen 1,60 Prozent Zinsen

Jetzt wird der Immobilienerwerb noch von einer anderen Seite beeinträchtigt. Die Zinsen für Baugeld steigen. Nur weil das von einem sehr niedrigen Niveau erfolgt, bleibt das bislang fast unbemerkt. Doch sind die Zinsen für ein Baudarlehen seit dem Herbst vergangenen Jahres um bis zu 40 Prozent gestiegen. Als die Möckels im September 2016 mit der Immobiliensuche begannen, rechneten sie für ein Darlehen mit zehnjähriger Laufzeit mit Zinsen von gut einem Prozent.

Heute müssen dafür im Schnitt bereits 1,43 Prozent Zinsen gezahlt werden. Das geht aus einem Konditionsvergleich der Verbraucherzentrale Hamburg für Hamburger Anbieter hervor. Manche Banken verlangen schon 1,60 Prozent Zinsen. Von Woche zu Woche kann sich jetzt die Baufinanzierung leicht verteuern. Gerechnet auf die lange Laufzeit von mindestens einem Jahrzehnt geht es um mehrere Tausend Euro. Ein Darlehen über 300.000 Euro für zehn Jahre kostet jetzt über die gesamte Laufzeit rund 11.000 Euro mehr als vor einem Jahr.

Zinsen für längere Laufzeiten ein Drittel teurer

Auch die Zinsen für längere Laufzeiten von 15 oder 20 Jahren verteuerten sich in knapp einem Jahr um rund ein Drittel. Für eine 15-jährige Zinsbindung müssen im Schnitt knapp zwei Prozent Zinsen gezahlt werden.

„Wir erleben eine Zinswende“, sagt Max Herbst von der FMH-Finanzberatung. Eine weitere Steigerung wie bisher scheint auch für die kommenden zwölf Monate möglich. Zu diesem Urteil kommen auch andere Experten. So erwartet der Baugeldvermittler Interhyp auf Sicht von sechs bis zwölf Monaten einen Anstieg der Hypothekenzinsen. Mittelfristig sollte mit einem Anstieg der Darlehenszinsen gerechnet werden, heißt es auch bei der Postbank. Die ING DiBa begründet den von ihr erwarteten weiteren Anstieg der Zinsen mit dem Einstieg in den Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik der Europäischen Zen­tralbank (EZB), der für September erwartet wird.

Druck bei der EZB

„Die EZB steht unter Druck“, sagt Herbst. Sie müsse eine Wende in der Zinspolitik einleiten, um in neuen Krisensituationen überhaupt wieder Spielraum für Zinssenkungen zu haben. Zurzeit liegt der Leitzins der EZB bei null Prozent. Zwar werden die Baugeldzinsen davon nur indirekt beeinflusst, entscheidender für diese Konditionen ist, wie sich Pfandbriefe, mit denen sich Banken refinanzieren, und die zehnjährigen Bundesanleihen, die das langfristige Zinsniveau vorgeben, entwickeln. Doch auch hier gibt es schon seit längerer Zeit klare Aufwärtstendenzen. Die Renditen zehnjähriger deutscher Staatsanleihen haben sprunghaft zugelegt. Sie zogen auf bis zu 0,50 Prozent an, nachdem sie vor gut einem Jahr unter die Null-Prozent-Marke gefallen waren.

Max Herbst
Max Herbst © fmh Finanzberater 2011

Auch die derzeit erstarkende Wirtschaft in der Euro-Zone spricht für bald steigende Zinsen. Die Arbeitslosenquote ist mit 9,1 Prozent auf dem niedrigsten Stand seit mehr als acht Jahren gesunken. „Auch mit Blick auf die anziehende Preissteigerungsrate ist Baugeld eigentlich zu billig“, sagt Herbst. Er erwartet, dass die Baugeldzinsen langfristig bis auf maximal vier Prozent steigen. Das wäre immer noch weniger als die fünf Prozent, die Bauherren 2007 noch bezahlen mussten.

Geschäft leidet nicht

Einstweilen reagieren potenzielle Immobilienkäufer gelassen auf die steigenden Finanzierungskosten. „Wir spüren noch keine Veränderungen bei den Kreditnehmern“, sagt André Janke, Baufinanzierungsexperte bei der Hamburger Sparkasse. Das Geschäft laufe auf Vorjahresniveau. „Potenzielle Immobilienerwerber sind von den gestiegenen Zinsen nicht so verunsichert wie Immobilienbesitzer, die bereits eine Finanzierung haben“, sagt Alexander Krolzik, Baufinanzierungsexperte der Verbraucherzentrale Hamburg. Kreditnehmer, deren Zinsbindungszeitraum erst in zwei oder drei Jahren ausläuft, müssen fürchten, dass der Zins dann längst nicht mehr so niedrig ist wie heute. „Viele von ihnen haben noch für mehr als vier Prozent Zinsen abgeschlossen und wollen auch einmal von der Niedrigzinsphase profitieren“, sagt Krolzik.

Deshalb steigt jetzt das Interesse an sogenannten Forward-Darlehen. „Wir verzeichnen bei diesen Finanzierungen im Vergleich zum Vorjahr eine leichte Tendenz nach oben“, sagt Janke.

Niedrige Zinsen sichern

Mit einem solchem Kredit kann man sich niedrige Zinsen schon jetzt sichern, auch wenn man den neuen Kredit erst in einigen Jahren abrufen will, weil erst dann die Zinsbindungsfrist des Altdarlehens ausläuft. Das können aber nur Kreditnehmer nutzen, die bereits eine Immobilienfinanzierung haben. Bis zu fünf Jahre im Voraus werden Forward-Darlehen von Banken angeboten.

Für die Sicherung des Niedrigzinses müssen die Kreditnehmer aber einen Aufschlag auf den aktuellen Zins zahlen. „Wenn der Kredit mit zehn Jahren Laufzeit erst in einem Jahr abgerufen wird, beträgt der Aufschlag 0,11 Prozentpunkte“, sagt Herbst. Bei 24 Monaten Vorlaufzeit sind es 0,37 Prozentpunkte.

Teurere Finanzierung bremst Preise

Wer ein solches Forward-Darlehen abschließt, muss es auch abnehmen. Auch dann, wenn die Zinsen dann noch niedriger sind als jetzt. In der Vergangenheit war das Forward-Darlehen für viele Verbraucher ein Flop, denn seit 2011 sind die Baugeldzinsen fast kontinuierlich gesunken. „Doch jetzt haben wir eine andere Situation, denn die Wahrscheinlichkeit von Zinserhöhungen ist deutlich gestiegen“, sagt Herbst. In jedem Fall bleibt es aber eine Wette auf die zukünftige Zinsentwicklung. Das müssen sich Verbraucher bewusst machen. „Wenn es um eine Vorlaufzeit von einem Jahr geht, kann man mit einem Forward-Darlehen jetzt wenig falsch machen“, sagt Krolzik. Bei Zeiträumen von drei bis fünf Jahren warnt er zur Vorsicht. „Das sind Zeiträume, die sich schwer überblicken lassen.“

Steigende Zinsen treffen auch die Verkäufer von Immobilien. Denn steigende Zinsen lassen in der Regel die Immobilienpreise sinken oder bremsen zumindest deren Anstieg. Wenn sich die Finanzierung verteuert, können Käufer nicht mehr so viel fürs Eigenheim bezahlen. Bisher wurden die steigenden Preise durch sinkende Zinsen abgefedert. Damit ist es jetzt schon vorbei.