Hamburg. Das Pilsen Philharmonic Orchestra spielte bei der Konzertshow „Jagd auf 007“ Titelsongs und Melodien aus 50 Jahren Bond-Geschichte.

„Ahoi, Mister Bond! Stoppen Sie!“, ruft der Kapitän eines Schnellboots in „Liebesgrüße aus Moskau“ mit spitzem „Hamburger S“. Eine Szene, die man aus dem Mittelmeer auf die Elbe verlegen könnte, sollte sich James Bond nach „Der Morgen stirbt nie“ mal wieder in Hamburg herumtreiben. Mit der Elbphilharmonie wäre eine perfekte Kulisse für das nächste 007-Abenteuer mit Daniel Craig gegeben. Wenn schon die Bregenzer Seebühne mit einer „Tosca“-Aufführung in „Ein Quantum Trost“ Doppelnull-Status bekommt, warum nicht auch das schnieke Konzerthaus in der HafenCity?

Die Lizenz zum Flöten verdient sich die Elbphilharmonie jedenfalls am Sonnabend mit den beiden Aufführungen von „Jagd auf 007 – Eine Nacht mit James Bond“: Das Pilsen Philharmonic Orchestra, früher Pilsener Rundfunkorchester, spielt unter der Leitung von Christian Schumann zwei Stunden Titellieder und Filmmelodien aus 50 Jahren im Geheimdienst Ihrer Majestät, von „James Bond jagt Dr. No“ (1962) bis „Skyfall“ (2012).

Großes zu erwarten war eigentlich nicht. Die Pilsen Philharmoniker sind nicht das berühmteste Orchester der Welt, und der Freiburger Dirigent Christian Schumann ist mit 34 Jahren ein Kind der Moderne, Experte für Filmmusik und sehr gefragt für Computerspiel-Soundtracks wie „Battlefield 1“. Und als das Ensemble beim Auftakt mit dem „James Bond Theme“ gleich das ikonische Gitarrenriff von Monty Norman überbügelt, ist man versucht, es Bond-Bösewichten wie Blofeld oder Stromberg gleichzutun: Ein Knopfdruck, und die ganze Bagage landet im Piranha- oder Haifischbecken. Es folgt eine sehr seifige Interpretation von „From Russia With Love“ mit Musical-Sänger Dennis Legree, der sich mit Tertia Botha die Mikrofone teilt.

Gespielt werden auch unbekanntere Szenen-Begleitstücke der Bond-Historie

Danach nimmt der Abend Fahrt auf, denn die Produzenten von „Jagd auf 007“ haben sich zum Glück nicht damit begnügt, nur einen bunten Strauß Bondmelodien zusammenzuknoten. Es werden auch unbekanntere Szenen-Begleitstücke der Bond-Historie präsentiert, während auf der großen Leinwand (die Sitzreihen hinter den Musikern bleiben frei) gewitzt kombinierte Filmausschnitte gezeigt werden.

Zu „Diamonds Are Forever“ gibt es ein Medley der stilbildenden, kunstvollen Vorspannsequenzen, zu „Into Miami“ aus „Goldfinger“ sehen wir die Casino- und Spieltischszenen, Weltraum-Ausflüge und Filmküsse sorgen bei „Capsule In Space“ und „Mountains And Sunsets“ aus „Man lebt nur zweimal“ für Gänsehaut, und auch Bösewichte, Autostunts und Bootrennen tauchen auf. Sogar Szenen aus der eher Insidern bekannten Bond-Persiflage „Casino Royale“ (1967) sind zu entdecken, was für die Kompetenz der Show-Planer der Europäischen Filmphilharmonie, Ulrich Wünschel, Fernando Carmena und Beate Warkentien, spricht.

Wodka Martin gibt es in der Elbphilharmonie nicht, weder geschüttelt noch gerührt

Die Hände gehen also weg vom Hebel für das Haifischbecken und applaudieren mit dem ausverkauften Saal, in dem ein bunt gemischtes Publikum Bond auf Skiern den Berg hinabfolgt. Die Sitznachbarn, ein Seniorenpaar aus Gütersloh, haben noch nie einen 007-Film gesehen, amüsieren sich aber prächtig. Nicht wenige Gäste tragen Smoking und fragen in der Pause an den Bars der Elbphilharmonie nach Wodka Martini, den es hier aber weder geschüttelt noch gerührt gibt. Aber Bier geht auch, das kippt James Bond in „Skyfall“.

Tertia Botha sang „Goldfinger“, „GoldenEye“ und „Skyfall“
Tertia Botha sang „Goldfinger“, „GoldenEye“ und „Skyfall“ © Claudia Höhne | Claudia Höhne

„Skyfall“ bestimmt nach dem Wiedereinstieg mit „You Know My Name“ auch die zweite Konzerthälfte. Eine halbe Stunde lang begleitet das Orchester mit dem Original-Score von Thomas Newman punktgenau und zackig die komplette Eröffnungssequenz nebst
Titelsong, die Hochhaus-Prügelei, die Ankunft im Casino und weitere explosive Höhepunkte. Insgesamt ist dieser Abschnitt spieltechnisch der beste Teil, aber durch seine Länge auch einer der kleinen Schwachpunkte des Konzerts. Und Tertia Botha, einst Teil der Band mit dem dämlichsten Namen der Castingshow-Geschichte („Preluders“), singt „Goldfinger“, „GoldenEye“ oder „Skyfall“ zwar solide, ist aber eben keine Shirley Bassey, Tina Turner oder Adele. Sie hat es schwer, sich gegen die pompös tutenden Bläser durchzusetzen.

Dennoch ist der donnernde Applaus nach dem Finale mit „My Name Is Bond, James Bond“, „Live And Let Die“, „Nobody Does It Better“ und „Thunderball“ verdient. Bond soll ja nur unterhalten, und das tut er bei diesem Konzept-Konzert. Auch wenn 007 beim Lesen dieser Kritik wohl sagen würde: „Heutzutage drucken die auch wirklich alles.“