Hamburg. Übernachtungsrekord, aber auch Sorgen wegen zu vieler Veranstaltungen und Zweckentfremdung von Wohnraum in Hamburg.

Der Tourismus in Hamburg eilt weiter von Rekord zu Rekord: In der Hansestadt konnten bis Ende Juni dieses Jahres 6,5 Millionen Übernachtungen verzeichnet werden – mehr als je zuvor in einem Halbjahr. Der Zuwachs gegenüber dem ersten Halbjahr 2016 liegt bei 325.000 Übernachtungen oder fünf Prozent.

Die Übernachtungen von Gästen aus dem Ausland sind in den ersten sechs Monaten um neun Prozent gestiegen. Besonders beliebt ist die Elbmetropole bei den Schweizern, die mit 165.800 Übernachtungen und einem Plus von 12,4 Prozent den Spitzenplatz einnehmen. Auf dem zweiten Platz landeten die Engländer mit 165.300 Übernachtungen, gefolgt von den Dänen mit 161.000 Übernachtungen. Eine deut­liche Steigerung konnte auch bei Touristen aus den USA verzeichnet werden: Die Amerikaner kamen auf 109.300 Übernachtungen (plus 14,1 Prozent).

100.000 Menschen leben vom Tourismus

Die Zahl der Touristen steigt seit Jahren rasant an: Wurden 2007 noch 7,4 Millionen Übernachtungen gezählt, waren es 2012 schon mehr als 10,6 Millionen. Und für dieses Jahr erwartet die Hamburg Tourismus GmbH (HHT) bis zu 14 Millionen Übernachtungen. Für HHT-Chef Michael Otremba steht fest, dass die im Januar eröffnete Elbphilharmonie großen Anteil an den steigenden Übernachtungszahlen hat: „Mit der Eröffnungskampagne ist es gelungen, eine enorme Aufmerksamkeit und positive Wahrnehmung zu erzielen. Es wurde weltweit sichtbar, dass Hamburg eine Stadt voller spannender Kon­traste ist und über eine hohe Aufenthaltsqualität verfügt“, sagte Otremba.

Leitartikel: Hamburg ist kein Seebad

Nach Angaben der Wirtschaftsbehörde liegt der Umsatz der Tourismusbranche in Hamburg bei mehr als sechs Milliarden Euro im Jahr. Rund 100.000 Personen leben in irgendeiner Form von dieser Branche, die mittlerweile der zweitgrößte Wirtschaftszweig nach dem Hafen ist. Der Tourismus beschert der Stadt ein Steueraufkommen von knapp 600 Millionen Euro. Allein die Kultur- und Tourismustaxe spülte 2016 gut 13 Millionen Euro in die Kassen. Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) begrüßte die positive Entwicklung: „Es ist beeindruckend, mit welcher Professionalität die Hamburger Tourismusbranche ihre Gastgeberrolle lebt.“

Hamburg bei AirBnB beliebteste deutsche Stadt

Doch es gibt auch Befürchtungen, dass in Hamburg irgendwann der Barcelona-Effekt eintritt. Dort sind die Einheimischen inzwischen genervt von den Touristen. Spruchbänder mit der Aufschrift „Tourist go home“ (Touristen, geht nach Hause) sind dort keine Seltenheit. Einer Befragung der HHT zufolge fühlen sich in Hamburg nur acht Prozent der Einwohner vom Tourismus gestört, in den City-Stadtteilen sind es 14 Prozent. „Negative Auswirkungen“ befürchten 26 Prozent der Hamburger, in der City sind es 29 Prozent.

Wie in Barcelona wird auch in Hamburg kritisch beobachtet, dass immer mehr Reisende in Wohnungen unterkommen, die über Internet-Portale als Feriendomizil angeboten werden. Laut Marktführer AirBnB haben in diesem Sommer in Hamburg 37.000 Gäste aus Deutschland eine Unterkunft über die Plattform gebucht – mehr als in jeder anderen deutschen Stadt. Berlin kommt mit rund 33.000 Gästeankünften auf Platz zwei. Bei Buchungen aus dem Ausland lag Hamburg mit rund 35.000 Gästen auf Platz zwei hinter München (43.500).

Klare Regeln

Um die Zweckentfremdung des ohnehin knappen Wohnraums zu verhindern, hat Hamburg bereits klare Regeln erlassen: Eine Weitervermietung als Ferienwohnung ist nur zulässig, wenn es sich um die Hauptwohnung des Anbieters handelt und er diese mehr als die Hälfte des Jahres selbst nutzt. Wohnt der Hauptmieter ganzjährig in der Wohnung, darf er weniger als die Hälfte der Fläche weitervermieten. Wer gegen die Regeln verstößt, kann mit bis zu 50.000 Euro Ordnungsgeld belegt werden.

Die Politik begrüßt den steigenden Tourismus zwar überwiegend, sieht aber auch Probleme. „Wir können ja froh sein, dass so viele Menschen Hamburg toll finden und uns besuchen“, sagt SPD-Tourismusexpertin Dorothee Martin. Konflikte verursachen nach ihrer Ansicht weniger die Touristen als die vielen Großveranstaltungen.

Umgang mit Groß-Events entscheidend

„Muss wirklich jedes Event vor der Kulisse Landungsbrücken-Rathaus-Reeperbahn stattfinden?“, fragt Martin. „Nein, muss es nicht.“ Sie unterstützt daher das Ziel der HHT, die Touristenströme zu entzerren und Besucher auch für weniger bekannte Ecken der Stadt zu begeistern. „Der Senat muss endlich ein Konzept für Großveranstaltungen erarbeiten, das weitere Bezirke einbindet“, sagt auch Michael Kruse (FDP).

Auch aus Sicht von Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks ist vor allem der Umgang mit den Groß-Events entscheidend für die Akzeptanz des Tourismus: „Schlagermove und Triathlon am gleichen Wochenende zu veranstalten, ist unglücklich.“ Die Verlegung der Harley Days aus der City an den Großmarkt sei dagegen ein richtiger Schritt. Grundsätzlich sollte man weniger auf Wachstum setzen als auf Faktoren wie Nachhaltigkeit und Wertschöpfung.

„Aufholjagd in Richtung Weltme­tropole“

„Hamburg ist eine so große Metropole, die noch viel mehr Tourismus vertragen kann“, meint David Erkalp (CDU). „Er spült eine Menge Geld in die Kassen, welches wiederum in Kultur, Soziales, Sport und andere Bereiche fließt.“ Stephan Jersch (Linkspartei) kritisiert dagegen, dass Tourismus in Hamburg zu sehr unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet werde: „Im Rahmen seiner Aufholjagd in Richtung Weltme­tropole wird Hamburg Stück für Stück umgebaut.“

Zustände wie in Barcelona oder Venedig herrschten an der Elbe zwar noch nicht. „Doch AirBnB ohne eine wirksame Überwachung der Zweckentfremdung von Wohnraum, Hotelneubauten ohne eine breitere Verteilung auf das Stadtgebiet, Flugverkehr ohne Reduzierung seiner schädlichen Auswirkungen für die Menschen führen schon jetzt zu spürbaren Akzeptanzproblemen in der Wohnbevölkerung.“

Zehn weitere Hotels eröffnet

In Hamburg gibt es 60.000 Betten in Hotels, Pensionen und Apartments. In diesem Jahr werden etwa zehn weitere Hotels eröffnet. Laut Hotelbedarfsplan der Stadt sollen bis 2025 rund 18.000 Zimmer dazukommen. Dehoga-Präsident Franz Klein sagt: „Die gute Bilanz des ersten Halbjahres ist auch ein Beweis der Leistungsfähigkeit und Attraktivität unserer Hotellerie und Gastronomie sowie der touristischen Infrastruktur unserer Stadt.“