Hamburg. Nix Jugendorchester mit Niedlichkeitsbonus – die junge norddeutsche philharmonie spielte mit Solist Sebastian Manz groß auf.

Die daumenbreiten schwarzen Klebestreifen müssen für das ästhetische Empfinden der Architekten eine Kröte gewesen sein. Aber da prangen sie nun, auf jeder Stufe – und siehe da, es läuft sich doch gleich ganz anders in der Elbphilharmonie, selbst wenn man ein wenig knapp dran ist. Nur ein diskretes Poltern verwundert auf dem Weg in den 15. Stock. Die Klimaanlage vielleicht?

Zwei Wochen Verschnaufpause hat das Haus gehabt, an diesem Augustabend öffnet es seine Pforten wieder für ein Konzert der jungen norddeutschen philharmonie, die in ihren Eigennamen auf Versalien verzichtet. Als erstes Stück war im Vorfeld „In C“ von Terry Riley angekündigt worden, ein frei flottierendes Stück Minimal Music. Doch das Programmheft schweigt davon.

Solist Sebastian Manz fesselt den ganzen Saal

Jonathan Stockhammers erster Einsatz gilt denn auch Mozarts Klarinettenkonzert. Schon das Orchestervorspiel macht den Anspruch des Ensembles klar. Nix Jugendorchester mit Niedlichkeitsbonus. Hochprofessionell spielen sie, exakt bis ins letzte Pult, niemand klappert hinterdrein, der Klang ist weich und organisch. Die in Originalklangkreisen verbreitete Marotte, die letzte von mehreren gebundenen Noten bis zur Unhörbarkeit abfallen zu lassen, die lässt sich leicht abstellen.

Der Solist Sebastian Manz fesselt den ganzen Saal mit seinem singenden Ton, den er immer noch weiter ins Pianissimo abschattieren kann. Dass ihm im langsamen Satz einmal eine Note wegbleibt, macht sein Spiel fast noch anrührender. Hier geht jemand voll ins Risiko. Wie ein tiefer Atemzug wirkt der Satz. Und als Zugabe spüren Manz und vier Solostreicher den haarfeinen Verästelungen im Adagio des Klarinettenquintetts nach, gleichsam das Schwesterstück des Konzerts. Es herrscht eine Stille im Saal, als spürte jeder im Publikum, was für ein außerordentlicher Mozart-Moment sich da ereignet.

Mahlers Siebte ist ein Ereignis

Mahlers Siebte nach der Pause ist auf ihre Weise auch ein Ereignis. Ganz schön keck, sich einen solchen Brocken auf die Pulte zu legen. Aber Stockhammer steuert das Schiff mit klarer Zeichengebung durch den Ozean dieser Musik, durch all die Tempowechsel und jähen Ausbrüche, die charakteristisch sind für Mahlers Musik. Viele Einzelleistungen sind hervorragend, die Koordination ist es auch. Manche Kontraste könnten noch schärfer ausfallen, die Tempi mehr an die Grenzen gehen. Die Herausforderungen bei Mahler liegen in der Transzendenz. Aber irgendwas müssen die jungen Leute ja auch noch dazulernen im Berufsleben.

Und was war nun mit „In C“? Nachfrage am CD-Stand ergibt: Doch doch, das habe stattgefunden, ein paar Minuten vor Konzertbeginn im Foyer und dann auch im Saal. Aha. Sollte das etwa das vermeintliche Rumpeln der Klimaanlage gewesen sein?