Hamburg. Marché International betreibt die Gastronomie am Flughafen – die Sicherheitsauflagen sind hoch. Nun will die Firma expandieren.
Nico Tobien knetet den Teigling, gibt ihm eine runde Form, bestäubt ihn mit Mehl und packt ihn in die Pressplatte. Der 31-Jährige drückt den Deckel fest, löst ihn und holt den Teig wieder heraus. Nun ist dieser in 36 gleich große Teile geformt. Er reißt ein Stück ab und „wickelt“ es von der Mitte gleichmäßig nach außen. „In der Mitte soll das Schweizer Baguette einen schönen Bauch haben – dann sieht es perfekt aus“, sagt er. Rund drei Stunden werden die Brötchen liegen gelassen. Dann werden sie ausgebacken.
Tobien ist einer von sechs Bäckern, die an ihrem Arbeitsplatz unter den Augen der Öffentlichkeit stehen und doch einen besonderen Schutz genießen. Sie arbeiten bei Marché International im Flughafen Hamburg, in einer vor einigen Wochen neu eröffneten gläsernen Bäckerei hinter der Sicherheitsschleuse. „Wir sind weltweit die einzige Firma, die am Flughafen selbst backt“, sagt Oliver Altherr.
Vielfalt bei den Anbietern
Er ist Chef des Schweizer Unternehmens, das eine Tochter der Mövenpick-Gruppe ist und mit verschiedenen Gastronomiekonzepten den Airport bespielt: Ob die Restaurants Mövenpick und Marché, das Burgerlabel Cindy´s Diner, die Pizza- und Pastamarke San Pino oder in Lizenz der Starbucks-Coffeeshop und die Fischspezialitäten von Gosch – betrieben werden sie von Marché International.
Aber warum unter so vielen verschiedenen Namen und nicht unter dem weltbekannten Markendach von Mövenpick? „Die Flughäfen und die Passagiere wollen mehr Marken und eine Vielfalt bei den Anbietern“, sagt Altherr. An sieben deutschen Airports ist das Unternehmen vertreten, das im vergangenen Geschäftsjahr weltweit seinen Umsatz um 6,4 Prozent auf umgerechnet 225 Millionen Euro steigerte.
Erlöse legen zu
Überdurchschnittlich legten die Erlöse in Deutschland zu, dazu trugen Neueröffnungen in Berlin, Magdeburg und Leipzig bei. Auch künftig will das Unternehmen wachsen. Heute wird ein Restaurant in Kuala Lumpur (Malaysia) eröffnet, im Oktober folgt eins in Bielefeld, Anfang 2018 wird die Gastronomie im Münchener Zoo übernommen.
Jedes Jahr werden zwischen fünf bis zehn Geschäfte eröffnet, sagt Altherr. Gern würde er auch in der Elbmetropole einen zweiten Standort eröffnen. „Wir suchen in der Hamburger City nach einem Geschäft“, sagt Altherr. 200 bis 400 Quadratmeter soll es groß sein. Es wäre eine Rückkehr zu alten Wurzeln. Fast 30 Jahre lang bis 2007 betrieb das Unternehmen im Hanse-Viertel ein Restaurant, 3000 bis 4000 Gäste habe man dort pro Tag gezählt. Zurück in ein Einkaufszentrum soll es aber nicht gehen. Das Problem: Kein Mensch gehe abends nach Geschäftsschluss zum Essen in einen Shoppingtempel. Man brauche aber neben einem starken Mittagsgeschäft auch abends eine gut besuchte Gaststätte.
Drei weitere Standorte im Norden
Im Norden betreibt Marché International drei weitere Standorte. An der A 7 werden die Raststätten Holmmoor West und Ost bespielt. „Das Geschäft an der Autobahn verläuft sehr saisonal. Von Juni bis September machen sie fast den vierfachen Umsatz als in den übrigen Monaten“, sagt Altrogge. Zusammen mit dem Partner Tank & Rast könne man sich weitere Übernahmen vorstellen. Zudem gibt es in Neumünster ein Restaurant im Outlet-Center.
Der umsatzstärkste Betrieb im Unternehmen sei aber der Flughafen in Fuhlsbüttel. „Ideal ist es, wenn man pro Fluggast zwischen 90 Cent und einem Euro abschöpft“, sagt Betriebsleiter Manfred Schmid. Da sei man auf einem guten Weg, sagt er – ohne konkrete Zahlen zu nennen. Die Gastronomen profitieren dabei von dem seit Jahren anhaltenden Passagierwachstum. Seit 2013 steigen die Fluggastzahlen kontinuierlich, von 13,5 Millionen auf 16,2 Millionen im vergangenen Jahr. In den ersten fünf Monaten 2017 legten sie um zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zu, die Erlöse von Marché International sogar um 15 Prozent.
Seitdem die Gastronomie am Flughafen im November 2004 übernommen wurde, wird das Personal kontinuierlich aufgestockt. Statt damals 140 Mitarbeiter sind es heute 187 Beschäftigte. Wie vielen anderen Betrieben der Branche fällt es zunehmend schwer, freie Stellen zu besetzen. Das Unternehmen belohnt mit einem besonderen Anreiz gute Ausbildungsleistungen.
Wer in das dritte Lehrjahr mit einem Notendurchschnitt von mindestens 1,3 geht, darf ein Jahr lang kostenfrei einen Kleinwagen fahren. Drei Lehrlinge bekamen schon Autos gestellt, ein vierter erhielt eine Jahreskarte für die Bahn – er hatte keinen Führerschein. Auch künftig rechnet Schmid mit steigendem Personalbedarf in Hamburg. Zumal der Flughafen langfristig die Terminalflächen ausbauen will – mit neuen Gastronomieangeboten, um die man sich bewerben wolle.
Täglich rund 500 Kilogramm Mehl
In der gläsernen Backstube stehen wie in einer normalen Bäckerei Teigmaschinen, Gärschränke und Öfen. Täglich werden rund 500 Kilogramm Mehl verarbeitet, 2000 bis 3000 Sandwiches hergestellt. Weil dies im Sicherheitsbereich des Airports passiert, werden auch sämtliche Waren umfassenden Checks unterzogen. „Das Mehl muss geröntgt werden“, sagt Schmid. Und wenn ein neues Küchengerät geliefert wird, muss das vorher angemeldet werden.
Schmid: „Wenn wir einen Kühlschrank oder eine Spülmaschine kriegen, dann kommt der Spürhund.“ Drei Mitarbeiter kümmern sich daher ausschließlich um die Logistik. Für den Transport der fertigen Ware in den weitläufigen Terminals wurden spezielle Tretroller mit Ladefläche angeschafft. Denn gefertigt werde nur das, was in den fünf Restaurants, fünf Bars, drei Cafés und im Konferenz-Center gerade gebraucht werde.
Zwischen 160 und 200 Pizzen pro Tag
Auf der anderen Seite der gläsernen Backstube stehen drei Frauen und belegen gerade Baguettes mit Salat, Wurst und Käse. „Wir machen alles frisch, produzieren vieles selbst und setzen bei unseren Zulieferern wie Fleischereien auf hohe Qualität“, sagt Altherr. So werde im Burgerladen Cindy’s Diner kein tiefgefrorenes Fleisch verwendet, sondern der Bratling von den Mitarbeitern jeden Tag frisch hergestellt. Und die Brötchen kommen aus der eigenen Bäckerei.
Ebenso wie der Pizzateig, den ein Bäcker gerade herstellt. Zwischen 160 und 200 Pizzen werden pro Tag verkauft. Mit Tomate und Mozzarella kostet die große Variante neun Euro, die ausgefallenere Version mit Hackfleisch, Chili und Limettencreme schlägt mit 13,50 Euro zu Buche. Der sonst häufig fad schmeckende und labberige Rand werde extra mit Parmesan belegt, damit er Geschmack bekommt. Maximal sieben Minuten sollen von der Bestellung bis zur Auslieferung der Ware vergehen. Für belegte Baguettes fallen zwischen 3,50 und 4,50 Euro an, für ein Stück Kuchen 2,90 Euro. Altherr: „Eigentlich ist das viel zu günstig für Selbstgemacht ...“