Berlin/Hamburg. Vor allem in St. Georg und auf St. Pauli wächst der Unmut. Nun sollen Besucher mehr für andere Stadtteile begeistert werden.
Der Tourismus in Hamburg boomt, Jahr für Jahr wird stolz ein immer neuer Rekord verkündet. 13,3 Millionen Übernachtungen waren es im vergangenen Jahr, bis 2025 erwarten die Experten einen Anstieg auf 20 bis 25 Millionen Übernachtungen und bis zu 92 Millionen Tagesgäste pro Jahr. Doch vor allem in Stadtteilen wie St. Georg und St. Pauli, die bei Touristen besonders beliebt sind, wächst zunehmend auch Kritik. Anwohner empfinden die Hamburg-Besucher als Last.
Tritt auch in der Hansestadt irgendwann der Barcelona-Effekt ein? In der spanischen Metropole fühlen sich die Einheimischen inzwischen von den vielen Gästen der Stadt überrannt. Dort hängen an manchen Balkonen Spruchbänder mit der Aufschrift „Tourist go home“ (Touristen, geht nach Hause), und die Politik stoppt mittlerweile sogar bereits geplante neue Hotelprojekte.
Die Frage, wie viel Tourismus die Hansestadt verträgt, stellt sich auch für Hamburg-Tourismus-Chef Michael Otremba: „Wir müssen mit diesem Thema sehr sensibel umgehen und bei all dem Wachstum vor allem auch die Bedürfnisse der Hamburger im Blick behalten“, sagte er am Rande der Internationalen Tourismus-Börse (ITB) in Berlin. Deshalb will Hamburg Tourismus (HHT) nun auch jedes Jahr eine repräsentative Umfrage zur Akzeptanz der Bürger bei der Tourismusentwicklung in Auftrag geben – bislang war dies alle zwei Jahre der Fall.
Im vergangenen Jahr wurden rund 1000 Hamburger befragt. Auffällig an dem Ergebnis: Der Anteil der Befragten in den Stadtteilen St. Georg und St. Pauli, die „negative Auswirkungen“ des Tourismus sehen, stieg deutlich an. Urteilten 2014 noch 16 Prozent in dieser Weise, äußerten sich im vergangenen Jahr bereits 26 Prozent negativ.
Sie kritisierten insbesondere die aus ihrer Sicht von Hamburg-Besuchern überfüllte Innenstadt und einen zu großen Andrang in den öffentlichen Verkehrsmitteln. Allerdings sehen nach wie vor 82 Prozent der Bürger „vorwiegend positive Auswirkungen durch den Tourismus.“ Die Erkenntnisse aus der Studie nimmt Michael Otremba ernst: „Unser Ziel ist es, die Tourismusströme mehr zu entzerren. Das heißt, die Besucher auch für andere Stadtteile fernab von City, Kiez, Alster und Schanze zu begeistern.“ Auch die hohe Dichte der Veranstaltungen in der Innenstadt müsse reduziert werden. Eine Verlegung von Events in andere Bezirke außerhalb der City müsse in Erwägung gezogen werden, so Otremba weiter.
Das sieht FDP-Tourismusexperte Michael Kruse ähnlich: „Entscheidend ist, dass Angebote für Touristen verstärkt außerhalb des Party-Bezirks Mitte entwickelt werden.“ Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks gibt zu bedenken: „Zu den Übernachtungszahlen von Barcelona fehlt uns noch ein Stückchen. Trotzdem sollte die Entwicklung in Spanien auch eine Warnung für uns sein.“ Man könne die Tourismus-Schraube auch überdrehen. Wichtig ist aus der Sicht von Tjarks „eine räumliche und zeitliche Entzerrung über die Stadt“.
„Hamburger als Gastgeber sehen“
Tourismuschef Otremba hat sich ein Ziel gesetzt: „Wir wollen, dass sich die Hamburger als Gastgeber sehen, die den Besuchern aus aller Welt ihre Stadt präsentieren.“ Skeptisch äußerte sich Andreas Rieckhof (SPD), Staatsrat der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation: „Einen Barcelona-Effekt kann ich in Hamburg nicht erkennen, und man sollte diesen auch nicht herbeireden“, mahnte er. „Aber natürlich werden wir bei der Ansiedlung neuer Hotels darauf achten, dass sich diese nicht nur in der Innenstadt ballen.“
Dessen ungeachtet wirbt Hamburg seit Mittwoch beim weltgrößten Branchentreff ITB in Berlin für die Stadt. Auf dem neu gestalteten, 650 Quadratmeter großen Stand präsentieren sich rund 75 Firmen, darunter Kultureinrichtungen wie das Thalia Theater, die Staatsoper und Stage Entertainment. Zehn Reedereien bringen maritimes Flair in die Berliner Messehallen.
Elbphilharmonie als 3-D-Modell
Auf der überdimensionalen LED-Leinwand werden Geschichten über die Stadt und die Standpartner erzählt. Und als Hingucker ist die Elbphilharmonie als 3-D-Modell dabei. Hamburg präsentiert sich bis zum 12. März als Stadt der Kontraste von der schicken HafenCity bis zu Kiezgraffiti. Auch beim traditionellen Hamburg-Empfang, der von Yared Dibaba moderiert wurde, ging es um die Zukunft des Tourismus.