Hamburg. Umfrage: Mehr als sechs Tage Bearbeitungszeit bis zur Freigabe von Containern. Behörde räumt Personalmangel ein.
Trotz eines wachsenden Welthandels ist der Containerumschlag im Hamburger Hafen in den ersten Monaten des Jahres 2017 leicht gesunken – und die erneute Verzögerung der Elbvertiefung macht es nicht leichter, eine der wichtigsten Warendrehscheiben Europas gegenüber der Konkurrenz in Belgien und in den Niederlanden wettbewerbsfähig zu halten.
Nun kommt ein weiteres Problem hinzu: Einer aktuellen Umfrage des AGA Unternehmensverbands unter norddeutschen Groß- und Außenhändlern zufolge leiden mehr als 80 Prozent der Betriebe unter langen Bearbeitungszeiten beim Zoll im Hamburger Hafen. Weil dies erhebliche wirtschaftliche Nachteile zur Folge habe, erwägten fast 37 Prozent der befragten Firmen deshalb eine Verlagerung von Geschäft auf andere europäische Häfen.
Vier bis sechs Tage warten auf die Freigabe
Wie aus der Umfrage hervorgeht, müssen die Außenhändler in den meisten Fällen vier bis sechs Tage auf die Freigabe der Waren warten, 21 Prozent der Unternehmen nennen sogar eine Bearbeitungszeit von mehr als sechs Tagen. In früheren Jahren konnten sich die Handelsbetriebe nach Angaben des AGA darauf verlassen, dass die Zollabfertigung nicht länger als zwei Tage in Anspruch nimmt.
Vor allem bei der Einfuhr tritt das Problem nach Angaben der Firmen auf. „Für uns als Importeur bedeuten diese Verzögerungen in einigen Fällen, speziell bei Gefahrgut, sehr hohe Standzeiten für die Container, die wir nicht an unsere Kunden weitergeben können“, hieß es von einem Hamburger Rohstoffhändler dazu. „Dies wird in unseren Nachbarländern wesentlich besser geregelt, und es bleibt nicht aus, dass Frachten in Richtung Antwerpen und Rotterdam abwandern.“
Weitere Verzögerungen
Betroffene Unternehmen wollen nicht genannt werden, weil sie fürchten, dass sie sonst Nachteile bei der Behandlung durch den Zoll haben. Schon Nachfragen bei der Zollverwaltung führten zu „Verschlechterungen und weiteren Verzögerungen“, klagte ein Verantwortlicher aus einer anderen Firma.
Nach Angaben der Außenhändler zieht die schleppende Zollfreigabe einen Anstieg der Kosten durch verlängerte Lagerzeiten, entsprechend höhere Containermieten sowie Mehraufwand durch Umdisponierungen beim Weitertransport, zum Beispiel mit der Bahn, nach sich. Immerhin knapp 20 Prozent der befragten Firmen veranschlagen die zusätzlichen Kosten auf mehr als drei Prozent des Warenwerts.
Ursache der langen Bearbeitungszeiten ist offenbar Personalknappheit beim Zoll. „Damit Hamburg auch langfristig nicht den Anschluss verliert, müssen die Behörden alles dafür tun, die Wettbewerbsfähigkeit des Hamburger Hafens zu erhalten“, sagte AGA-Präsident Hans Fabian Kruse.
„Dafür müssen vorrangig die freien Stellen besetzt und das Personal aufgestockt werden.“ Im Juni habe man zusammen mit weiteren in Hamburg ansässigen Fachverbänden das Bundesfinanzministerium in einem gemeinsamen Brief dazu aufgefordert, „die Situation bei der Zollabfertigung im Hamburger Hafen unverzüglich zu verbessern, um das Ansehen der Metropolregion Hamburg und Deutschlands als führende Außenhandelsnation zu sichern“, hieß es vom AGA.
Denn betroffene Firmen beschreiben schwere Nachteile durch die Zoll-Engpässe. „Uns gehen kurzfristige Termingeschäfte verloren“, klagt eines der Unternehmen: „Wir werden von unseren Kunden zunehmend als unzuverlässig wahrgenommen.“ Der Aufwand sei „schon fast so hoch, dass eine Anlieferung in Rotterdam lohnenswert ist, selbst wenn man den Transport nach Deutschland berücksichtigt.“
Der Geschäftsführer eines international ausgerichteten Hamburger Logistikers kritisiert: „Wirtschaftsfreundlichkeit sieht anders aus. Der Unterschied zwischen Hamburg und den restlichen Bundesländern ist gravierend.“ Und weiter: „Hamburg will seinen Containerumschlag steigern. So wird das nicht gelingen.“ Auch Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) ist in dieser Sache bereits tätig geworden.
Wie eine Sprecherin von Horch sagte, steht die Wirtschaftsbehörde dazu in engem Kontakt mit der Hamburger Hafenwirtschaft und mit der Bundeszollverwaltung. Denn in die Zuständigkeit dieser dem Finanzministerium unterstellten Behörde falle „die Umsetzung angemessener Maßnahmen zur Entspannung der aktuellen Lage“.
550 Beamte arbeiten beim Zollamt Waltershof
Andre Lenz, Sprecher der Generalzolldirektion in Bonn, räumt auf Abendblatt-Anfrage ein, dass sich die Bearbeitungszeiten in Hamburg zuletzt verlängert haben – und er bestätigt auch die vom AGA vermutete Ursache: „Wegen des großen Importvolumens und der aktuell angespannten Personalsituation beim Hauptzollamt Hamburg-Hafen dauern Zollabfertigungen im Hamburger Hafen zurzeit teilweise länger als bei anderen Zollstellen in Deutschland beziehungsweise länger als normalerweise dort üblich.“
Um die Warenabfertigung im Hamburger Hafen „zeitnah zu beschleunigen“, sei die Generalzolldirektion bestrebt, die See- und Flughäfen und dabei insbesondere auch das Hauptzollamt Hamburg Hafen „kurzfristig durch den Einsatz von Nachwuchskräften zu verstärken“, erklärt Lenz. Beim Zollamt Waltershof, das die Kontrollen der Container vornimmt, seien derzeit rund 550 Beamte tätig. Darüber hinaus unterstützen nach Angaben von Lenz bereits Beschäftigte anderer Zollämter bei der Bearbeitung elektronischer Zollanmeldungen, um die Bearbeitungszeiten der Zollanmeldungen im Hamburger-Hafen weiter zu reduzieren.
Seit der Aufhebung des Freihafens im Jahr 2013, so heißt es auf den Internet-Seiten von Hafen Hamburg Marketing, sei der „Verkehrsfluss im Hafen noch schneller und flexibler geworden.“ Doch zuletzt erleben die norddeutschen Außenhändler das ganz anders. Einer der Betroffenen formuliert es so: „Das Tor zur Welt scheint zur Zeit eher geschlossen als offen zu sein.“