Hamburg. Geschäftsführer Carsten Horn über sinkende Besucherzahlen, DJs im Filmtheater und die Konkurrenz von Online-Videotheken.

Mit Reinfällen hat Carsten Horn so seine Erfahrungen. Der Chef der Hamburger Kinokette Cinemaxx paddelt in seiner Freizeit gern auf einem wackligen Surfbrett über die Alster. Das eine oder andere Mal ist der passionierte Stand-up-Paddler dabei schon im Wasser gelandet. Das Beste in so einem Fall: Einfach wieder aufs Brett klettern, aus den Fehlern lernen und weitermachen.

Etwas Ähnliches dürfte sich der sportliche 51-Jährige auch nach dem ausgesprochen schwachen Kinojahr 2016 gedacht haben. Um 12,4 Prozent sind die Umsätze in der deutschen Branche nach Angaben der Marktforschungsgesellschaft Comscore/Rentrak eingebrochen, die Besucherzahlen sanken sogar noch etwas stärker. „Wir haben uns in etwa wie der Markt entwickelt“, sagt Horn.

Konkurrenz wächst

Von einem Katastrophenjahr will der Chef der zweitgrößten deutschen Kinokette nicht sprechen. „Das Ergebnis war ordentlich, wenn auch unter unseren Erwartungen.“ Im Vergleich zum historischen Rekordjahr 2015 sei die Anzahl der Kassenschlager deutlich geringer gewesen, zudem habe die Fußball-Europameisterschaft viele Filmfans davon abgehalten, ins Kino zu gehen.

Wahr ist allerdings auch, dass die Branche zunehmend mit der Konkurrenz immer neuer Filmanbieter zu kämpfen hat. Video-on-demand-Portale wie Netflixoder Maxdome machen den Kinos das Leben schwer. Aufwendig produzierte und hochkarätig besetzte Serien wie „House of Cards“ mit Kevin Spacey gelten als innovativer als manch ein Hollywood-Film. Da bleiben viele Filmfans lieber auf der Couch als sich mit anderen in einen Saal zu zwängen.

„Vor Netflix haben wir keine Angst“

„Wir treten gegen das heimische Sofa an“, sagt Horn. Sein Rezept: das Kinoerlebnis so überwältigend und bequem wie möglich machen. „Vor Netflix haben wir keine Angst.“ Generell seien die Abonnenten der Video-Streaming-Dienste stärker an Filmen interessiert als diejenigen, die solche Angebote nicht nutzten.

Um gegen die Konkurrenz gewappnet zu sein, will der Cinemaxx-Chef den meisten seiner 33 Filmtheater eine Runderneuerung verordnen. „Im Augenblick sind unsere Häuser noch zeitgemäß, aber in fünf Jahren werden sie es nicht mehr sein“, sagt er. Noch in diesem Jahr soll ein deutsches Cinemaxx zu einem „Kino der nächsten Generation“ umgebaut werden.

Der Standort ist noch geheim, die Eckdaten des Konzepts aber nicht: Die poppigen Cinemaxx-Farben werden dort einem eher schlichten, skandinavischen Design weichen. „Alle Säle werden ausschließlich mit hochwertigen Ledersesseln ausgestattet“, sagt der Kinochef. „Teilweise werden sich diese wie in der First Class eines Flugzeuges zu einer Liegefläche ausklappen lassen.“

Im größten Saal des Kinos soll nach jetzigem Planungsstand die IMAX-Technologie mit einer deutlich höheren und breiteren Leinwand zum Einsatz kommen. Spezielle Projektoren sorgen dafür, dass dafür angepasste Action­filme wie etwa „Star Wars Rogue One“ noch detailgetreuer erscheinen. Bisher setzt Cinemaxx diese Technik nur in zwei Filmtheatern in Dänemark ein.

Mehr After-Work-Events

Das Kino der nächsten Generation soll zur Blaupause für den Umbau der anderen Häuser werden. „Es kann gut sein, dass wir Elemente des neuen Konzepts auch in den drei Hamburger Cinemaxx-Kinos einführen“, sagt Horn. Im vergangenen Jahr wurden bereits in gut 20 Kinos besonders breite VIP-Sessel installiert.

Ausbauen will Horn auch die im vergangenen Jahr am Dammtor gestarteten After-Work-Events. Zusätzlich zu einem Film werden die Gäste dabei schon ab 18 Uhr mit einem Willkommens-Drink begrüßt und von einem DJ beschallt. „Mit After Work wollen wir die Kunden direkt nach der Arbeit abholen“, sagt Horn. „Wenn sie erst einmal zu Hause sind, dann erwischen wir sie nicht mehr so leicht.“

Deutliche Preisaufschläge

All diese zusätzlichen Angebote müssen die Kinobesucher allerdings auch mit teils deutlichen Preisaufschlägen bezahlen. Ein Ticket für den After- Work-Event kostet 13 Euro, wer auf einem VIP-Platz sitzen möchte, muss bis zu 16 Euro ausgeben. Insgesamt hat sich der durchschnittliche Ticketpreis bei Cinemaxx durch 3D- oder andere Zuschläge um 1,5 Prozent im vergangenen Jahr erhöht. „Wir glauben, dass unsere Kunden bereit sind, für ein besonderes Erlebnis auch einen etwas höheren Preis zu zahlen“, sagt Horn.

Verkaufsstrategien und Kundenorientierung liegen dem gebürtigen Bergedorfer durchaus im Blut. In die Kinobranche hat er sich allerdings erst einmal einarbeiten müssen. Seit gut zwei Jahren führt Horn nun die Kette, den größten Teil seines Berufslebens verbrachte er aber bei Tchibo und anderen Unternehmen der Hamburger Milliardärsfamilie Herz.

Betriebswirt begann bei Max Bahr

Bei Tchibo verantwortete er die rund 700 deutschen Filialen des Konzerns. Zuvor hatte er sich bereits um das Netz von Blume 2000 gekümmert. Begonnen hat der Betriebswirt seine Laufbahn bei der mittlerweile vom Markt verschwundenen Baumarktkette Max Bahr.

Mit dieser Vita unterscheidet sich Horn deutlich vom einstigen Gründer der Cinemaxx-Gruppe, Hans-Joachim Flebbe, der als eingefleischter Cineast praktisch aus dem Nichts eine der größten deutschen Kinoketten schuf. Doch Ende der 1990er-Jahre geriet das börsennotierte Unternehmen nach einer missglückten Übernahme des Konkurrenten Ufa in eine finanzielle Schieflage und wurde selbst vom Medienunternehmer Herbert Kloiber geschluckt. Dieser verkaufte die Hamburger weiter an die britische Mediengruppe Vue Entertainment, zu der Cinemaxx auch heute noch gehört.

Kreischalarm am 7. Fe­bruar

Vue Entertainment befindet sich seit Jahren auf Expansionskurs, zuletzt haben sich die Briten die zweitgrößte niederländische Kinokette einverleibt; sie sind nicht nur in West- und Osteuropa, sondern auch in Taiwan aktiv. Vor dem Hintergrund dieser Wachstumsstrategie schaut sich auch der Cinemaxx-Chef nach Expansionsmöglichkeiten um. „Wir werden unsere bestehenden Kinos in diesem Jahr mindestens um sieben Säle erweitern. Zugleich suchen wir aber auch nach Standorten für neue Filmtheater.“ Hamburg steht aus seiner Sicht dabei weniger im Fokus, Köln oder München bräuchten deutlich dringender neue Filmtheater.

Auf das aktuelle Kinojahr blickt Horn mit großer Zuversicht. „Mit Blockbustern wie dem neuesten Teil der Star- Wars-Saga oder ,Ich – einfach unverbesserlich 3‘ erwarten wir ein deutlich besseres Ergebnis als 2016.“ Ein Umsatzplus von acht Prozent sei durchaus möglich.

Große Hoffnungen setzt der Cinemaxx-Chef auch auf die Fortsetzung des Erotik-Streifens „Fifty Shades of Grey“. Für die Deutschlandpremiere am 7. Fe­bruar haben sich im Kino am Dammtor die Hauptdarsteller Jamie Dornan und Dakota Johnson angesagt. „Das wird vermutlich zu einem Kreischalarm führen“, sagt Horn.