Hamburg. Die Tochter des Handelskonzerns Otto peilt für 2017 die Verdoppelung des Umsatzes an. Jedes Jahr 50 neue Arbeitsplätze geplant.

Wenn es ein Indiz für die Bindung von Mitarbeitern zu ihrem Unternehmen ist, dass sie dort auch selbst einkaufen, sieht es beim Internet-Modehändler About You gut aus. Im Empfangsbereich türmen sich an diesem Morgen die Kartons mit Bestellungen. Immer wieder kommen junge, ziemlich lässig gekleidete Menschen zum Abholen vorbei. Man kennt sich mit Namen, kaum jemand ist älter als 30 Jahre. Auf einem Regal stehen glänzende Pokale in Reihe, Auszeichnungen für das E-Commerce-Konzept. Nebenan, in der Cafeteria mit freigelegter Betondecke und Kaffeeautomat, sind die Tische leer.

Die meisten sitzen verteilt auf vier Etagen vor ihren Computern – programmieren für den Online-Shop, bestellen die neueste Mode, planen Fototermine und beantworten Kundenan­fragen. Oder sind gerade beim morgendlichen Briefing. Bei About You nennen sie es Stand-up.

About You ist erwachsen geworden

Ein bisschen hat die Atmosphäre in dem Geschäftshaus in der Domstraße etwas von einem Start-up. Aber About You und die dahinterstehende E-Commerce-Holding Collins, an der die Otto Group die Mehrheit hält, ist gut drei Jahre nach der Gründung erwachsen geworden. „Die Bilanz sieht sehr viel besser aus als geplant“, sagt Tarek Müller. Gemeinsam mit Hannes Wiese und Sebastian Betz führt er – nach dem Rückzug von Unternehmersohn Benjamin Otto vor zwei Jahren – die Geschäfte mit inzwischen 350 Mitarbeitern.

Mit einem Umsatz von 135 Millionen Euro hat der Onlinehändler das Ziel von 100 Millionen Euro im abgeschlossenen Geschäftsjahr (Stichtag: 28. Februar 2016) übertroffen. Das ist mehr als sechsmal so viel wie im Startjahr 2014, in dem die Hamburger 22 Millionen Euro Umsatz ausweisen konnten.

„Wir sind das am schnellsten wachsende E-Commerce-Unternehmen Europas“, sagt Finanzchef Hannes Wiese selbstbewusst. 2017 strebt das Unternehmen eine Verdopplung des Umsatzes auf 250 bis 280 Millionen Euro an. Schwarze Zahlen wird es aber auch in diesem Jahr noch nicht geben. Aber, sagt Wiese, „der Verlust wird geringer, bei deutlicher Zunahme an Umsatz und Wachstum. Wir arbeiten mit einer sehr hohen Kapitaleffizienz.“ Die Gesellschafter, zu denen auch SevenVentures (ProSiebenSat.1 Group) gehört, haben inzwischen eine dreistellige Millionensumme investiert.

Umsatz von mehr als einer Milliarde Euro angepeilt

Mit dem Start eigener Online-Portale in den Niederlanden und Belgien ab Oktober soll die Expansion nach Europa eingeleitet werden. In den nächsten fünf Jahren will About You den Umsatz auf mehr als eine Milliarde Euro steigern. Auch die Zahl der Mitarbeiter soll weiter wachsen: und zwar jährlich um etwa 50. Das Geschäftsmodell dahinter ist eine Mischung aus Modehandel, Marketing und innovativer Technologie. Anders als die großen Konkurrenten wie Zalando, Amazon oder auch Otto, setzt About You nicht nur „auf eine klickbare Lagerhalle, sondern lädt die Kunden zum Online-Bummeln ein“, wie Mitgründer und Digitalexperte Tarek Müller es gern nennt.

Der Sohn einer Ägypterin und eines Deutschen, der schon als 19-Jähriger als Berater bei Otto anfing, ist der Kopf hinter dem Erfolg – und trotzt mit Rastalocken und Stoffturnschuhen zumindest optisch dem Establishment. Präsentiert werden Trends, aktuell etwa Sweet Romance oder Tropische Träume. In der Kategorie Outfits können Interessierte quasi einen Blick in den Kleiderschrank von inzwischen 50 mehr oder weniger Prominenten werfen, darunter Topmodel Lena Gercke, Influencerin Caro Daur und Sänger Max Giesinger – und diese per Klick direkt bestellen. Es gibt auch Inspirationen für den angesagten Party-Dresscode oder den perfekten Business-Look. Wer dann noch Kleidergröße, Lieblingsfarbe oder Modestil preisgibt, bekommt speziell zugeschnittene Angebote, gerne auch im täglichen Nachrichtenfeed in sozialen Netzwerken.

Rund sechs Millionen Nutzer jeden Tag

Insgesamt hat das Portal inzwischen mehr als 110.000 Artikel von 800 Marken im Angebot.In der dritten Etage sitzen vier junge Frauen und ein Mann um einen Monitor. Abteilungschefin Schirin Chahvand bespricht die Aufgaben des Tages für das sogenannte Content-Team. Es soll ein Kalender für Foto-Shootings erstellt werden, den alle im Unternehmen einsehen können. Eine Kollegin bekommt eine Deadline für die Planung der Trends für die Herbst-/Winterkollektion. „Unsere Trendthemen sind handverlesen, das machen bei uns Menschen und keine Maschinen“, sagt die Projektmanagerin. Andere kümmern sich um die Zusammenarbeit mit dem Sportartikel-Hersteller Adidas. Auch die Planung für das neue Online-Angebot in den Niederlanden läuft von hier.

Etwa sechs Millionen Nutzer zählt About You jeden Tag. Die Zahl der aktiven Kunden liegt bei drei Millionen. Tendenz steigend. Etwa 80 Prozent sind Frauen zwischen 20 und 40 Jahren. „Abou­t You ist ökonomisch schon ein großer Erfolg. Aber das größte Wachstum steht uns noch bevor“, sagt Co-Geschäftsführer Wiese. Zunehmende Bedeutung sieht das Unternehmen im bedarfsweckenden Angebot, also bei den Käufen, die durch Online-Inspiration verursacht werden. Schon jetzt nutzten 70 Prozent der Kunden das Smartphone, um durch die Mode-Ideen zu surfen. „Wir verstehen uns als eine technologiegetriebene Organisation und arbeiten in einer Art E-Commerce-Labor“, sagt Sebastian Betz, der den Bereich Tech & Product verantwortet.

Eröffnung weiterer Edited-Shops geplant

Bei der Geschäftsentwicklung spielt auch die Eigenmarke Edited eine wichtige Rolle. Franziska Nellessen, die für das Marketing der Eigenmarke zuständig ist, steht vor einer langen Kleiderstange, auf der Pullover, Kleider und Hosen der aktuellen Kollektion hängen. Mit ihrem Team ist sie unterwegs auf den großen Modeschauen, spürt Trends auf, recherchiert, was kommt. Aktuell läuft die Planung für den Herbst/Winter 2018. „Es wird femininer“, verrät sie. „Es gibt viel Weiß mit Lederdetails.“ Geplant sind auch weitere Edited-Ladengeschäfte, als nächstes in Wien.

Mit großer Macht drängt About You zudem über neue Vermarktungskonzepte in den Markt und setzt dabei vor allem auf soziale Medien, wie Instagram, YouTube oder Facebook. So feierte das Unternehmen den dritten Geburtstag im Mai mit einem About-You-Award, zu dem 250 Prominente und 500 Branchen-Entscheider kamen. Die Ausstrahlung dieser Events verfolgten mehr als drei Millionen Zuschauer.

Das sorgt auch für lobende Worte bei Investoren. Aber steigt angesichts des Erfolgs nicht auch der Druck, in die Gewinnzone zu kommen? „Wir könnten profitabel sein, aber wir investieren in weiteres Wachstum“, sagt Müller und nennt dies eine „Luxusposition“. Alle drei Geschäftsführer sind finanziell an About You beteiligt. Daran, dass sich die Investitionen schon bald auszahlen, lassen sie keinen Zweifel. „Start-ups“, sagt Tarek Müller, „sind ja keine blauäugigen Jugend-Forscht-Projekte.“