Fuhlsbüttel. Mitarbeiter sprechen von „katastrophalen Bedingungen“ am Hamburger Flughafen. Vorwürfe auch von Ver.di.

Die zum Teil chaotischen Zustände am Hamburger Flughafen halten an. Passagiere, die stundenlang auf ihr Gepäck oder den Shuttlebus zu und von ihrem Flieger warten, sind die eine Seite. Die andere sind die betroffenen Mitarbeiter. Das Abendblatt hat am Dienstag mit mehreren Angestellten gesprochen. Sie klagen über erhöhtes Arbeitsaufkommen, zu wenig Personal – und niedrigen Lohn.

„Es herrschen katastrophale Bedingungen“, sagt ein Mitarbeiter, der seit 17 Jahren bei dem Tochterunternehmen Groundstars des Flughafens für die Be- und Entladung der Flugzeuge zuständig ist. „Wir haben durchgehend Personalmangel und sind andauernd überlastet.“ Der ständige Zeitdruck bei der Arbeit würde zur Dauerbelastung werden.

Eine Mitarbeiterin des vom Flug­hafen beauftragten Dienstleisters AHS (Aviation Handling Services), der für die Passagierabfertigung zuständig ist, berichtet: „Die Bedingungen werden immer schlimmer – und wer sich beschwert, dem wird mit Kündigung gedroht.“ Momentan würde einer nach dem anderen zusammenbrechen.

Hamburg-Gepäck seit Freitag verschollen

Wie berichtet, haben laut der Gewerkschaft Ver.di Beschäftigte der AHS in den vergangenen Wochen mehr als 100 sogenannte Gefährdungsanzeigen gestellt. Aufgrund des massiven Personalmangels seien die Angestellten vollkommen überlastet, wodurch auch Sicherheitsrisiken entstehen würden. „Und täglich gehen neue ein“, sagte ein Betriebsratsmitglied der Bodenverkehrsdienste am Dienstag. Seinen Namen will auch dieser Mitarbeiter nicht in der Zeitung lesen – aus Angst vor Konsequenzen.

Kommentar: Alle müssen sich hinterfragen

Hauptleidtragende sind unter anderem die Passagiere des Vueling-Fluges. Das Gepäck, das seit Freitagnachmittag vermisst wird, blieb auch am Dienstag verschollen.

Flughafen sieht Verantwortung beim Dienstleister

Die Ursachen für die zurzeit hohe Auslastung seien „zum einen auf saisonale Lastspitzen aufgrund der Sommerferien, zum anderen auf eine unerwartete Veränderung der Nachfrage zurückzuführen“, sagte ein Sprecher der AHS. So habe man kurzfristig weitere Airlines übernehmen müssen. Auf alle Gefährdungsanzeigen werde mit persönlichen Gesprächen mit den Betroffenen reagiert, um „deren Sorgen auf den Grund zu gehen und möglichst schnell eine Verbesserung herbeizuführen“.

Beim Flughafen sieht man sich nicht in der Verantwortung für die Gefährdungsanzeigen der AHS. Direkte Mitarbeiter des Airports hätten bisher nur zwei solcher Anzeigen gestellt, so Flughafensprecherin Janet Niemeyer. Zu dem Vorwurf, zu niedrige Löhne zu zahlen, sagt sie: „Wir konkurrieren mit anderen Flughäfen europaweit und haben langfristig bestehende­ Verträge mit den Flug­gesellschaften.“ Diese Verträge könnten nicht einfach einseitig aufgekündigt werden.

Ver.di beschuldigt Hamburg Airport

Diese Argumentation überzeugt Katharina Wesenick, Tarifsekretärin für Luftverkehr beim Ver.di-Bundesvorstand, nicht. "Wir fordern seit langem einen bundesweiten Branchentarifvertrag, der die einzelnen Haustarifverträge überflüssig macht und die Branche dem Preisdruck der Airlines entzieht."

Doch von allen Flughäfen würde Hamburg am meisten eine rasche Lösung erschweren, die eine Existenz sichernde Bezahlung der Beschäftigten ermöglichen würde. Es wurden zwar Gespräche zu einem Branchentarifvertrag aufgenommen, aber „die Argumentation des Hamburger Flughafens, die dringend notwendige Verbesserung der Arbeitsbedingungen mit Verweis auf bestehende Verträge zu verzögern, überzeugt aber nicht“. Sie würde bedeuten, den jetzigen krisenhaften Zustand auf Jahre hinaus zu zementieren.

So würde das jüngste Beispiel der Tarifverhandlungen für den Bodenverkehrsdienst in Berlin vom Frühjahr 2017 zeigen, dass die Airlines bereit sind, bei entsprechendem Druck, auch bestehende Verträge nach zu verhandeln. "Hier erwarten wir von der sozialdemokratischen Regierung Hamburgs, die sich insbesondere der guten Arbeit verpflichtet, deutlich mehr Einfluss." Schließlich sei die Hansestadt als mehrheitlicher Anteilseigner in der Verantwortung.

Beim Senat heißt es lediglich, man „äußert sich nicht zum operativen Geschäft der öffentlichen Unternehmen, an denen die Stadt Anteile hält“. Wolfgang Rose, Koordinator für Gewerkschaftskontakte der SPD-Bürgerschaftsfraktion, war jahrelang Chef bei Ver.di Hamburg. Er sagt: „Wir setzen uns im gesamten Einflussbereich der Stadt für gute Arbeit ein, von der man leben kann – auch am Flughafen.“ Als Parlament würde man sich aber nicht in Tarifverhandlungen zwischen der Arbeitsrechtlichen Vereinigung Hamburg und der Flughafen Hamburg GmbH einmischen.

Grüne halten Branchentarifvertrag für notwendig

Die Grünen dagegen werden deut­licher: „Einen bundesweiten Branchentarifvertrag halten wir für dringend notwendig“, sagt Antje Möller, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen-Bürgerschaftsfraktion. Neben der Diskussion um die Bezahlung gebe es aber auch die Notwendigkeit, die Arbeitsbedingungen für das Bodenpersonal zu erleichtern, um so mehr Mitarbeiter gewinnen zu können.

Der Meinung sind auch die Linken. „Nur mit einem attraktiven Lohn finden sich Menschen, die schwere körperliche Arbeit verrichten“, sagt Deniz Celik. Der gewerkschaftspolitische Sprecher der Fraktion teilt die Kritik von Ver.di und erwartet, dass gehandelt wird: „Der Senat soll für gute und Existenz sichernde Löhne auch am Hamburger Flughafen sorgen, als Mehrheitseigner hat er es in der Hand“, so Celik. Bei 16,2 Millionen Fluggästen im Jahr würde selbst eine Refinanzierung über höhere Abfertigungsgebühren nur zu kaum spürbaren Mehrbelastungen für die Passagiere führen.

Der Meinung scheinen auch die Hamburger zu sein. In einer nicht repräsentativen Umfrage des Hamburger Abendblatts antworteten am Dienstag 3865 Leser auf die Frage, ob die Beschäftigten am Flughafen besser bezahlt werden sollen, auch wenn dadurch die Flugtickets etwas teurer werden. 88 Prozent waren für eine Lohnsteigerung.