Beim Tag des offenen Denkmals geht es um die Wirkung von Farbe. Das Programm besteht keineswegs nur aus Besichtigungen, sondern umfasst auch Rundgänge, Führungen, Lesungen, Konzerte und Kunstaktionen.

Wahrscheinlich haben die vielen Glasfassaden der letzten Jahrzehnte dazu geführt, dass wir die städtische Architektur in erster Linie als Form wahrnehmen und die Farbe eher in den Hintergrund tritt. Doch in Wahrheit spielt Farbe für die Wirkung des einzelnen Bauwerks wie des gesamten Stadtbilds eine zentrale Rolle. Genau darum soll es am 14. September beim Tag des offenen Denkmals gehen, der diesmal unter dem Motto „Farbe“ steht. Bundesweit werden an diesem Sonntag mehr als 7500 Baudenkmäler, archäologische Stätten, Gärten und Parks geöffnet, von denen viele normalerweise für die Allgemeinheit nicht zugänglich sind.

Von den etwa 120 Objekten, mit denen sich Hamburg an dieser zahlenmäßig erfolgreichsten Kulturveranstaltung der Bundesrepublik beteiligt, sind 30 erstmals dabei. Wie in den Vorjahren gibt es wieder Shuttleangebote mit historischen Bussen, Schiffen und S-Bahnen, um den Besuchern die Möglichkeit zu eröffnen, mehrere Angebote wahrzunehmen. Und das Programm besteht keineswegs nur aus Besichtigungen, sondern umfasst auch Rundgänge, Führungen, Lesungen, Konzerte und Kunstaktionen.

Auch die zentrale Eröffnungsveranstaltung, die jedes Jahr von einem anderen Bundesland ausgerichtet wird, findet seit langer Zeit wieder in Hamburg statt, und zwar am Sonntag von 11 Uhr an im Innenhof des Rathauses. Sprechen werden unter anderen Rosemarie Wilcken, die Vorstandsvorsitzende der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und Andreas Kellner, der Leiter des Hamburger Denkmalschutzamts. Der Tag des offenen Denkmals, zu dessen Ausrichtern neben der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und der Kulturbehörde auch die Stiftung Denkmalpflege Hamburg gehört, hat bereits am Freitag in der Aula der HfBK mit einem umfangreichen Vortragsprogramm zum Thema „Farbiges Hamburg“ begonnen. Und auch am Sonnabend gibt es schon einige Veranstaltungen, zum Beispiel Kirchen- und Orgelführungen in St. Nikolai auf Finkenwerder.

+++ Der Tag des Denkmals auf St. Pauli +++

Fragt man Andreas Kellner, welche Grundfarbe er der Hansestadt zuordnet, antwortet Hamburgs oberster Denkmalschützer: „Ich würde nicht von einer, sondern von drei Grundfarben sprechen, die Hamburgs Stadtarchitektur bestimmen: Rot, Weiß und Grün.“ Die im Mittelalter kultivierte Backsteinarchitektur, die im gesamten Ostseeraum mit großartigen Kirchen, Rat- und Bürgerhäusern eine einzigartige Baukultur hervorgebracht und in Hamburg Anfang des 20. Jahrhunderts eine bemerkenswerte Renaissance erlebt hat, steht für die Farbe Rot in allen Schattierungen. Mit den Putzfassaden der klassizistischen Villenarchitektur an Elbe und Alster, aber auch mit den seit den 80er-Jahren des 19. Jahrhunderts entstandenen gründerzeitlichen Wohnquartieren hielt die Farbe Weiß Einzug ins Hamburger Stadtbild, in dem sich nun auch andere helle Farben zeigten. „Und schließlich vervollkommnet das Grün vieler kupferner Dächer den Dreiklang der Hamburger Grundfarben, ich denke hier an die Kirchen, aber zum Beispiel auch an die patinierten Dächer des Hamburger Rathauses“, fügt Kellner hinzu, der zugleich den Blick von den Fassaden in das Innere der Gebäude lenken möchte, wofür der Tag des offenen Denkmals besondere Möglichkeiten bietet: auf die farbige Fassung von Treppenhäusern, Eingangshallen und Sälen öffentlicher Gebäude, auf Wandgemälde in Kirchen und auf Glasfenster, deren Wirkung sich nur im Innenraum entfalten kann.

Architektur wird zur Projektionsfläche für Lichtinstallationen

Wie spektakulär Farbe die Wirkung von Architektur zu verändern vermag, zeigt Katrin Bethge mit zwei Lichtinstallationen: Am Freitag hat die Lichtkünstlerin mit einer Overheadprojektion die aus kräftigen Gelb- und Rottönen bestehende Farbfassung, die Fritz Schumacher der heute weißen Fassade des barocken Goertz-Palais (Neuer Wall 86) im Jahr 1926 gegeben hatte, rekonstruiert. Und am Sonntag wird sie den Heinrich-Hertz-Turm gemeinsam mit John Eckhardt ins Zentrum einer Lichtperformance rücken. „Im Dialog von Bass und Licht entstehen dramatische und atmosphärische Klangfarbräume“, heißt es in der Beschreibung der Aktion, mit der der Tag des offenen Denkmals ausklingen wird.

Auf dieser Seite stellen wir einige Denkmäler vor, deren Besuch sich am Sonntag besonders lohnt.

Stilvolle Residenz eines reichen Hamburgers

Hans von Ohlendorff, Spross einer der reichsten Hamburger Kaufmannsfamilien, hatte einen konservativen, aber erlesenen Architekturgeschmack: 1928/29, immerhin zwei Jahre nach Fertigstellung des Dessauer Bauhauses, ließ er sich von Erich Elengius in Volksdorf eine prächtige Villa in neoklassizistischen Formen bauen. Vorhalle, Empfangsraum, Bibliothek, Wintergarten und Morgenzimmer waren äußerst repräsentativ gestaltet. Dass dieses Landhaus, das bis 2007 als Ortsamt der Walddörfer diente, nicht privat verkauft wurde, konnte durch ein Bürgerbegehren verhindert werden. Heute dient das aufwendig restaurierte Gebäude einer gemeinnützigen Stiftung.

Ohlendorff’sche Villa, Im Alten Dorfe 28, Öffnungszeiten: So 11–18, Führung: So 11–17

„Spiegel“-Redakteure in Badehosen

Dass der 1885/86 von Martin Haller erbaute Dovenhof, Hamburgs großartigstes Kontorhaus, für den Bau des alten „Spiegel“-Gebäudes abgerissen wurde, bleibt eine der schwersten Hamburger Bausünden. Gleichwohl ist das 1967 bis 1969 an gleicher Stelle von Werner Kallmorgen errichtete ehemalige Redaktionsgebäude ein stadtbildprägendes Denkmal der Nachkriegsmoderne. Der dänische Designer Verner Panton schuf nicht nur die zu ihrer Entstehungszeit ultramoderne Kantine, die sich heute im Museum für Kunst und Gewerbe befindet, sondern auch ein Schwimmbad, das in den ersten Jahren von den Redakteuren gern genutzt wurde.

Schwimmbad aus dem ehemaligen „Spiegel“-Gebäude, Brandstwiete 19, Führung: Sa u. So 10–12

Der Eisenbahngeschichte auf der Spur

1847 rollten die Dampflokomotiven der Königlich-Hannöverschen Staatseisenbahnen erstmalig in den als Endstation der Strecke errichteten Harburger Bahnhof ein. Als ein Vierteljahrhundert später die Elbbrücken vollendet waren, ließen die Personenzüge den alten Bahnhof links liegen. Nicht aber die Güterzüge, die hier noch bis 1990 abgefertigt wurden. Ein Verwaltungsgebäude und ein Schuppen aus der Zeit um 1870 sind bis heute erhalten geblieben, normalerweise aber nicht öffentlich zugänglich. Am Denkmaltag können die Besucher jedoch die Halle durch das ursprüngliche Holztor betreten und einem der frühesten Zeugnisse der Hamburger Eisenbahngeschichte begegnen.

Alter Lokschuppen, Schellerdamm 19–21, Öffnungszeit: So 12–18 Uhr

Der Übergang vom Jugendstil zum Heimatstil

Anstelle eines Vorgängerbaus von 1876 errichtete der Altonaer Stadtbaurat Emil Brandt 1903 bis 1905 an der damaligen Allee, der heutigen Max-Brauer-Allee, ein Gymnasium. Stilistisch zeigt sich hier der Übergang von einem gemäßigten Jugendstil zum Heimatstil, der die Architektur vor dem Ersten Weltkrieg prägte. Besonders sehenswert ist der Eingangsbereich mit einem Brunnen und dem von Säulen getragenen Treppenhaus. Die repräsentative Pfortenanlage konnte mit Unterstützung der Stiftung Denkmalpflege Hamburg restauriert werden, die auch die Freilegung und Wiederherstellung weiterer Wandmalereien ermöglicht hat.

Gymnasium Allee, Max-Brauer-Allee 83, Öffnungszeit: Sa 10–16, So 10–14, Führung: Sa 11 u. 14, So 11 Uhr

Schumacher setzte auf expressive Farben

1912 bis 1914 schuf Hamburgs Oberbaudirektor auf dem Gelände des Universitätsgeländes für eine Hamburger Schwesternschaft das Erika-Haus, ein eindrucksvolles Backsteingebäude, bei dem es sich um ein wichtiges Zeugnis der Reformarchitektur handelt. Der repräsentative Speisesaal war zunächst noch im Geist des Historismus blau ausgemalt. 1925 beauftragte Schumacher aber den Maler Otto Fischer-Trachau mit einer neuen Farbfassung, die mit ihren Gelborange- und Rottönen ungemein expressiv wirkt und das Gebäude deutlich aufwertet. Mit finanzieller Unterstützung von Sponsoren konnte das Baudenkmal von 1999 bis 2005 mustergültig restauriert werden.

Erika-Haus, Martinistr. 53, Öffnungszeit: So 11–16, Führung: So 11.00

Toskanischer Campanile mitten in Alsterdorf

Der Architekturhistoriker Hermann Hipp bescheinigte dem 1890/91 von Ernst Paul Dorn erbauten Krematorium, dass es „von romanischen Bauten Oberitaliens inspiriert“ sei. Dem kann man mit Blick auf die Kuppel zustimmen, und auch der Turm, der den Schornstein kaschiert, erinnert an einen toskanischen Campanile. Nachdem das Krematorium seine ursprüngliche Bestimmung verloren hatte, wurde das sogenannte Alsterpalais u. a. als Restaurant genutzt und stand später lange leer. Seit 2009 dient das Gebäude selbst als Schule, der ehemalige Urnenhof wird heute als Schulhof genutzt.

Alsterpalais, Alsterdorfer Straße 523, Öffnungszeit: Sa 11–13, Führung: 11.15 u. 12.15 Uhr

Bedeutendes Denkmal der Moderne

Der Däne Arne Jacobsen gehört zu den bedeutendsten Architekten und Designern des 20. Jahrhunderts. 1965 bis 1969 schuf er gemeinsam mit seinem Landsmann Otto Weitling das Hauptgebäude der damaligen Hamburgischen Electricitäts-Werke, das heutige Vattenfall-Hauptverwaltungsgebäude. Glücklicherweise blieben viele Bereiche dieses bedeutenden Werks der Nachkriegsmoderne in ihrem originalen Zustand, mit originalen Materialien und in ihrer ursprünglichen Farbigkeit erhalten. Auch das Dach ist zum Denkmaltag zugänglich und bietet einen Panoramablick auf Stadt und Hafen.

Vattenfall-Hauptverwaltungsgebäude Hamburg, Überseering 12, Führung: So 10, 13 und 16 Uhr

In der Nachkriegszeit wollte man mehr Licht

Historistische Architektur war in der Nachkriegszeit nicht hoch im Kurs. Da man auch mit der dunklen Raumstimmung der 1881 geweihten neogotischen Nikolaikirche in Finkenwerder nichts mehr anfangen konnte, wurde der Raum nach der Flut von 1962 deutlich aufgehellt. Den Entwurf lieferte Werner Kallmorgen. Allein der Chorraum, der 1967 ein farbiges Apsisfenster der nach Israel ausgewanderten Künstlerin Anna Andersch erhielt, weist nach wie vor eine „sakrale Stimmung“ auf. Die bedeutende Furtwängler-Orgel konnte 2012 restauriert werden.

St. Nikolai, Finkenwerder Landscheideweg 157, Öffnung: Sa/So 11–17, Führ.: Sa/So stündl. ab 11 Uhr

Fassade mit kunstvollen Dekorationen

Die Bedientresen in der ehemaligen Kassenhalle der Finanzbehörde sind noch gut zu erkennen. Der repräsentative Saal trägt heute den Namen des Hamburger Staatsrats Leo Lippmann, den die Nationalsozialisten in den Suizid trieben. Das Gebäude am Gänsemarkt wurde 1918 bis 1926 von Fritz Schumacher erbaut, die Schmuckelemente aus Keramik, die der Backsteinfassade eine besondere Wirkung verleihen, stammen von Richard Kuöhl, dem Schöpfer des in der NS-Zeit entstandenen 76er-Denkmals am Dammtor. Markant ist die Kuppel, die den seitlich platzierten Turm bekrönt.

Finanzbehörde, Gänsemarkt 36, Öffnungszeit: Sa 9–14 Uhr