Kreis Pinneberg. Illegale Internetportale lassen eine Branche in die Knie gehen. Da kommt es auf gute Überlebensstrategien an – sonst droht das Aus.
Verqualmte Räume. Ein muffiges Ambiente. Hinterm Tresen eine Kaugummi kauende und nicht selten ahnungslose Aushilfskraft. Eine Szenerie, wie sie vor 30 Jahren in Videotheken an der Tagesordnung war. Fast an jeder Straßenecke war es damals möglich, Filme auszuleihen. Die Zeiten haben sich geändert. Videotheken gibt’s heute kaum noch. Die von Daniela Haydlmayer gehört zu den letzten im Kreis Pinneberg. Muffig ist hier gar nichts. Kerzenständer schmücken den Raum. Wer den 177 Quadratmeter großen Laden an der Osterholder Allee in Pinneberg betritt, wird gern mal mit einem Kaffee begrüßt. Das gehört zum Konzept: „Wir werden überleben“, sagt Haydlmayer selbstbewusst.
Sie setzt schon seit Jahren auf den Charakter eines familiär anmutenden Stadtteiltreffpunkts mit Elementen aus der Gastronomie. An der Osterholder Allee können auch zu später Stunde noch Getränke und Chips eingekauft werden. Es gibt eine Spieleecke für Kinder. Und Bonbonautomaten. Haydlmayers Doggen schlummern friedlich unterm Tresen, während sie sich Zeit nimmt für die Kunden. „Jammern nützt nichts“, sagt die Frau, die seit 30 Jahren hinterm Tresen steht und mit Badshah Ahad bereits einen Nachfolger gefunden hat, der die Strategie weiterverfolgen wird. „Am Wochenende ist der Laden noch immer voll.“
Der Niedergang
Klar, Umsatzeinbußen habe es in den vergangenen Jahren auch bei ihr gegeben, so Haydlmayer. Katastrophal seien illegale Internetseiten wie Kinox, auf denen aktuellste Streifen gebührenfrei anzusehen sind. „Die kosten uns Kunden“, sagt Haydlmayer. Die legalen Online-Videotheken wie Netflix, Maxdome und Amazon Prime hingegen nicht. Die könnten bei der Aktualität nicht mithalten. Beim Preis ohnehin nicht: „Wir sind schneller und nehmen für Neuerscheinungen drei Euro pro Tag und Film.“ Im Netz würden mindestens fünf Euro aufgerufen.
Zahlen vom für Videotheken zuständigen Bundesverband belegen dennoch das langsame Sterben. Im Kreis Pinneberg gibt es derzeit noch in rund 15 Läden. Jörg Weinrich ist vorsitzender des Verbands. Er malt ein düsteres Bild: „Fakt ist, dass alles, was wir anbieten, im Netz auch kostenlos zu haben ist“, sagt er.
An der Politik lässt Weinrich kein gutes Haar: „Es herrscht eine katastrophale Situation in Deutschland, es fehlt an politischem Willen, konsequent etwas gegen Piraterie im Internet zu tun.“ In anderen Ländern, etwa Großbritannien, werde wesentlich strikter gegen Betreiber illegaler Streaming-Plattformen vorgegangen. Den Endverbraucher nimmt Weinrich nicht aus. Der mache sich ebenfalls fraglos strafbar. Aber es müsse vor allem darum gehen, die Hintermänner dranzukriegen.
Betreiber erhofft Aufschwung durch HD
Der Besitzer der Empire Videothek in Wedel, Naveed Amad, ist weniger optimistisch als seine Kollegin aus Pinneberg: „Im vergangenen Jahr wurden 90 Prozent der Empire Videotheken geschlossen“, sagt er. „2016 sind die Umsätze um 50 Prozent zurückgegangen.“ Amad will dennoch weiterkämpfen: „Wir werden weiterhin versuchen, Alt und Jung durch Werbung, Gutscheine und Sonderangebote anzulocken“. Waheed Liligenthal, Inhaber einer Videothek in Elmshorn, hat die Hoffnung auf das Überleben der Videotheken ebenfalls noch nicht aufgegeben. Er sieht eine Zukunft für seine Branche: „Am besten läuft bei uns der Erotikbereich.“ Gegenüber Netflix und anderen legalen Internetportalen sieht auch er sich im Vorteil: „Wir sind klar billiger.“ Vor allem Blue-Rays liefen wegen der Bildqualität noch verhältnismäßig gut. Ein Aufschwung könne durch die Einführung der noch hochwertigeren „4K Ultra HD Filme“ entstehen.
Haydlmayer verlässt sich nicht allein auf die neue Technik, die noch brillantere Farben und gestochen scharfe Bilder verspricht. Sie setzt vor allem auf ein klassisches Qualitätsmerkmal des Handels – die kompetente Beratung. „Wir nehmen uns Zeit, machen Eltern auch mal eine Ansage, wenn ihre Kinder ein Spiel ausleihen wollen, das nicht zu ihrem Alter passt.“
Computerspiele machen zehn Prozent des Umsatzes aus
Der Videothekar von heute muss eben nicht nur wissen, welcher Blockbuster gerade angesagt ist. Der Statistik des Bundesverbands zufolge machen Verleih und Verkauf von Computerspielen mittlerweile bundesweit rund zehn Prozent des Umsatzes aus. Mehr als zehn Prozent entfallen auf den Verkauf sogenannten Zusatzartikel. Dazu gehören Getränke, Lebensmittel. Poster, Tabakwaren und Zeitschriften. In der Fox Videothek an der Osterholder Allee werden auch technische Geräte angeboten, zuweilen gar unter dem Preisniveau der großen Elektronikketten – als Aktion.
Die gute alte VHS-Videokassette ist übrigens nahezu vollkommen ausgestorben. „Ein- oder zweimal pro Jahr kommt noch ein Kunde rein, der danach fragt“, sagt Haydlmayer. Im Bestand hat sie VHS nicht mehr.
Dass irgendwann die letzte Stunde für physische Datenträger schlägt, glaubt sie nicht. Es werde immer Menschen geben, die einen Film in der Hand halten wollen.