Hamburg. In Markenklamotten den Kapitalismus kritisieren? Kann man machen, glaubt nur niemand. Warum dieser Protest scheinheilig ist.
Über der Doppelmoral klebt Gaffatape. Markenkleidung passt nicht ins Weltbild des Schwarzen Blocks der „Welcome to Hell“-Demo. Also werden Firmenlogos eilig kaschiert. Dann kann’s losgehen mit dem Sturz des Systems. Anarchie braucht keine Konzerne.
Doch nicht alle Antikapitalisten haben sich in den vergangenen Tagen so viel Mühe bei der Wahrung des Scheins gegeben. Eine Rand-Erkenntnis der G20-Krawalle in Hamburg lautet: Der randalierende Mob scheitert an seiner eigenen Symbolik. Für linke Inhalte taugen Edelpunks, Salonbolschewisten und Marken-Hooligans nicht. Wer soll ihrer sinnfreien Gewalt-Propaganda folgen?
Schwarzer Block zieht durch Hamburg
"Welcome to Hell" – schwarzer Block zieht durch Hamburg
In Wohlstandskleidung gegen die Gesellschaftsordnung aufbegehren – kann man machen, glaubt einem nur niemand. Am Ende ist dieser Protest genauso schwachsinnig wie unpolitisch. Manch einer sehnte sich nach guten, alten Demo-Utensilien wie dem Bundeswehrparka zurück. Da wurde als Statement die Deutschlandfahne abgerissen. fertig. Keinen Deut besser, aber ehrlich.
Mode und antikapitalistischer Protest, das ist aus bürgerlicher Perspektive ohnehin ein Widerspruch. Selten aber war der Graben zwischen politischem Anspruch und gezeigter Protest-Wirklichkeit größer als bei den „asozialen Schwerstkriminellen“ (Justizminister Heiko Maas) in den Chaos-Tagen an der Elbe. Selbst liberalste Beobachter haben nicht verstanden, welche Kapitalismuskritik von einem brennenden Citroën C1 ausgehen soll.
Welches Ideal hinter einer linksextremistischen Krawallpause bei McDonald’s steht. Und welcher Logik ein Steinewerfer in Calvin-Klein-Unterhose folgt. Die selbst ernannten Antikapitalisten wirkten selbstgerecht, verlogen, entpolitisiert. In den Insignien des Kapitalismus den Kapitalismus bekämpfend. Erst Big Mac, dann Black Block. Oder: Stumpf ist Trumpf.
Mehr Revolution, weniger Lifestyle
Die schräge Protest-Wirklichkeit 2017 lässt sich nur mit viel Wohlwollen herleiten. Entweder, die Salonlinken haben den Weg aus ihrer konsumorientierten Behaglichkeit auf die Straße gefunden (unwahrscheinlich) oder das Ideal, für das hier gekämpft werden soll, ist nur ein Feigenblatt, um sinnlos auf den Putz zu hauen, zu plündern, zu zündeln, zu verletzen. Womöglich waren auch nur gelangweilte Gelegenheitsrandalierer am Werk, die anhatten, was sie eben anhatten, das Hirn stark abgängig. Wenn deren erstrebenswerte Welt so aussieht wie am Freitagabend das Schulterblatt: Welche Mehrheit soll das wollen?
Markenklamotten sind ein ideologisches Dilemma für Linke, meist werden sie unter menschenunwürdigen Bedingungen produziert. Mehr Revolution, weniger Lifestyle muss die Parole sein. Aber auch der schärfste Kapitalismuskritiker steht jeden Morgen vor der Frage: Was ziehe ich an? Selbst die schwärzesten Adidas-Schuhe, die atmungsaktivste North-Face-Jacke oder das szenetypischste Fred-Perry-Shirt, das Rote-Flora-Sprecher Andreas Blechschmidt bisweilen trägt, sind am Ende politische Inkonsequenz.
Im Nachhaltigkeitsbericht des Portals „Randabrand“ erhalten alle Marken das Prädikat „nicht empfehlenswert“. Am Ende sind marodierende Marken-Linke deshalb wohl nur der konsequente Offenbarungseid einer Szene, der es weder um die Sache, noch um Politik geht, sondern ums Prinzip: das Prinzip der substanzlosen Gewalt.