Hamburg. In Markenklamotten den Kapitalismus kritisieren? Kann man machen, glaubt nur niemand. Warum dieser Protest scheinheilig ist.

Über der Doppelmoral klebt Gaffatape. Markenkleidung passt nicht ins Weltbild des Schwarzen Blocks der „Welcome to Hell“-Demo. Also werden Firmenlogos eilig kaschiert. Dann kann’s losgehen mit dem Sturz des Systems. Anarchie braucht keine Konzerne.

Doch nicht alle Antikapitalisten haben sich in den vergangenen Tagen so viel Mühe bei der Wahrung des Scheins gegeben. Eine Rand-Erkenntnis der G20-Krawalle in Hamburg lautet: Der randalierende Mob scheitert an seiner eigenen Symbolik. Für linke Inhalte taugen Edelpunks, Salonbolschewisten und Marken-Hooligans nicht. Wer soll ihrer sinnfreien Gewalt-Propaganda folgen?

Schwarzer Block zieht durch Hamburg

"Welcome to Hell" – schwarzer Block zieht durch Hamburg

Die Polizei bringt die Sternschanze unter Kontrolle – im Hintergrund die Rote Flora
Die Polizei bringt die Sternschanze unter Kontrolle – im Hintergrund die Rote Flora © Reuters | Fabian Bimmer
Polizisten stürmen die Sternschanze, während es vor der Roten Flora brennt
Polizisten stürmen die Sternschanze, während es vor der Roten Flora brennt © Reuters
Ein Wasserwerfer unter der Sternbrücke
Ein Wasserwerfer unter der Sternbrücke © HA | Alexander Josefowicz
Demonstranten zünden Barrikaden vor der Roten Flora auf dem Schulterblatt an
Demonstranten zünden Barrikaden vor der Roten Flora auf dem Schulterblatt an © Michael Arning
Polizisten und Wasserwerfer sichern die Davidwache auf der Reeperbahn
Polizisten und Wasserwerfer sichern die Davidwache auf der Reeperbahn © dpa
Man könnte es beinahe für ein gemütliches Lagerfeuer halten
Man könnte es beinahe für ein gemütliches Lagerfeuer halten © Michael Arning
Randale am Schlump: Ordnungskräfte sperren den Eingang des U-Bahnhofs
Randale am Schlump: Ordnungskräfte sperren den Eingang des U-Bahnhofs © dpa | Axel Heimken
Bei Einbruch der Dunkelheit ist noch kein Ende der Krawalle in Sicht
Bei Einbruch der Dunkelheit ist noch kein Ende der Krawalle in Sicht © dpa | Daniel Bockwoldt
Nachdem die Demo
Nachdem die Demo "Welcome to Hell" schon lange beendet wurde, formierten sich wiederholt Protestzüge im Bereich der Reeperbahn. Hier wird der Neue Pferdemarkt in der Sternschanze geräumt © HA/Alexander Josefowicz
Demonstranten ziehen durch St. Pauli. Die Proteste dauern nun schon mehr als sechs Stunden an
Demonstranten ziehen durch St. Pauli. Die Proteste dauern nun schon mehr als sechs Stunden an © Reuters | Pawel Kopczynski
Demonstranten marschieren über die Reeperbahn
Demonstranten marschieren über die Reeperbahn © Reuters
Eine Demonstrantin hilft einem Mann, nachdem dieser Prügel eingesteckt hatte
Eine Demonstrantin hilft einem Mann, nachdem dieser Prügel eingesteckt hatte © Getty Images
Demonstranten vor einem Wasserwerfer
Demonstranten vor einem Wasserwerfer © Leon Neal/Getty Images
Brennende Barrikaden bei der Demo
Brennende Barrikaden bei der Demo © HA | Michael Arning
Farbbeutelattacke auf Polizisten
Farbbeutelattacke auf Polizisten © dpa
Ein Auto brennt am Rande der Demo
Ein Auto brennt am Rande der Demo © dpa
Einige Demonstranten plädieren für Liebe
Einige Demonstranten plädieren für Liebe © dpa
Klare Geste im Vordergrund, klare Botschaft im Hintergrund
Klare Geste im Vordergrund, klare Botschaft im Hintergrund © Getty Images
Rettungskräfte eskortieren Verletzte
Rettungskräfte eskortieren Verletzte © Reuters
Demonstranten haben in der Louise-Schröder-Straße einen Müllcontainer angezündet
Demonstranten haben in der Louise-Schröder-Straße einen Müllcontainer angezündet © HA | Alexander Josefowicz
Polizisten bei der Demonstration
Polizisten bei der Demonstration © Reuters
Ein Demonstrant spielt Flöte
Ein Demonstrant spielt Flöte © dpa
Polizisten sichern die Sternschanze
Polizisten sichern die Sternschanze © Getty Images
Andere nutzen das Tohuwabohu ganz anders: Einige Leute spielen Frisbee auf der gesperrten Holstenstraße
Andere nutzen das Tohuwabohu ganz anders: Einige Leute spielen Frisbee auf der gesperrten Holstenstraße © HA | Alexander Josefowicz
Die Lage eskaliert
Die Lage eskaliert © Reuters
Die Polizei will den schwarzen Block auseinander treiben
Die Polizei will den schwarzen Block auseinander treiben © dpa
Feuer im Schwarzen Block
Feuer im Schwarzen Block © dpa
Ein Demonstrant protestiert mit Seifenblasen
Ein Demonstrant protestiert mit Seifenblasen © HA | Alexander Josefowicz
Wasserwerfer machen sich auf St. Pauli bereit
Wasserwerfer machen sich auf St. Pauli bereit © HA | Roland Magunia
Einsatzleiter der Polizei diskutieren mit Organisatoren bei der Demo
Einsatzleiter der Polizei diskutieren mit Organisatoren bei der Demo "Welcome to Hell" © HA | Christian Unger
Ein Wasserwerfer positioniert sich an den Landungsbrücken während der Demo
Ein Wasserwerfer positioniert sich an den Landungsbrücken während der Demo "Welcome to Hell" © HA | Christoph Heinemann
Die Goldenen Zitronen spielen bei der Auftaktkundgebung der
Die Goldenen Zitronen spielen bei der Auftaktkundgebung der "Welcome to hell"-Demo © HA | Alexander Josefowicz
Die ersten Demonstranten sammeln sich vor der Auftaktkundgebung am Fischmarkt
Die ersten Demonstranten sammeln sich vor der Auftaktkundgebung am Fischmarkt © HA | Alexander Josefowicz
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In Wohlstandskleidung gegen die Gesellschaftsordnung aufbegehren – kann man machen, glaubt einem nur niemand. Am Ende ist dieser Protest genauso schwachsinnig wie unpolitisch. Manch einer sehnte sich nach guten, alten Demo-Utensilien wie dem Bundeswehrparka zurück. Da wurde als Statement die Deutschlandfahne abgerissen. fertig. Keinen Deut besser, aber ehrlich.

Mode und antikapitalistischer Protest, das ist aus bürgerlicher Perspektive ohnehin ein Widerspruch. Selten aber war der Graben zwischen politischem Anspruch und gezeigter Protest-Wirklichkeit größer als bei den „asozialen Schwerstkriminellen“ (Justizminister Heiko Maas) in den Chaos-Tagen an der Elbe. Selbst liberalste Beobachter haben nicht verstanden, welche Kapitalismuskritik von einem brennenden Ci­troën C1 ausgehen soll.

Revolution im Sneakerketten-Pulli?
Merkt er wohl selber
Revolution im Sneakerketten-Pulli? Merkt er wohl selber © Getty Images | Thomas Lohnes

Welches Ideal hinter einer linksextremistischen Krawallpause bei McDonald’s steht. Und welcher Logik ein Steinewerfer in Calvin-Klein-Unterhose folgt. Die selbst ernannten Antikapitalisten wirkten selbstgerecht, verlogen, entpolitisiert. In den Insignien des Kapitalismus den Kapitalismus bekämpfend. Erst Big Mac, dann Black Block. Oder: Stumpf ist Trumpf.

Mehr Revolution, weniger Lifestyle

Die schräge Protest-Wirklichkeit 2017 lässt sich nur mit viel Wohlwollen herleiten. Entweder, die Salonlinken haben den Weg aus ihrer konsumorientierten Behaglichkeit auf die Straße gefunden (unwahrscheinlich) oder das Ideal, für das hier gekämpft werden soll, ist nur ein Feigenblatt, um sinnlos auf den Putz zu hauen, zu plündern, zu zündeln, zu verletzen. Womöglich waren auch nur gelangweilte Gelegenheitsrandalierer am Werk, die anhatten, was sie eben anhatten, das Hirn stark abgängig. Wenn deren erstrebenswerte Welt so aussieht wie am Freitagabend das Schulterblatt: Welche Mehrheit soll das wollen?

Markenlaufschuhe sind praktisch, aber
im Kontext unglaubwürdig
Markenlaufschuhe sind praktisch, aber im Kontext unglaubwürdig © Reuters

Markenklamotten sind ein ideologisches Dilemma für Linke, meist werden sie unter menschenunwürdigen Bedingungen produziert. Mehr Revolution, weniger Lifestyle muss die Parole sein. Aber auch der schärfste Kapitalismuskritiker steht jeden Morgen vor der Frage: Was ziehe ich an? Selbst die schwärzesten Adidas-Schuhe, die atmungsaktivste North-Face-Jacke oder das szenetypischste Fred-Perry-Shirt, das Rote-Flora-Sprecher Andreas Blechschmidt bisweilen trägt, sind am Ende politische Inkonsequenz.

Im Nachhaltigkeitsbericht des Portals „Randabrand“ erhalten alle Marken das Prädikat „nicht empfehlenswert“. Am Ende sind marodierende Marken-Linke deshalb wohl nur der konsequente Offenbarungseid einer Szene, der es weder um die Sache, noch um Politik geht, sondern ums Prinzip: das Prinzip der sub­stanzlosen Gewalt.