Hamburg. Abendblatt begleitet Vorstandssprecher nach G20-Krawallen am Schulterblatt. Auch andere Haspa-Filialen betroffen.
„Unvorstellbar!“ – Nicht nur die Haspa-Kundin, der dieser spontane Ausruf entfährt, reagiert spürbar betroffen auf die Fotos aus dem Inneren der Filiale am Schulterblatt: Die Wände sind rußgeschwärzt, die Scheiben des Kassenraums sind von der Hitze des Feuers blind geworden, die Einrichtung ist zerschlagen.
Detlef Rüter, Regionalleiter der Sparkasse, projiziert die Bilder an eine Wand in der Taverna Romana, wenige Meter von der während der G20-Krawalle völlig ausgebrannten Filiale entfernt. In das traditionsreiche Kiez-Restaurant hatte die Haspa die Kunden ihrer Geschäftsstelle im Schanzenviertel für den Dienstagnachmittag eingeladen, um mit ihnen darüber zu sprechen, wie es weitergehen soll.
Höhe des Schadens noch unklar
Denn eines ist klar: So bald wird die Filiale nicht wieder öffnen können. „Das wird Monate dauern“, sagt Haspa-Chef Harald Vogelsang. Neben ihm auf einem Stuhl sitzt „Manni, die Maus“, das Maskottchen der Hamburger Sparkasse, dem man ein weißes Shirt mit dem Aufdruck „Gewalt war gestern“ angezogen hat. In der Krawallnacht konnte Rüter auf den Fernsehbildern erkennen, wie eines der Stofftiere aus der Filiale draußen auf der Straße verbrannte.
Vogelsang hat bisher noch keinen Überblick über die Höhe des Schadens. Denn die Polizei hat den Zugang zu der Filiale gerade erst freigegeben, jetzt sind Sachverständige der Versicherung in dem Gebäude.
Rüter geht davon aus, dass es zumindest komplett entkernt werden muss. „Ich bin schon am Sonnabendmorgen um kurz nach 6 Uhr in der Filiale gewesen“, berichtet der Regionalleiter. „Es war drinnen noch unvorstellbar heiß, und man hielt es wegen des Gestanks der verkohlten Einrichtung nur wenige Minuten dort aus.“ Selbst auf der gegenüberliegenden Straßenseite ist der Brandgeruch am Dienstag noch immer deutlich wahrzunehmen.
In der Nacht zum Sonnabend hatten Randalierer das Schutzgitter vor dem Eingang mit brachialer Gewalt aufgebrochen und im Inneren ein Feuer gelegt. Wohl als Folge des Brandes ist ein Wasserrohr gebrochen, der Keller ist überflutet. Erst nachdem die Gas-, Wasser- und Stromversorgung abgestellt war, konnte die Filiale gefahrlos betreten werden.
Nach den Worten von Rüter gibt es eine Erklärung dafür, dass das Gebäude so schwer beschädigt ist: „Es war nie Feuerwehr zum Löschen da. Erst gegen Ende der Krawallnacht hat mal ein Wasserwerfer der Polizei durch die Tür hineingespritzt.“
Ungefähr 50 Kunden der Schanzen-Filiale sind der Einladung der Haspa in die Taverna Romana gefolgt, darunter auch Gewerbetreibende. „Natürlich ist ein Inhaber, der sein einziges Geschäft hier führt, durch Vandalismus ganz anders betroffen als wir“, sagt Vogelsang. „Aber er kann bald wieder einräumen. Wir haben hier einen Totalschaden.“
Vier weitere Zweigstellen beschädigt
Außer der Filiale am Schulterblatt seien bei den G20-Krawallen vier weitere Zweigstellen beschädigt worden. „66 große Fensterscheiben sind eingeschlagen worden, acht Geldautomaten wurden zerstört“, zählt der Haspa-Chef auf. Ein Geldautomat kostet rund 50.000 Euro. Die Glasscheiben der Niederlassung im Schanzenviertel seien nicht versicherbar gewesen – schließlich gab es in den vergangenen Jahren hier häufiger Ausschreitungen, fast schon traditionell jeweils in der Nacht zum 1. Mai.
„Die Filiale Schulterblatt gibt es schon seit 1959“, so Vogelsang, „wir sind mit der Schanze durch dick und dünn gegangen“ – und das solle möglichst so bleiben. Zunächst aber sorgt sich der Haspa-Vorstandssprecher, dass Kunden, weil sie in den nächsten Monaten weitere Wege in Kauf nehmen müssen, zur Konkurrenz abwandern könnten.
Zwei Mitarbeiter aus dem Filialteam sollen sich zunächst in unmittelbarer Nähe der zerstörten Zweigstelle aufhalten, um Kunden mit Rat und Tat zur Seite stehen zu können. Ihre Kollegen werden in der nächsten Zeit in den benachbarten Filialen in der Weidenallee und der Wohlwillstraße arbeiten, sie behalten aber ihre gewohnten Telefonnummern.
Aus dem Kreis der Kunden kam am Dienstag die Anregung, die Geschäftszeiten dieser Zweigstellen wenigstens vorübergehend zu verlängern. Denn die Filiale Schulterblatt hatte wochentags bis 18 Uhr geöffnet, die anderen nur bis 16 Uhr. Vogelsang will zudem prüfen, ob es möglich ist, vorübergehend die seit einigen Monaten geschlossene Filiale der Deutschen Bank in unmittelbarer Nähe des ausgebrannten Haspa-Standorts anzumieten.
Modernisierung des Filialnetzes
Die Sparkassen-Filiale am Schulterblatt gehörte zu den vier Niederlassungen, die als erste auf ein völlig neues Konzept umgestellt werden sollten. Ende Juni hatte die Filiale in Niendorf-Nord den Anfang gemacht; sie war nach einer dreiwöchigen Umbauphase neu eröffnet worden. Nach bisheriger Planung soll in diesem Jahr noch mindestens eine weitere der aktuell knapp 150 Niederlassungen folgen, voraussichtlich die in Sasel. Rund 30 Millionen Euro investiert die Haspa bis 2020 in die Modernisierung des Filialnetzes.
Zum Konzept gehört es, dass auch Menschen, die im Moment gar keine Bankgeschäfte erledigen wollen, in die Filialen kommen sollen – aber natürlich nicht, um sie zu zerstören.